Die Lausitzer Dürre

Trotz dramatischer Folgen des Klimawandels tut sich die Politik mit dem Umdenken schwer

  • Klaus Muche, Cottbus
  • Lesedauer: 6 Min.
Die Trockenheit in der Lausitz hat viele Ursachen. Einige sind in der 11 000 Quadratkilometer großen Region im Süden Brandenburgs und Osten Sachsens auch hausgemacht.
Roggen und Kartoffeln galten lange als optimal für das Land zwischen Unterspreewald und Lausche. Inzwischen könnte die Anbau-Empfehlung lauten: Melonen, Gurken und frostharte Bananen. Die Lausitz reiht sich ein in die Regionen des Südens, denn Regen fällt hier inzwischen so selten wie in Israel.
Dietmar Steyer spricht von einem Phänomen, das seit 1992 immer mal wieder auftritt: »Flussabwärts hinter Hoyerswerda, so zwischen Neuwiese und Kleinkoschen, versickert bei langer Trockenheit die Schwarze Elster«, sagt der Mitarbeiter im brandenburgischen Umweltamt. Erst nach dem Senftenberger See wird sie wieder gefüllt. Für das Stadtgebiet Hoyerswerda, jener Stadt also, die sich nach dem Ende des Braunkohlenbergbaus vor dem wieder steigenden Grundwasser nur durch teure Entwässerungsanlagen schützen kann, hat das Rathaus inzwischen »die Entnahme von Oberflächenwasser« ganz verboten. Seit Ende Juni fließen dort weniger als 350 Liter pro Sekunde den Bach hinunter - mit Minima bei 40 Litern am Pegel Neuwiese. Den verstörten Anliegern droht die Stadt mit bis zu 100 000 Euro Bußgeld für den Fall illegalen Wasserzapfens aus öffentlichen Gewässern.

