Offene Ventile in Dresden

300 ausgeloste Teilnehmer diskutieren mit Politikern

  • Michael Bartsch, Dresden
  • Lesedauer: 2 Min.

»Ohne Pegida gäbe es diese Runde nicht«, rief ein bekennender Christ in den Saal des Dresdner Kongresszentrums, und erhielt den längsten Beifall. Die Sächsische Staatsregierung war in der Tat in Zugzwang geraten, nachdem Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) eine Redeeinladung von Pegida ausgeschlagen hatte. Stattdessen wurde wie 1989 zum »Dialog« geblasen. 477 Bürger folgten dem Angebot und wollten mit »denen da oben« reden, 300 wurden für die Veranstaltung am Mittwochabend ausgelost.

Handwerklich war das Dialogforum gut vorbereitet. Die Interessenten wurden wiederum auf 50 Tische verlost und diskutierten dort zunächst miteinander. Die zweite Runde bestand dann aus einer sogenannten Fishbowl-Diskussion mit dem Ministerpräsidenten, Gleichstellungsministerin Petra Köpping (SPD) und zwei Bürgermeistern als gesetzten Mitgliedern. Das Zufallsprinzip sorgte für wechselnde Mehrheiten von Pegida-Anhängern und Gegnern an den Tischen. Es hätte beispielsweise Ex-Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos mit dem Schneeberger NPD-Kreischef Stefan Hartung zusammenführen können.

Die Thematik war auf Asyl, Zuwanderung und Integration eingegrenzt worden. Doch zahlreiche Äußerungen bestätigten, dass damit der zweite Schritt vor dem ersten getan wurde. Soziale Spaltung, Zukunftsängste und die Entfremdung vom politischen Establishment sowie den Medien sind die Generalthemen der Pegida-Bewegung. Darüber hätten die Leute lieber geredet, doch die Vielfalt des Pegida-Murrens hätte die Veranstaltung gesprengt. Die Landesregierung musste bei der festgelegten Migrationsthematik überdies keine peinliche Befragung befürchten. Für die Gesetzgebung ist der Bund, für die Asylverfahren das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig. Dorthin konnte Tillich Forderungen nach schnelleren Verfahren einfach durchreichen.

Was blieb, waren die immer wiederkehrenden Forderungen an gar nicht anwesende Kommunalpolitiker, über geplante Unterkünfte rechtzeitig zu informieren. Und der Wunsch, Zuwanderung irgendwie zu steuern. Die Entstehung von Parallelgesellschaften sollte unbedingt verhindert werden. Insgesamt sehr allgemein vorgetragene Wünsche. Als eine junge Frau von einem ausländerfeindlichen Teil bei Pegida sprach, wurde sie ausgebuht.

Dreieinhalb Stunden waren die Ventile geöffnet, aber Folgen hat der Abend vermutlich keine. Das auch, weil Pegida sich im Kreis zu drehen beginnt und sich als kaum anschlussfähig an die existierenden demokratischen Institutionen erweist. »Ich fühle mich, als hätte ich Sozialarbeit bei enttäuschter CDU-Klientel machen müssen«, berichtete ein den Grünen nahe stehender Politikwissenschaftler von seinem Tisch.

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