Werbung

Atomgespräche: Unterhändler fordert Sanktionsstopp

Einigung in Atomgesprächen möglich / Chinas Außenminister ruft zu Kompromissen auf / Israels Ministerpräsident verurteilt mögliches Abkommen als »gewissenlos«

  • Lesedauer: 7 Min.

Update 15.24 Uhr: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt ungeachtet der stockenden Verhandlungen weiterhin auf einen Kompromiss im Atomstreit mit dem Iran bei den Gesprächen im schweizerischen Lausanne. »Es ist jetzt viel Arbeit von allen Seiten in diese Verhandlungen gesteckt worden, seit vielen Jahren«, sagte Merkel am Mittwoch nach einem Gespräch mit dem kirgisischen Präsidenten Almasbek Atambajew in Berlin. »Ich hoffe und wünsche mir, dass es heute zu einem Kompromiss kommt, der den Bedingungen, die wir stellen, auch entspricht.«

Der Iran dürfe keinen Zugang zu einer atomaren Bewaffnung bekommen, betonte die Kanzlerin. »Ich glaube, man ist ein großes Stück des Weges gegangen«, ergänzte sie. Die Verhandlungen seien aber erst beendet, wenn zu allen Fragen eine Einigung erzielt sei. Sie sei telefonisch von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) über den Stand der Verhandlungen unterrichtet worden.

Update 14.23 Uhr: In den Atomverhandlungen in Lausanne sind nach den Angaben von Irans Chefunterhändler Abbas Araktschi noch nicht alle Probleme gelöst worden. Zwar werde wohl im Laufe des Tages eine Erklärung über die Fortschritte veröffentlicht, sagte Araktschi am Mittwoch in einem Live-Interview mit dem iranischen Staatsfernsehen. »Es kann aber kein umfassendes Abkommen geben, so lange nicht alle Probleme gelöst sind.«

Gestrittenen wird laut Araktschi noch über die Aufhebung der Sanktionen, die der Westen wegen des Atomprogramms gegen den Iran verhängt hat. Eine Einigung sei nicht möglich »ohne einen Rahmen für die Aufhebung sämtlicher gegen Teheran verhängter Sanktionen«, sagte der Chefunterhändler in dem Interview.

»In erster Linie müssen alle, insbesondere die Sanktionen gegen den Erdöl- und Bankensektor, aufgehoben werden«, sos Araghchi. Der Westen will die Sanktionen nur phasenweise abmildern. In Lausanne rangen der Iran und die fünf UN-Vetomächte plus Deutschland am Mittwoch weiter um eine Einigung in dem seit mehr als einem Jahrzehnt andauernden Konflikt.

Der Iran bestehe auch darauf, dass die Forschungsarbeiten in der Atomanlage Fordo fortgesetzt werden. Zudem müsse das Land das Recht haben, modernere und schnellere Zentrifugen für die Urananreicherung einzusetzen, sagte Araghchi. Nach unbestätigten Informationen aus Teheran will der Iran mindestens 500 dieser neuen Zentrifugen im Einsatz behalten.

Der Westen lehne dies ab, weil der Iran dann sehr viel schneller hochangereichertes Uran produzieren könne. Dies wird für den Bau von Atombomben benötigt. Die fünf UN-Vetomächte sowie Deutschland wollen sicher stellen, dass der Iran mindestens ein Jahr benötigen würde, sollte er sich zum Bau einer Atombombe entscheiden. Der Iran hat diese Absicht stets bestritten.

Update 12.16 Uhr: Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat ein mögliches Abkommen im Atomstreit mit dem Iran am Mittwoch als »gewissenlos« verurteilt. Dies würde dem iranischen Mullah-Regime den Weg zu einer Atombombe ebnen, warnte Netanjahu vor einem Treffen mit dem republikanischen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, John Boehner. Der Iran habe sein Streben nach einer Zerstörung Israels nicht aufgegeben, sagte Netanjahu. Der israelische Regierungschef forderte die internationale Gemeinschaft dazu auf, sich um einen »besseren Deal« mit Teheran zu bemühen. »Der Iran muss sein aggressives Verhalten in der Region stoppen«, forderte er zudem.

Update 10.40 Uhr: Die Gespräche über das iranische Atomprogramm stecken in einer komplizierten Phase. »Die Verhandlungen waren gestern Nacht an einigen wichtigen Fragen festgefahren, Fachleute haben die ganze Nacht gearbeitet«, hieß es am Mittwoch aus deutschen Delegationskreisen. Im Laufe des Tages sollten sich zunächst Außenminister der sogenannten 5+1-Gruppe (USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien) sowie Deutschlands untereinander und anschließend mit iranischen Vertretern treffen. »Nichts ist ausgemacht, aber bei gutem Willen aller ist eine Einigung möglich«, hieß es weiter.

Der chinesische Außenminister Wang Yi hat die Beteiligten zu Kompromissen aufgerufen. Alle Seiten müssten bereit sein, aufeinander zuzugehen, sagte Yi laut einer in Lausanne verbreiteten Erklärung. Den Verhandlungsort hatte er bereits am Vorabend verlassen. Zugleich mahnte er, die Rolle des UN-Sicherheitsrats müsse beachtet werden. Aus Verhandlungskreisen hieß es, ein strittiger Punkt sei nun die Frage, wie einmal aufgehobene Sanktionen wieder schnell greifen könnten, falls der Iran gegen Vereinbarungen verstößt. Ein Teil der bestehenden Sanktionen war durch Resolutionen des UN-Sicherheitsrats eingesetzt worden.

