Der kleinliche Unterschied
Ingolf Bossenz über Misshandlungen in Zeiten von Krieg und Terror
Sie verbanden ihnen die Augen, ließen sie hungern, verwehrten ihnen das Schlafen, bedrohten sie. Was britische Soldaten während des Irak-Kriegs im Mai 2004 neun irakischen Gefangenen bei Verhören antaten, war zwar ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht, aber keine Folter. Zu diesem Ergebnis kommt der Bericht einer Untersuchungskommission unter dem ehemaligen Richter Thayne Forbes. In der Tat enthält die Antifolterkonvention der UNO einen umfangreichen Punktekatalog für die stichhaltige Begründung des Vorwurfs von Folter. Allerdings dürfte das Problem der korrekten und differenzierten Definition für die von Folter oder Noch-keine-Folter Betroffenen eines der geringsten sein. Denn was der Apostel Paulus über die Liebe schreibt, gilt in Zeiten von Krieg und Terror für die Gewalt: Sie höret nimmer auf. Die Misshandlungen an Besiegten, Entwaffneten, Wehrlosen sind die Fortsetzung des Schlachtfeldhorrors.
Die Differenz zwischen profaner Peinigung und veritabler Folter im »Krieg gegen den Terror« mag juristisch korrekt sein. Das Menschliche wird durch solche Sicht klein. Der portugiesische Dichter Fernando Pessoa brachte es so auf den Punkt: »Wirklich groß hingegen ist, wer zu der Einsicht gelangt, dass die unterschiedliche Entfernung vom Tal zum Himmel oder vom Berg zum Himmel keinen Unterschied macht.«
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