Die Spree als langer dünner See
In Brandenburg geht man weniger hart vor. Die Spree versickert selbst in der Dürre nicht, sie wird zwischen dem Unterspreewald und Berlin nur still wie ein langer dünner See. Normalerweise fließen über den Pegel in Leipsch fünf bis sieben Kubikmeter pro Sekunde nach Norden. Das Landesumweltamt registrierte im Juli teilweise nur noch 0,2 Kubikmeter, obwohl aus der Talsperre Spremberg immerhin noch neun Kubikmeter zum Spreewald geschickt werden. Da dort sekündlich nur fünf Kubikmeter verdunsten und versickern sollen, ist das unerklärlich.
Damit die Touristenkähne nicht im Spreewaldschlamm stranden, musste Brandenburg von Sachsen bis jetzt etwa 14 Millionen Kubikmeter zusätzliches Wasser aus den Oberlausitzer Talsperren abfordern. Das wiederum verführte zum hemmungslosen Pumpen des kostbaren Wassers auf die ausgedörrten Felder. Unablässig drehten sich die Schlagregner, während die Prognosen über die erwartete Ernte immer düsterer wurden.
Doch während überall in Deutschland Hagel und Wolkenbrüche wüteten, starrten die Lausitzer gebannt auf den Radarschirm und mussten sehen, wie sich die Regenwolken vorher auflösten oder einen weiten Bogen um die Gegend machten. »Die Lausitz hat ihr eigenes Wetter«, sagt Rudolf Kupfer vom Senftenberger Freundeskreis der Hobbymeteorologen. Er bestätigt die Beobachtung, weiß aber keine Erklärung dafür. »Wir haben hier Kontinentalklima«, sagt er, obwohl die Lausitz ihren slawischen Namen gerade wegen ihrer zahllosen Sümpfe und feuchten Niederungen erhielt. Inzwischen sind die meisten davon ausgetrocknet. Meteorologen arbeiten mit langfristigen Mittelwerten und wissen, dass nach einem Dürrejahr wieder ein verregnetes kommt. »Die Regenmenge«, sagt Rudolf Kupfer, »ist in den letzten Jahren etwa gleich geblieben.«
Doch 2006 ist alles anders. April und Mai, ergänzt Dietmar Steyer, brachten nur die Hälfte der üblichen Regenmenge, im Juni waren es noch 39 Prozent und im Juli ganze 5 Prozent. Auch wenn es derzeit wieder regnet, wird sich tendenziell nicht viel ändern. Einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung zufolge drohen Brandenburg weiter abnehmende Niederschläge in den nächsten 50 Jahren. Minus 100 Millimeter in der Lausitz, in Luckau sogar minus 220 mm - und das bei Niederschlägen, die um Cottbus herum bei durchschnittlich 563 mm liegen. Der wenige Regen wird sich auf den Winter beschränken und mehr Überschwemmungen verursachen als heute. Das Grundwasser wird nicht viel davon bekommen: Wenn die Winter wärmer werden, steigt auch die Verdunstung.
Der »Spreewälder Gemüsehof« von Karl-Heinz Ricken hat jetzt zwei Tiefbrunnen bei der unteren Wasserbehörde beantragt. Sie sollen bis auf 80 Meter reichen und werden den Bauer 77 000 Euro kosten. Schon jetzt werden 350 Hektar künstlich bewässert - durch zeitgemäße Tröpfchenbewässerung, nicht über die rustikalen Schlagregner der alten LPG. Ricken hat sich das in Israel abgesehen. Dort werden am Rand der Wüste Melonen, Gurken und Tomaten gezogen, höchst wasserintensive Kulturen. Ricken hat mit Gurken angefangen. Und als dies gut gelang, verlegte er die Schläuche auch an die Wurzeln seiner Erdbeeren, des Rhabarbers, des Spargels. Das Problem: Es macht viel Arbeit. Pro Hektar sind 6000 laufende Meter knapp unter die Oberfläche zu verlegen, mit Düsen alle 20 bis 30 Zentimeter, aus denen pro Stunde computergesteuert 500 Milliliter rinnen. Ebenso präzise kann mit dem Wasser gedüngt werden, was Ricken die volle Ernte sichert. »Das Wasser ist die Achillesferse«, sagt der gewiefte Bauer, »und die Grundvoraussetzung, um überhaupt ein qualitativ hochwertiges Gemüse in der Lausitz erzeugen zu können.« Die Tröpfchenbewässerung schont zudem den Wasserhaushalt. Während Schlagregner vor allem die Luft befeuchten und ihre Regenkreise trockene Lücken oder triefende Überschneidungen hinterlassen, muss Ricken nur soviel Wasser an die Wurzeln pumpen, wie gebraucht wird.
Die Botschaft kommt bei den Nachbarn an, aber ihnen fehlt das Kapital für die Neuerung. Zwar hat Brandenburg noch sein Agrar-Investitionsförderprogramm, aus dessen Topf Ricken immerhin zehn Prozent der Umstellungskosten erstattet bekam, aber als der Regen ausblieb, war auch das ausgetrocknet, oder, wie die Behörde bei 40 Grad im Schatten gerne sagte: »auf Eis gelegt«.
Ein Verbot der Schlagregner wird es nicht geben, nur den Appell an alle Verbraucher, nicht ganz so viel und, wenn überhaupt, nur in den Nachtstunden zu wässern. Und Kontrolleure sind ausgeschwärmt, um jene zu finden, die ihren Regner illegal betreiben.
Die Angst vor trockenen Fließen gibt es noch nicht sehr lange. Bis 1990 schwemmten die Tagebaue Wasser satt in die Vorfluter. Dann wurden die meisten davon still gelegt, und heute fließt der »Vattenfall« nicht mehr ganz so üppig. Sechs bis sieben Kubikmeter Grundwasser müssen zur Gewinnung und Förderung von einer Tonne Rohbraunkohle gehoben werden, sagt das Bergunternehmen, was bei inzwischen nur noch 60 Millionen Tonnen Rohkohle im Jahr immer noch reicht, um den Spreewald zu stabilisieren.
Allerdings ist der Bergbau nicht die Lösung des Problems, sondern die Ursache, sagen Kritiker. Zum einen sind die Kraftwerke für die Klimaerwärmung direkt verantwortlich, zum anderen hat sich in der Lausitz über die Jahre ein Grundwasserdefizit von 13 Milliarden Kubikmetern ergeben. Der trockene Trichter mit einer Oberfläche von 2100 Quadratkilometern füllt sich nur langsam. Dass das Defizit auf 9 Milliarden Kubikmeter verringert werden konnte, gaukelt eine heile Bergbauwelt vor, die mit immer weiteren Tagebauen die Trockenheit mit »Sümpfungswasser« löscht.

Samthandschuhe für Hauptverursacher
Angesichts der Dürre fordert die Grüne Liga ein Umdenken. »Der Klimawandel wird in der Lausitz selbst gemacht«, sagt René Schuster, Mitglied des Braunkohlenausschusses von Brandenburg, und fordert, die Betreiber der Tagebaue und Braunkohlenkraftwerke als »Hauptverursacher der Klimakatastrophe« zur Verantwortung zu ziehen. »Die Politik muss aufhören, die Kohlewirtschaft mit Samthandschuhen anzufassen.« Bei den Grünen trifft das auf offene Ohren. »Wenn jetzt die Landwirte Ausgleichszahlungen für die Ernteausfälle fordern«, sagt die Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm, »dann sollte sich das Land Brandenburg das Geld von Vattenfall zurückholen.«
Denn von der Öffentlichkeit unbemerkt wird der Wasserverbrauch höchst ungleich bewertet. Bauern und sonstige Industrien zahlen pro Kubikmeter Fluss- oder Grundwasser zwischen zwei und zehn Cent. Dagegen wird das »Sümpfen« der Braunkohlentagebaue in Sachsen und Brandenburg von den Kosten befreit. Die Subvention geschehe aus Gründen des »Allgemeinwohls«, heißt es.
Wohl auch vor diesem Hintergrund fragt das Potsdamer Klimainstitut, »ob im Lichte einer drohenden Wasserknappheit wasserwirtschaftliche Projekte, die unter anderen klimatischen und volkswirtschaftlichen Bedingungen geplant wurden, heute noch umsetzungsrelevant sind«. Und beschwört, »die Klimaverhältnisse nicht länger als unveränderlich zu betrachten«.

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