Kein Lichtlein brennt

Eine Satireaktion über den Verfassungsschutz im NSU-Komplex

  • Josephine Schulz
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Arbeitskreis Kritischer Verfassungsschützer lud zur »Transparenzinitiative« - mit falschen Agenten und echten Zitaten.

Über die Einladung staunten Journalisten nicht schlecht: Der »Arbeitskreis Kritische Verfassungsschützer« bat zur Pressekonferenz in ein Berliner Restaurant, dessen Markenzeichen absolute Dunkelheit ist. Der Anlass: die Vorstellung einer »Transparenzinitiative« zum NSU-Komplex. Die Mitglieder des Vereins wollten indes unsichtbar bleiben, hieß es. In der Finsternis des »Nocti Vagus« sprechen sie dann am Dienstag über Verstrickungen der Geheimdienste in die Gewaltverbrechen des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds.

Eine Transparenzinitiative von Verfassungsschützern mit Gewissensbissen? Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Und natürlich ist es auch gerade so: Die Pressekonferenz und ihre Veranstalter sind eine Inszenierung. Hinter der Satireaktion stecken die Naturfreunde Berlin. Echt sind nur die vorgetragenen Zitate: Aussagen aus Untersuchungsausschüssen und Presseinterviews - zu einem skurrilen Gespräch zusammengeschnitten.

Die Aktion, bei der kein Lichtlein brennt, ist Auftakt der Kampagne BlackBox Verfassungsschutz. »Wir wollen damit deutlich machen, was es nicht gibt: Aufklärung, Transparenz und Aufarbeitung«, so der Sprecher der vermeintlichen Initiative.

Die Symbolik der Aktion ist überdeutlich. Von dem erdachten Arbeitskreis wird Aufklärung versprochen, die Zuhörer bleiben jedoch buchstäblich im Dunkeln. Eine Transparenzinitiative des Verfassungsschutzes, das wollen die Naturfreunde zeigen, ist zwangsläufig absurd. Denn die Institution stecke tief im NSU-Komplex und operiere jenseits demokratischer Kontrolle. Transparenz und Geheimdienste, das ist die Botschaft der Aktion, schlössen einander aus.

Zwei Bundestagsuntersuchungsausschüsse, mehrere Landesuntersuchungsausschüsse, ein mittlerweile zweijähriger Gerichtsprozess - um den NSU-Komplex gab es viel Gerede. Nun geht der Prozess dem Ende zu. Aufklärung über die Beteiligung der Behörden: Fehlanzeige. Die Ermordung von Halit Yozgat in einem Kasseler Internetcafé jährt sich in diesen Tagen zum neunten Mal. Über die Anwesenheit eines Verfassungsschützers am Tatort kursieren absurde Rechtfertigungen. Die Behörden hüllen sich in Schweigen.

»Brutalstmögliche Aufklärung der NSU-Morde« lautet der Slogan der BlackBox-Kampagne. Auch das ist Satire. Die Naturfreunde spielen auf den hessischen Ex-Ministerpräsidenten Roland Koch an, der im Zusammenhang mit der 1999 aufgeflogenen CDU-Spendenaffäre eben dies versprochen hatte. Schon damals habe sich gezeigt, dass Koch nicht nur die Parteifinanzen vertuschen, sondern ganze Behörden demokratischer Kontrolle entziehen konnte, meinen die Naturfreunde. Diese Art »Aufklärung« setze sich nun im Fall der NSU-Morde fort.

»Der Beitrag des Verfassungsschutzes war eine gigantische Schredderaktion«, so der Sprecher der Transparenzinitiative. Über 300 Aktenordner, die zur Aufklärung hätten beitragen können, seien zerstört worden. Die Konsequenzen der behördlichen Verstrickungen in die Verbrechen sind zusätzliche 17 Millionen Euro und 269 neue Mitarbeiter für den Verfassungsschutz.

Die Naturfreunde wollen in den kommenden Monaten mit weiteren Aktionen auf die systematischen Vertuschungen im NSU-Komplex aufmerksam machen. Erinnert man sich an vergangene Performances, etwa den pinken Hasen, der vor einigen Jahren regelmäßig nationalistische Veranstaltungen störte, darf man wohl auf kreative Aktionen hoffen.

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