Der Kampf in Freiheit

Die sechs von Uruguay aufgenommenen Guantánamo-Häftlinge haben nicht nur Sprachschwierigkeiten im Alltag

  • Regine Reibling, Quito
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor etwa drei Monaten hat Uruguay sechs Guantánamo-Häftlinge aufgenommen. Nun berichten diese über ihr neues Leben in Freiheit und die Schwierigkeiten, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden.

Fast 13 Jahre saßen sie in Guantánamo auf Kuba ein und haben täglich von Freiheit geträumt. Seit rund drei Monaten sind sechs ehemalige Häftlinge frei und kämpfen mit ihrem neuen Leben in Uruguay. Es ist ein Kampf mit den Folgen der Haft und dem unbekannten Alltag in Freiheit. »In Guantánamo haben wir nur daran gedacht, rauszukommen«, sagt Adel bin Muhammad El Ouerghi der Agentur Associated Press (AP). »Hier müssen wir uns um Essen, Kleidung und all diese Dinge kümmern.«

El Ouerghi war nach US-amerikanischen Angaben Spezialist für Sprengstoffe, kannte Osama bin Laden und wusste im Vorfeld vom Terroranschlag am 11. September 2001. Er wurde 2002 festgenommen und nach Guantánamo gebracht, wie auch die anderen fünf Terrorverdächtigen. Allen sechs - vier Syrer, ein Palästinenser und ein Tunesier - wurden Verbindungen zu Al Qaida vorgeworfen, eine offizielle Anklage gab es allerdings nie. Jahre später wurden die Männer als nicht mehr gefährlich eingestuft, die Verhandlungen zu ihrer Freilassung begannen.

Uruguays Ex-Präsident José Mujica hatte angeboten, die sechs Häftlinge aufzunehmen - als »humanitäre Geste«. Das Schicksal der Guantánamo-Häftlinge erinnere ihn an seine eigenen Jahre in politischer Gefangenschaft, schrieb der frühere Guerillakämpfer in einem offenen Brief an den US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama. Die Männer, so Mujica, sollen in Uruguay wie normale Bürger behandelt werden und frei reisen dürfen.

Anfang Dezember kamen sie dann in der uruguayischen Hauptstadt Montevideo an. Sie waren glücklich und dankbar, endlich in Freiheit zu sein. Sie wurden in einer Wohnung in einem Mittelklasseviertel untergebracht. Doch mit dem normalen Leben tun sich die ehemaligen Häftlinge schwer. Sie leiden unter den körperlichen und psychischen Folgen der Haft, sprechen in Interviews von Angstzuständen und Konzentrationsschwächen. Hinzu kommt die Sprachbarriere. Keiner der sechs konnte zuvor ein Wort Spanisch.

Als besonders angeschlagen gilt der Syrer Abu Wa’el Dhiab. Der 44-Jährige hatte mit Hungerstreiks gegen seine unbefristete Haft in Guantánamo protestiert. Einem US-amerikanischen Sender sagte er im Februar: Er fühle sich, als sei er von einem Gefängnis in ein anderes gekommen. »Das uruguayische Volk war sehr großherzig, uns aufzunehmen. Aber das alleine reicht nicht.« Uruguay brauche eine bessere Regelung zur Wiedereingliederung, sagte Dhiab.

Die uruguayische Regierung unterstützt die ehemaligen Häftlinge finanziell, sie bekommen nach eigenen Angaben rund 600 Dollar (564 Euro/602 Franken) monatlich. Die Kosten für die Wohnung übernimmt eine Gewerkschaft. Zwei der früheren Häftlinge zogen nach uruguayischen Medienberichten in ein Hotel, weil sie sich mit den Syrern nicht verstanden haben sollen. Die Regierung hatte den Männern auch Arbeit angeboten, Stellen als Koch und auf dem Bau. Doch die sechs erschienen nicht, was im Februar großes Aufsehen in Uruguay auslöste. Mujica zeigte hingegen Verständnis. Er hatte die Männer kurz vor seinem Amtsende besucht. »Sie tragen die Konsequenzen von fast 13 Jahren in Isolation in unwirtlichen Zuständen«, so Mujica nach dem Treffen.

Noch verbringen die Männer die meiste Zeit im Haus oder im Hotel. In Zukunft, so betont El Ouerghi, möchte er arbeiten. Der Tunesier kann sich vorstellen, ein arabisches Restaurant zu eröffnen mit traditionellen Speisen. Ein solches habe er in Montevideo nämlich noch nicht gefunden.

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