Zusammen jubeln
Studentenprojekt sammelt bei Vereinen aus Sport und Kultur Eintrittskarten für Flüchtlinge
Beim Jubeln sind alle Menschen gleich. Egal, ob sich die Fans bei Hertha in den Armen liegen, wenn ein Tor fällt, oder bei Alba hektisch mit den Klatschpappen gewedelt wird. Beim Sport zählen Grenzen nicht - außer die zu den Anhängern des gegnerischen Teams. Genau da setzten zehn Studierende der Macromedia Hochschule in Kreuzberg an, als sie in einem Seminar im letzten Semester die Aufgabe bekamen, ein Projekt zu entwerfen, bei dem es um Partizipation gehen sollte. Die steigende Zahl der Flüchtlinge und die Pegida-Aufmärsche in Dresden hatten die Studenten zum Nachdenken gebracht. Heraus kam neben der Abschlussnote eins Plus mit Sternchen ein Projekt, das nicht am Ende des Semesters erledigt sein wird.
Die Idee der Studierenden war ambitioniert. Sie sprachen Berliner Sportvereine und Kulturveranstalter an, ob sie Eintrittskarten für Flüchtlinge spenden würden. »Die Resonanz war sehr positiv«, sagt Florian Kugler, Studierender und einer der Projektleiter bei »BoP-Tickets«. Alle 650 gesammelten Tickets werden die Studierenden in einem »Booklet of Participation« (BoP) zusammenfügen und am Sonntag an insgesamt sechs Flüchtlingsunterkünfte übergeben. Zu den Ticketsponsoren gehören neben den großen Berliner Sportvereinen Hertha, Alba, Eisbären und Füchse auch die Bar jeder Vernunft, das SO36, die Breakdance- gruppe Flying Steps sowie die Pferdeshow Appassionata. Auch Tickets für Veranstaltungen aus der freien Kulturszene haben die Studierenden im Angebot. »Es geht nicht darum, einen Bildungsauftrag von oben aufzudrücken, sondern um Teilhabe auf Augenhöhe«, sagt Gernot Wolfram von der Macromedia Hochschule. Er ist der betreuende Dozent. Flüchtlinge sollten als Zuhörer und Rezipienten in Kunst und Sport sichtbar werden, findet Wolfram. Partner der Aktion sind die Bundeszentrale für politische Bildung und das Bündnis für Demokratie und Toleranz sowie die Senatsintegrationsbeauftragte.
Der Student Maximilian Schindlbeck, ebenfalls Projektleiter bei BoP, war erst kürzlich mit zwei Flüchtlingen bei einem Spiel der Füchse Berlin. »Wir hatten vorher nichts mit Handball am Hut, aber bei jedem Tor sind wir von unseren Sitzen aufgesprungen und haben riesigen Spaß gehabt«, sagt er. Es sei schön gewesen zu sehen, wie sehr der oft triste Alltag in der Unterkunft von den Menschen abfiel, erzählt Schindlbeck. Die Studierenden haben während ihres Projekts intensiven Kontakt zu den Betreibern von Flüchtlingsunterkünften gesucht. »Es ging nicht darum, einfach 20 Tickets auszugeben und dann nie wieder etwas mit den Flüchtlingen zu tun zu haben«, sagt Schindlbeck. Und so tauschten sich die Studierenden und Sozialarbeiter in den Unterkünften darüber aus, welche Veranstaltung zu wem passen würde. Als es kürzlich ein Fußballturnier zwischen den verschiedenen Unterkünften des Betreibers Gierso gab, verteilten die Studierenden insgesamt zehn Tickets für das Hertha-Spiel gegen Leverkusen. »Die eigentlichen Sachpreise für die Sieger waren da schnell egal«, sagt Suada Dolovac, Mitarbeiterin der Gierso Boardinghouse, die sechs Flüchtlingsheime in Berlin betreibt und gerade heftig wegen der Vergabepraxis an Flüchtlingsheimbetreiber in der Kritik steht. Zwei Bewohner ergatterten Tickets für eine Tanzveranstaltung in den Ufa-Studios. »Das Pärchen hatte sich richtig schick gemacht und die Frau sagte ›Endlich kann ich wieder tanzen‹«, erzählt Dolovac. Das Projekt soll künftig in der Form eines Vereins weitergeführt werden. »Die Studierenden haben ja noch ihr Studium und für zehn Leute allein ist die Aufgabe langsam zu groß«, sagt Uni-Dozent Wolfram. Der Verein »Board of Participation« will sich dabei nicht nur auf das Sammeln von Tickets beschränken, sondern in Zukunft auch eigene Veranstaltungen anbieten. Im Herbst wird es auf beim »internationalen literaturfestival berlin« eine Performance mit in Berlin lebenden geflüchteten Künstlern geben. »Wir müssen dran bleiben«, sagt Wolfram.
Wer Karten spenden möchte, wendet sich an: Florian Kugler, florian.gernot.friedrich.wilhelm.kugler@mhmk.de, oder Telefon: 030 202 15 1288 oder: www.boptickets.de
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.