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Die Regierung zu stürzen

Tom Strohschneider über Sprache und Denkwelt der SYRIZA-Gegner

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.

Politiker der Regierungsparteien, ganz gleich, ob sie ihren Dienst im »deutschen Interesse« nun in Berlin oder Brüssel verrichten, haben sich mit allerlei Ordnungsrufen in Richtung der SYRIZA-Regierung hervorgetan. Dieser wurde mal nachgesagt, »frech und unverschämt« zu sein, mal verlangte man rhetorische Abrüstung. Sekundiert von der Merkel-Presse, der nichts zu blöd ist, Regierungschef Tsipras oder Finanzminister Varoufakis ans Bein zu pinkeln. »Vor so einem gelehrten Raufbold darf man sich nicht in die Hosen machen«, mahnt die »Welt«, sonst habe man »wenig Chancen«.

Das stellt erstens die Kräfteverhältnisse falsch dar, wie man nicht zuletzt am Vorgehen der Europäischen Zentralbank sehen kann, die zwar eine unabhängige sich nennt, gegen Griechenland aber nicht zum ersten Mal die Instrumente im Sinne der Bundesregierung herausholt. Zweitens soll die Rede von den »frechen linken Griechen« ein nationalistisches Sentiment am Köcheln halten und die angebliche Unbotmäßigkeit von SYRIZA mit Affekten gegen »faule Südländer« und »gefährliche Extremisten« verknüpfen.

Ein Kurt Lauk vom CDU-Wirtschaftsrat darf sich jedenfalls gut aufgehoben fühlen, wenn er Griechenlands Regierungschef vorsorglich für den Aufstieg rechtsradikaler Parteien verantwortlich macht - und das in einer Sprache, die bezeugt, was der Ex-Europaabgeordnete von einem demokratisch gewählten Regierungschef hält: Tsipras solle »die schlechte Saat ... wieder fressen«.

Diese Art spätes Echo der Besatzersprache, dieser kolonialistische Tonfall, der Athener Belange als Unterproblem deutscher Interessen abhandelt, findet sich auch anderswo. Politiker, die stets eine Ausrede wussten, als Deutschland Verträge brach, drohen der griechischen Regierung mit dem Bankrott, wenn diese bittet, Verträge neu zu verhandeln, die außer viel Elend nicht viel gebracht haben. Auch die überall sonst in Europa anzutreffende Erkenntnis, dass von den Spardiktaten sogar eine Gefahr für den kapitalistischen Betrieb ausgeht, färbte nicht bis ins Regierungs-Berlin ab.

Eine Liste mit Forderungen, die im Bundesfinanzministerium erstellt wurde, belegt den Großmacht-Autismus von Schäubles Ultras: Von der SYRIZA-Regierung wird nicht weniger verlangt als die völlige Kapitulation, die Fortsetzung des Sparkurses. Tsipras habe »keine Wahl«, heißt die Losung - in diesem Fall zitiert aus dem Munde von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, der so spricht, als habe er von den Forderungen anderer Sozialdemokraten nach einer Kursänderung noch nie etwas gehört.

Apropos gehört: In Zeiten wie diesen gewähren Live-Interviews Einblick in die Denkwelt der erklärten Gegner von SYRIZA. »Niemand von uns hat ein Interesse daran«, sagt da der CDU-Politiker Barthle im Deutschlandfunk, »diese Regierung zu stürzen oder etwas Ähnliches. Niemand! Das hätte man früher und leichter und billiger haben können.«

Niemand hat die Absicht, die griechische Regierung zu stürzen. Aber: Wie es gegangen und wie teuer es ausgefallen wäre, das hat man in Gedanken ganz offenkundig schon einmal durchgespielt.

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