Gewerkschaften im Widerstand

Willy Buschak legt einen umfangreichen Band über den Kampf der Arbeiterbewegung gegen die Nazis vor

  • Reiner Tosstorff
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit »Arbeit im kleinsten Zirkel« beschreibt Willy Buschak den Widerstand der organisierten Arbeiterbewegung gegen die Nazis.

Lange stand der gewerkschaftliche Widerstand gegen die Nazidiktatur im Schatten des politischen. Das hat sich in der letzten Zeit geändert. Zahlreiche Studien sind erschienen, dem Schicksal verfolgter Gewerkschafter sind Forschungsprojekte nachgegangen. Nun legte Willy Buschak eine Gesamtübersicht vor. Zum ersten Mal vor über zwanzig Jahren veröffentlicht, ist sie deutlich erweitert und auf den neuesten Stand gebracht.

Doch was genau war »gewerkschaftlicher Widerstand« in einer Zeit, in der im Vordergrund die Wiederherstellung politischer Freiheiten stand? Diesen Widerstand machte die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung von Verbindungen früherer Gewerkschafter zur Verbreitung von Informationen und zur Vorbereitung auf das Ende der Diktatur aus. Nicht zuletzt ging es um die Solidarität mit Verhafteten und ihren Angehörigen. Im Vordergrund stehen die Aktivitäten aus dem Umkreis des SPD-nahen Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), einige Abschnitte gehen den damals bedeutenden christlichen und liberalen Gewerkschaften nach. Ein Kapitel ist der KPD-beeinflussten RGO gewidmet, vom Autor durchgängig als Revolutionäre Gewerkschaftsorganisation bezeichnet, was zwar ihrem Selbstverständnis entsprach, jedoch offiziell Gewerkschaftsopposition hieß.

Das Buch beginnt mit einer kritischen Darstellung des fatalen Anpassungskurses des ADGB im Jahre 1932, der sich angesichts der Massenarbeitslosigkeit verzweifelt als »wahrhaft national« darzustellen versuchte und dabei zunächst mit einer »Querfrontregierung« unter dem General Schleicher mit Einschluss eines Flügels der Nazis liebäugelte, um nach dem 30. Januar 1933 darauf zu hoffen, sich irgendwie einrichten zu können. Tatsächlich war die Gewerkschaftsbewegung damit desorganisiert und demoralisiert, als am 2. Mai 1933 ihre Zerschlagung erfolgte.

Trotz Massenverhaftungen und Flucht entwickelten sich schnell informelle Netzwerke. Buschak geht ihnen anhand der Einzelgewerkschaften und Berufsgruppen nach, wendet sich gegen die Darstellung, dies als eine Art zentralisierte Organisation mit einer »Reichsleitung« zu beschreiben. Die weitreichendsten Aktivitäten entfaltete der 1933 als ADGB-Vorsitzender vorgesehene Wilhelm Leuschner, der schließlich auch in Kontakt zu den Vorbereitungen des 20. Juli kam. Wie viele musste er mit seinem Leben dafür bezahlen.

Immer wieder schneidet der Autor die den Widerstand bestimmenden politischen Probleme an: Die Bündnisfragen und die Auseinandersetzungen um das Verhalten gegenüber der von den Nazis an die Stelle der Gewerkschaften gesetzten Zwangsorganisation der Deutschen Arbeitsfront. Auch die politischen Auseinandersetzungen zwischen KPD, SPD und linkssozialistischen Gruppierungen wirkten sich auf den Widerstand aus. Kurzbiografien runden das umfangreiche Werk ab. Was fehlt, ist der Blick auf den Umgang der Gewerkschaften nach 1945 mit diesem zugleich eine Verpflichtung darstellenden Erbe. Und wer noch detaillierter in die Geschichte einzelner Widerstandsnetzwerke, hier der Metaller, eindringen will, sei zum Abschluss auf einen neuen Band mit 81 biografischen Skizzen hingewiesen.

Willy Buschak, »Arbeit im kleinsten Zirkel«. Gewerkschaften im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Klartext, Essen 2015, 462 S., 39, 95 €

Siegfried Mielke - Stefan Heinz (Hg.) unter Mitarbeit von Julia Pietsch, Emigrierte Metallgewerkschafter im Kampf gegen das NS-Regime, Metropol, Berlin 2014, 877 S., 36 €

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