Jemen: 650 Tote binnen drei Wochen

Opfer durch Angriffe von Rebellen und Saudi-Koalition / 600.000 Menschen von zu Hause vertrieben / WHO warnt: »Humanitäre Lage ist kritisch« / Oxfam: Versorgung der Zivilbevölkerung verschlechtert sich täglich

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Bei dem Konflikt im Jemen sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation in den vergangenen drei Wochen fast 650 Menschen getötet worden. Seit dem 19. März seien zudem mehr als 2220 Menschen bei den Kämpfen gegen die Huthi-Rebellen verletzt worden, teilte die WHO am Mittwoch mit. Nach Angaben der WHO sind im Jemen zudem 600.000 Menschen von zu Hause vertrieben worden. »Die humanitäre Lage ist kritisch«, teilte die WHO mit; Stromausfälle sowie akuter Wasser- und Treibstoffmangel setzten der Zivilbevölkerung zu.

Ebenfalls am Mittwoch meldeten ein Behördenvertreter sowie ein Mediziner aus der Stadt Aden zudem, dass durch Panzer- und Mörserbeschuss der Rebellen 22 Menschen getötet und über 70 weitere verletzt wurden, die meisten davon Zivilisten. Die schiitischen Huthis hätten dabei gemeinsam mit Anhängern von Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh »wahllos« Wohnhäuser beschossen, sagte der Behördenvertreter der Nachrichtenagentur AFP.

Ärzte ohne Grenzen gelang es unterdessen, eine medizinische Hilfslieferung im Hafen von Aden zu entladen, wie die Hilfsorganisation am Mittwoch mitteilte. Auch ein Schiff mit Hilfsgütern und Personal des Internatioalen Komitee des Roten Kreuzes sei in der Hafenstadt eingetroffen, sagte ein Sprecher des arabischen Militärbündnisses in Riad. Wegen anhaltender Kämpfe sei es jedoch »schwierig«, das Material zu entladen.

Die Hilfsorganisation Oxfam hat vor einer humanitären Katastrophe im Bürgerkriegsland Jemen gewarnt. »Die Lage wird von Tag zu Tag schlechter«, sagte der Länderverantwortliche von Oxfam, Grant Pritchard, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Rund zehn Millionen der etwa 24 Millionen Einwohner des Landes hätten derzeit nicht genug zu essen. Das Land müsse mehr als 80 Prozent seiner Lebensmittel importieren, erklärte Pritchard weiter. Da aber alle Flug- und Seehäfen geschlossen seien, kämen seit Tagen keine Güter mehr ins Land. Auch die Versorgung mit Wasser und Strom verschlechtere sich täglich. Zudem fehlten medizinische Güter.

Saudi-Arabien und seine Verbündeten fliegen im Jemen seit rund zwei Wochen täglich Luftangriffe auf die schiitischen Huthi-Rebellen, die große Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht haben. Als sie weiter auf Aden vorrückte, floh Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi nach Saudi-Arabien und bat dort um Hilfe. Am 26. März begann Riad daraufhin mit neun weiteren arabischen Staaten Luftangriffe auf die Rebellen und verbündete Armeeeinheiten, um deren Vormarsch auf Aden zu stoppen.

Der Al-Kaida-Ableger im Jemen hat Experten zufolge eine Belohnung für die Tötung oder Ergreifung des Rebellen-Anführers Abdulmalik al-Huthi und den früheren Präsidenten Ali Abdullah Salih ausgelobt. Dies berichtete die auf Islamisten spezialisierte Beobachtergruppe Site am Mittwoch und berief sich auf ein Video der Al-Kaida auf der arabischen Halbinsel (AQAP). Die beiden Männer seien »die Köpfe des Bösen im Jemen«. Ihre Ermordung oder Ergreifung werde mit 20 Kilogramm Gold belohnt.

Bereits am Dienstag hatte der stellvertretende US-Außenminister Antony Blinken gesagt, dass sein Land die Lieferung von Waffen an Saudi-Arabien und dessen Verbündete beschleunigt habe. So sei die Kooperation der Geheimdienste verstärkt und eine gemeinsame Planungszelle im saudiarabischen Einsatzkommando eingerichtet worden. US-Verteidigungsminister Ashton Carter äußerte sich besorgt darüber, dass Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel das derzeitige Chaos im Jemen nutze, um ihr Einflussgebiet auszuweiten. Carter kündigte an, die USA würden weiter gegen die Bedrohung durch die Extremisten vorgehen.

Saudi-Arabien wirft dem Iran vor, die schiitischen Huthis zu unterstützen. Teheran setzt sich derweil für eine politische Lösung ein und entsandte am Mittwoch Außenminister Mohammed Dschawad Sarif nach Pakistan. Die Regierung in Islamabad steht unter dem Druck Saudi-Arabiens, sich an der Militärallianz zu beteiligen. Aus Sorge, die konfessionelle Spaltung der Region sowie auch des eigenen Landes zu vertiefen, lehnt Pakistan dies bislang jedoch ab. Regierungschef Nawaz Sharif sagte am Mittwoch, sein Land sei »nicht in Eile«, über eine Beteiligung zu entscheiden. Es gebe diplomatische Bemühungen unter Beteiligung des Irans und der Türkei zur Lösung des Konflikts. Agenturen/nd

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