Viel Werbung und ein später Fehlpass

Die New England Patriots besiegen die Seattle Seahawks mit 28:24 beim 49. Super Bowl der NFL

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.
Mehr als 100 Millionen Fans allein in den USA feierten am Sonntag das Finale der Football-Profiliga. Doch übermäßige Kommerzialisierung und negative Schlagzeilen kratzen am Ansehen des Großereignisses.

Fred Chupin dürfte viele Stunden voller Unsicherheit hinter sich haben. Der Manager- und Marketingexperte fieberte der 49. Auflage des Super Bowls nicht nur aus Vorfreude auf ein spannendes Spiel zwischen dem Titelverteidiger Seattle Seahawks und den New England Patriots entgegen. Für Chupin ging es am Sonntag um viel Geld, genauer gesagt um mehr als 4,5 Millionen US-Dollar. So viel kostete in diesem Jahr ein 30-Sekunden-Werbespot zur besten Sendezeit während des Finalspiels um die Meisterschaft im American Football beim US-Fernsehsender NBC. Im Vergleich zum Vorjahr verlangte der Medienkonzern 12,5 Prozent höhere Preise für einen Auftritt während der mit Abstand beliebtesten Werbeplattform des amerikanischen TV-Jahres.

NBC kann es sich erlauben, solche stolzen Preise von seinen Kunden zu verlangen. Der Super Bowl hat sich seit seinen Anfängen 1967 kontinuierlich zu einem medialen Großevent entwickelt, das allein in den USA mehr als 110 Millionen Zuschauer anlockt. Während viele Fans die Werbespots von Brauseherstellern, Fast-Food-Ketten und Autoproduzenten längst gewöhnt sind, bildet Chupins Arbeitgeber Loctite eine Ausnahme, denn der Klebstoff-Produzent vermarktet ein vergleichsweise eher emotionsloses Baumarktprodukt, dessen Außenwirkung zuletzt eher Sachlichkeit ausstrahlte. »Jetzt ist der Moment gekommen, den Konsumenten ein ›Big-Bang‹-Erlebnis zu präsentieren«, verspricht Chupin trotzdem selbstsicher. Ihm bleibt auch kaum eine andere Wahl, als überschwänglichen Optimismus zu verbreiten, denn Loctite buhlte am Sonntag mit mehr als zwei Dutzend anderer Marken um die Aufmerksamkeit der Fernsehzuschauer.

Ob diese allerdings am Ende zu kaufkräftigen Kunden werden, daran lässt eine Studie des Beratungsunternehmens Brand Keys erhebliche Zweifel aufkommen. Mittels Befragungen ermittelten die Meinungsforscher, dass nur die Hälfte der Unternehmen, die Werbung während des Super Bowls schalten, durch diese kostspielige Maßnahme tatsächlich neue Kunden gewinnen. Das Meisterschaftsspiel produziert somit auch außerhalb des Spielfeldes Gewinner wie Verlierer.

NBC zählte schon vor dem Anpfiff zu den Siegern. So viel steht fest. Wie das Wirtschaftsmagazin »Forbes« schätzt, machte das Sendernetzwerk mit seiner knapp 11-stündigen Live-Berichterstattung zum diesjährigen Super Bowl aus Phoenix einen Werbeumsatz von 350 Millionen US-Dollar. Ein astronomischer Wert, der allerdings im doppelten Sinn seinen Preis hat. Der Super Bowl dürfte nicht nur das weltweit größte Einzelsportevent mit den meisten Zuschauern sein, sondern gleichzeitig das Event mit dem höchsten Kommerzialisierungsgrad. Fans sprechen daher auch scherzhaft von einer Dauerwerbesendung mit Spielunterbrechung, in der sich dieses Jahr selbst während der beliebten Halbzeitshow mit der US-Popsängerin Katy Perry auch mehr oder weniger dezente Hinweise auf einen bekannten Softdrinkhersteller versteckten.

Eine Inszenierung, bei der jedes Detail stimmen muss, die aber bei einigen Spielern, wie Marshawn Lynch von den Seattle Seahawks, auf immer lautere Kritik stoßen. »Ich rede nur mit Ihnen, damit ich keine Strafe zahlen muss«, raunt Lynch den Journalisten entgegen, die ihn noch wenige Minuten vor Beginn am Spielfeldrand belagern. Die beste Profiliga im American Football (NFL) pflegt einen strengen Umgang mit den Teams und deren Stars, obwohl die Liga seit der vergangenen Saison in einer tiefen Vertrauenskrise steckt.

Neben diversen Drogenfällen macht der NFL vor allem das Problem der häuslichen Gewalt einiger ihrer Profis zu schaffen. NFL-Commissioner Roger Goodell brachte die ohnehin wütende Öffentlichkeit gegen sich auf, als er den früheren Spieler Ray Rice von den Baltimore Ravens zunächst lediglich für zwei Spiele ausschließen wollte, nachdem bekannt wurde, dass der Runningback seine frühere Verlobte - heute ist sie seine Frau - schwer misshandelt hatte. Nach der Veröffentlichung eines Videos wurde daraus zwar eine Sperre auf unbestimmte Zeit, gegen die klagte Rice jedoch wegen der bereits ausgesprochenen Verbannung erfolgreich.

Obwohl sich Goodell seitdem bemüht, den Skandal aufzuarbeiten, schlägt dem 55-Jährigen weiterhin massive Ablenkung entgegen. Als er am Sonntagabend (Ortszeit) den in letzter Minute siegreichen New England Patriots nach einer knappen und dramatischen 28:24-Entscheidung die Trophäe überreichte, ertönte im Stadion ein nicht zu überhörendes Pfeifkonzert.

Ein ernüchterndes Ende für ein aus spielerischer Sicht starkes Finale, das die Patriots erst im letzten Viertel zu ihren Gunsten entschieden hatten. Zwar waren die Seahawks zuvor schon auf zehn Punkte enteilt, doch nach einer beeindruckenden Aufholjagd des Teams aus Massachusetts warf Seattles Spielmacher Russell Wilson 20 Sekunden vor Abpfiff den entscheidenden Fehlpass. So feierten die »Pats« ihren vierten Super-Bowl-Triumph. Ob sich auch die NFL und Werbeexperte Fred Chupin zu den Siegern zählen können, wird erst in den kommenden Monate entschieden.

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