Chaos auf dem Schachbrett

Jemen befindet sich nach dem Putsch der Huthi-Rebellen weiter im Netz geopolitischer Interessen

  • Emran Feroz
  • Lesedauer: 3 Min.
Die derzeitige Missordnung, die den Rücktritt des Präsidenten und des Premierministers mit sich brachte, droht Jemen in einen scheiternden Staat zu verwandeln. Dem Land droht weiterer Krieg.

In der vorvergangenen Woche sah sich Jemens Präsident Abdu Rabbu Mansour Hadi gezwungen, zurückzutreten. Sein Palast in Sanaa war von Huthi-Rebellen gestürmt worden. Eine Woche nach dem Rücktritt Hadis beendeten die Aufständischen die elftägige Geiselnahme seines Stabschefs Ahmad Awad bin Mubarak und ließen ihn frei. Nun droht das Land entlang konfessioneller Linien zu zerbrechen. Schon längst haben regionale Akteure wie Saudi-Arabien und der Iran ihren Fokus auf den Jemen gerichtet. Währenddessen wissen die USA nicht, wie sie mit der Situation in ihrer wichtigsten Drohnen-Basis in Nahost umgehen sollen.

Der Putsch war überraschend. Die Huthis, eine schiitische Minderheit im hauptsächlich von Sunniten bewohnten Jemen, befinden sich nun an den Schalthebeln der Macht. Aufgrund ihres konfessionellen Hintergrunds stärkt ihnen vor allem der Iran seit Jahren den Rücken. Dieser Umstand ist vor allem Saudi-Arabien ein Dorn im Auge. Den Scheichs in Riad und den Mullahs in Teheran geht es hierbei jedoch weniger um religiöse Hintergründe, als vielmehr um die geostrategische Vormachtstellung im Nahen Osten. Wie andere islamisch geprägte Staaten, in denen schiitische und sunnitische Muslime leben, hat sich Jemen zu einem Schachbrett geopolitischer Machtinteressen entwickelt.

Ein zentraler Akteur in diesem Machtspiel sind die USA, die im Land seit Jahren einen rechtswidrigen »Anti-Terror-Kampf« führen, der hauptsächlich von Drohnen und geheimen Einsatztruppen wie der Joint Special Operations Command (JSOC) dominiert wird. US-Präsident Barack Obama ist an diesen Aktionen unmittelbar beteiligt. Während die Drohnen-Abschüsse wöchentlich durch ihn abgesegnet werden, gehört JSOC zu den wenigen Kommandoeinheiten, die direkt dem Weißen Haus unterstehen. Obwohl die USA stets behaupten, Extremisten der Gruppierung Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) zu bekämpfen, wurden oftmals Hochzeitsgesellschaften und andere zivile Ziele Opfer von Angriffen.

Dieser Umstand wurde von Ex-Präsident Hadi toleriert. Allein während seiner Amtszeit fanden mindestens 107 Drohnen-Angriffe in Jemen statt. Auch sein Vorgänger, Ali Abdullah Saleh - im Gegensatz zum sunnitischen Hadi ein Schiit - hatte sich stets als treuer Verbündeter der USA erwiesen. Während seiner Regierungszeit hat Saleh die Huthis mehrfach bekämpft. Allerdings benutzte er sie auch, um politische Gegner auszuschalten. Nun, so scheint es, will Saleh mit Hilfe der Huthis erneut an eine Machtposition gelangen.

Inwiefern dies geschehen wird, ist schwer abschätzbar. Obwohl auch die Huthis AQAP als Feind betrachten, scheint ihre Abneigung gegenüber den USA größer zu sein. Gegen die Intervention seitens der US-Amerikaner sprechen sie sich vehement aus. Aufgrund dieses Umstands und der Nähe zum Iran zeigte sich die US-Regierung bereits besorgt.

Nichtsdestotrotz schrecken die USA aufgrund der gegenwärtigen Umstände nicht davor zurück, in Jemen weiterhin zu intervenieren. Am Montag fand im Land der erste Drohnen-Angriff des Jahres statt. Dabei wurden mindestens drei Menschen getötet. Im Fokus stand der elf- bis 15-jährige Mohammad Saleh Qayed Taeiman, der ebenfalls zu den Todesopfern gehörte. Berichten zufolge wurden sowohl sein Vater als auch sein Bruder 2011 von einer Drohne getötet. Laut AQAP war Taeiman Mitglied der Gruppierung, allerdings wusste man angeblich nicht, dass es sich um einen Jugendlichen handelte. Die jemenitische Menschenrechtsorganisation Yemen National Organisation for Drone Victims widersprach dieser Version und verlautbarte, der Junge sei ein »normales Kind« gewesen.

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