Update 9.40 Uhr: Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm im schweizerischen Lausanne verlassen. Dies teilte sein Ministerium am Mittwoch in Moskau mit. Lawrow hatte zuvor von einer Grundsatzeinigung »in allen Schlüsselfragen« gesprochen, was aus US-Verhandlungskreisen jedoch dementiert wurde.

Frist abgelaufen, Atom-Gespräche fortgesetzt

Berlin. Trotz Ablaufs einer Frist sollen die Verhandlungen über das umstrittene iranische Atomprogramm am Mittwochmorgen fortgesetzt werden. »Wir haben einiges erreicht. Ich hoffe, wir können die Arbeit am Mittwoch zu Ende führen«, sagte Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif nach den jüngsten Gesprächen, die bis tief in die Nacht gingen. Ursprünglich hatten die Vertreter der UN-Vetomächte, Deutschlands und des Irans bis Mitternacht eine Grundsatzeinigung in dem zwölf Jahre andauernden Streit erreichen wollen.

Ein Durchbruch wurde bislang nicht erzielt. Zuvor hatte es widersprüchlicher Angaben zum Stand der Atomverhandlungen gegeben. Während Russland und der Iran von entscheidenden Fortschritten und der russische Außenminister Sergej Lawrow gar von einer Grundsatzeinigung »in allen Schlüsselfragen« sprach, wies ein US-Vertreter dies zurück. Noch seien nicht alle Fragen geklärt, sagte er AFP. Am Mittwochmorgen sollen die Beratungen in Lausanne fortgesetzt werden. Iranische Medien nannten 08 Uhr als Anfangszeit für die neue Gesprächsrunde.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte zwar, alle Unstimmigkeiten seien grundsätzlich ausgeräumt. Eine Lösung des Konflikts könne hoffentlich in den kommenden Stunden oder im Laufe des Tages zu Papier gebracht werden. Mitglieder westlicher Delegationen bestätigten hingegen nicht, dass alle Streitfragen geklärt seien. »Alle Fragen sind noch nicht geklärt«, sagte ein US-Vertreter der Nachrichtenagentur AFP. Auch Sarif hielt sich bedeckter. »Für die meisten Punkte wurden klare Lösungen gefunden«, sagte Irans Außenminister. Er zeigte sich aber optimistisch: Es seien »gute Fortschritte« bei den Beratungen erzielt worden, sagte er. Er hoffe, dass die Arbeit am Mittwoch zu einem Ende gebracht werde. Dann könne mit der Verschriftlichung des finalen Abkommens begonnen werden, sagte der iranische Minister.

Im Kern des Konflikts geht es um die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass der Iran nicht unter dem Deckmantel eines zivilen Nuklearprogramms Atombomben entwickelt. Der Westen fordert verlässliche Garantien und Kontrollen. Teheran will die Aufhebung von Wirtschaftssanktionen. Eine Einigung würde den Iran aus der internationalen Isolation befreien. Ein umfassendes Abkommen in dem Konflikt ist bis Anfang Juli angepeilt.

Strittig war zuletzt vor allem, wie der Iran nach einer mehrjährigen Phase, in der höherwertige Atomforschung untersagt sei, weiter verfahren dürfe. Teheran will nach Ablauf einer solchen Frist sein Atomprogramm wieder uneingeschränkt betreiben dürfen. Der Westen fordert auch danach Restriktionen. Zudem ging es um den Zeitrahmen für die Aufhebung von UN-Sanktionen, die den Transfer von Atomtechnologie in den Iran verbieten, und die Frage, wie Sanktionen schnell wieder greifen könnten, falls der Iran gegen Vereinbarungen verstößt.

In Lausanne beraten seit einigen Tagen die Außenminister der UN-Vetomächte und Deutschlands mit dem Iran. Nach Chinas Außenminister Wang Yi verließ indes am frühen Mittwochmorgen auch Frankreichs Chefdiplomat Laurent Fabius den Verhandlungsort in der Schweiz und reiste wegen eines Kabinettstreffens nach Paris zurück. Wenn es nötig sei, werde er umgehend wieder nach Lausanne aufbrechen, teilte die französische Regierung mit. Vor Ort blieben außer Lawrow und Sarif auch Mogherini, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), US-Außenminister John Kerry und ihr britischer Kollege Philip Hammond. Das Treffen auf Ministerebene wurde gegen 01.00 Uhr nachts unterbrochen, nach Angaben einer EU-Vertreterin dauerten die Gespräche auf Geschäftsebene aber noch länger an.

US-Präsident Barack Obama konferierte unterdessen mit ranghohen Sicherheitsberatern. Nach Angaben der Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats, Bernadette Meehan, hielt er am Dienstagabend (Ortszeit) eine Videokonferenz ab. Von Kerry und weiteren Verhandlungsteilnehmern wurde er über den Stand der Gespräche in Lausanne informiert.

Seit mehreren Jahren bemühen sich die fünf UN-Vetomächte und Deutschland im Atomstreit mit dem Iran um eine Einigung. Ziel ist es, dem Land die zivile Nutzung der Atomtechnologie zu erlauben, es aber an der Entwicklung von Atomwaffen zu hindern. Im Gegenzug sollen internationale Sanktionen gelockert werden. Beide Seiten streben an, nach der politischen Grundsatzvereinbarung bis Ende Juni ein vollständiges Abkommen samt technischen Einzelheiten abzuschließen. Agenturen/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal