Zwischen Baum und Borke

Im Ressort des grünen Kieler Umweltministers prallen viele Interessen scharf aufeinander

  • Wolfgang Schmidt, Kiel
  • Lesedauer: 4 Min.
Bauern und Fischer sind für Politiker oft keine einfache Klientel - schon gar nicht für Grüne. Der Kieler Minister Habeck weiß ein Lied davon zu singen. Das Urteil über den Ressortchef fällt ambivalent aus.

Er ist für die Tierproduktion zuständig und für das Tierwohl, für Deichbau und den Nationalpark Wattenmeer, für Jagd und Artenschutz - Multiminister Robert Habeck bündelt in seinem Haus beide Seiten diverser Fronten. Der Grünen-Politiker führt in Kiel wohl das Ministerium mit der größten Fülle an Konfliktthemen. Ob Bauern, Natur- und Tierschützer, Fischer, Halligbewohner, Stromleitungsbau- oder Windrad-Betroffene: Habeck steht oft zwischen Baum und Borke, prallen bei ihm doch viele Interessen erbittert aufeinander.

»Ich bekomme genügend Protestmails nicht nur von Nutzerverbänden aus Landwirtschaft oder Fischerei, sondern auch von Naturschutzverbänden, die mir sagen, es geht nicht schnell genug, du springst nicht weit genug«, sagt Habeck. »Aber eine Gesellschaft ist mehr als die Summe von Verbandsinteressen. Deshalb will ich eine Politik, die Konflikte antizipiert, als real akzeptiert und Lösungen für Neues findet.« Ob Landschaftsschutz, Jagdzeiten, Fracking, Stellnetzfischerei oder Verlauf von Stromtrassen: Habeck, seit 2012 Minister für Umwelt, Energie und Landwirtschaft, muss oft Konflikt- und Kompromissfähigkeit zeigen.

Die Zuständigkeiten des 45 Jahre alten Ex-Schriftstellers in Kiel hat die Bundesregierung auf drei Ministerien verteilt. Er finde nicht, dass diese Politik besser sei als die der Landesregierung, sagt Habeck. Aber was sagen die Interessenverbände über ihn?

Die Bauern gingen Habeck mit Großplakaten wie »Robert vernichtet unsere Höfe« zeitweise hart an. Dennoch urteilt Bauernverbandspräsident Werner Schwarz differenziert. »Er hat die Strategie zu versuchen, die Themen in der Tiefe zu durchdringen, und hinterlässt immer den Eindruck, dass er verstanden hat, worum es geht.« Habeck moderiere Konflikte, entscheide aber auch im Interesse seiner Wählerklientel. Mit dem verschärften Schutz der Schleswig-Holsteiner Knicklandschaft etwa liege Habeck fachlich falsch. Der Minister wiederum schätzt ein: »Nach meinem Eindruck hat sich das Verhältnis zur Landwirtschaft im letzten Jahr leider verschlechtert, trotz großer Bemühungen und auch konkreter Fortschritte bei Vereinbarungen etwa zum Gewässer- oder Tierschutz.« Aber der Bauernverband verweigere eine Debatte darüber, wie Lebensmittel erzeugt werden sollen, ohne die Lebensgrundlagen zu zerstören. »Die Bauernvertreter registrieren offenkundig, dass ihre urkonservativen Positionen nicht mehr mehrheitsfähig sind. Aus Ratlosigkeit wird dann Zorn - das kann ich nachvollziehen, aber nicht akzeptieren.« Er wolle einen Wandel nicht übers Knie brechen. »Aber ich werde nicht aus Angst vor Konflikten zurückziehen.«

Der Bauernverband hält dagegen: »Wenn er wissentlich in Kauf nimmt, dass bäuerliche Existenzen vernichtet werden, kann er nicht erwarten, dass wir auf seine ideologisch geprägten Vorgaben eingehen«, sagt Schwarz. »Andere Interessenvertreter geben auch nicht nach.«

Die Fischer wiederum akzeptierten nach hartem Kampf Einschränkungen. So wollen sie im Sommer nur begrenzt Stellnetze auslegen, um Schweinswale mehr zu schonen. Im Winter wollen sie Gebiete meiden, in denen viele Tauchenten rasten. »Er ist kompromissfähig und auf uns zugegangen«, sagt Fischereiverbandschef Lorenz Marckwardt. Habeck müsse aber sehen, »wie er seine Umweltverbände in Schach hält«. Er bemühe sich redlich, zwischen den Interessengruppen zu agieren.

Aus Sicht der Naturschutzverbände hat Habeck die Erwartungen nicht in vollem Umfang erfüllt, die sie an einen Minister der Grünen haben. Die BUND-Landesvorsitzende Claudia Bielfeldt sagt: »Ich rechne ihm hoch an, dass er dialogorientiert ist, alle zu Wort kommen lässt und wirklich zuhört.« Aber dass Habeck wie bei der Stellnetz-Fischerei oder beim Gewässerschutz auf freiwillige Vereinbarungen setzt, gefällt ihr nicht. Mehr Konsequenz mahnt Bielfeldt an. »Als Umweltschützer hätten wir uns von einem grünen Minister da mehr gewünscht.«

NABU-Landesvorsitzende Hermann Schultz schätz ein: »Es gibt Teile, bei denen er sich gut hält und eine Reihe von Dingen, wo wir nicht einverstanden sind.« So sei die Knickschutzverordnung ganz gut, auch wenn der Randstreifen breiter sein dürfte. Beim Jagdrecht gebe es Licht und Schatten. »Völlig daneben« sei, dass Habeck mit den Fischern eine freiwillige Stellnetz-Vereinbarung schloss statt eine Verordnung zu machen. Auch beim geplanten neuen Naturschutzgesetz müsse er zulegen.

Habeck meint dazu: »Bei allen Konflikten wäre es falsch, 100 Prozent zu wollen. Es kann nur vorangehen, wenn man die Positionen des Anderen anerkennt und dann versucht, etwas Vernünftiges daraus zu machen.« Er könne nicht jeden Verband immer glücklich machen. »Aber es geht darum, die Gesellschaft mitzunehmen auf eine Reise in die Veränderung - es wird mit diesem Ministerium nie ohne Konflikte gehen.« dpa/nd

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