Wann ist ein Mensch tot?

Ethikrat uneins in der Bewertung des Hirntods

  • Lesedauer: 2 Min.
Organspenden können Leben retten, doch vor der Entnahme der Organe muss der Spender tot sein. Was sich nach einen simplen Prinzip anhört, ist in Wahrheit eine schwere Entscheidung: Denn wann ist ein Mensch wirklich tot?

Berlin. Der Hirntod ist nach Auffassung des Deutschen Ethikrats ein ausreichendes Kriterium für die Entnahme von Organen zur Spende an Kranke. Wie aus der am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme des Gremiums zum Thema hervorgeht, billigen die Mitglieder dem Hirntod aber eine unterschiedliche Bedeutung zu. Für eine Mehrheit von 18 Mitgliedern ist das irreversible Versagen des Gehirns ein »sicheres Todeszeichen«. Ein Minderheit von sieben Mitgliedern, darunter Ethikratsvorsitzende Christiane Woopen, »hält dagegen den Hirntod nicht für den Tod des Menschen«. Er habe lediglich die Rolle »eines notwendigen Entnahmekriteriums«.

Die Mehrheit im Ethikrat argumentiert, das Gehirn sei das zentrale Integrations-, Kommunikations- und Koordinierungsorgan. Während die Funktion anderer Organe mitunter über große Zeiträume technisch aufrechterhalten werden könnten, ließen sich die Funktionen des Gehirns nicht ersetzen. Diese Position teilen im Ethikrat unter anderem die stellvertretenden Vorsitzenden Wolf-Michael Catenhusen und Jochen Taupitz, der katholische Weihbischof Anton Losinger sowie die Mehrheit der Mediziner im Ethikrat.

Auf der anderen Seite stehen neben Woopen der evangelische Bischof Martin Hein, der protestantische Sozialethiker Peter Dabrock sowie die Juristen Silja Vöneky, Wolfram Höfling und Edzard Schmidt-Jortzig. Sie argumentieren, der Organismus als System basiere auf der Idee der Wechselwirkung unterschiedlicher Komponenten, nicht auf dem Prinzip der zentralen Steuerung. Auch nach Absterben des Gehirns verfüge der Organismus bei Unterstützung durch Apparate noch über vielfältige Funktionen. Als Beispiel nennen die Verfechter dieser Position etwa das weitere Zusammenwirken von Organen bei künstlicher Beatmung oder eine mögliche erfolgreiche weitere Schwangerschaft einer hirntoten Frau.

Vor dem Hintergrund dieser Diskussion fordert der Ethikrat eine transparente Aufarbeitung der auch in der Wissenschaft geführten Diskussion über den Hirntod. Argumente für und gegen die These, dies sei ein verlässliches Todeskriterium, müssten dargelegt werden, heißt es in den Empfehlungen des Gremiums. Die mit der Information über Organspende befassten Stellen sollten dies berücksichtigen, so der Ethikrat weiter. In einschlägigen öffentlichen Informationen, etwa der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist, ist bislang vom Hirntod als sicherem Todeszeichen die Rede. epd/nd

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