Sonderrechte für Minenkonzerne

Juan Mejia und Martha Arnold über die Folgen des verstärkten Rohstoffabbaus in Honduras

  • Lesedauer: 4 Min.

Inwieweit bedrohen die Projekte wie Wasserkraftwerke und Bergbau die Lebensgrundlagen der honduranischen Dorfgemeinschaften?

Juan Mejía: Das, was für die Unternehmen Rohstoffe sind, sind für die Dorfgemeinschaften keine Waren, sondern Naturgüter. Die Wasserquellen werden verschmutzt, die Berge und die Wälder beispielsweise durch den Tagebau zerstört. Die Gemeinden verteidigen ihr Recht in einer gesunden Umwelt zu leben. Durch die Opposition gegen die extraktivistischen Projekte unterliegen sie einer starken Bedrohung, die Unternehmen greifen dann die lokalen Organisationen und deren Führungspersönlichkeiten an.

Könnten die Projekte auch auf eine Art durchgeführt werden, die nicht die Wasserversorgung der Gemeinden gefährdet?

JM: In einigen Fällen ja, in anderen nein. In Honduras ist ausreichend Wasser für das Zehnfache der heutigen Bevölkerung vorhanden, die Frage ist nur, wie dieses Gut verwaltet wird. Die Regellosigkeit in Verwaltung und Justiz, sowie die Suche der Unternehmen nach dem größtmöglichen Vorteil führt dazu, dass die Unternehmen genau das Wasser beanspruchen, das für die Trinkwasserversorgung der Menschen bestimmt war. Die Konkurrenz um die Wasserressourcen zwischen Landwirten und kommerziellen Energieunternehmen führt zu sozialen Konflikten. In vielen Fällen endet das mit Morden an lokalen Führungspersönlichkeiten, wovon die indigene Bevölkerung der Tolúpan, der Lenca und der Miskíto betroffen war. Andere Dorfgemeinschaften mussten ihr Land verlassen, Familien mussten fliehen.

Was unternimmt die Organisation »Breites Bündnis für Würde und Gerechtigkeit« (MADJ) dagegen?

JM: Die MADJ sucht unter anderem vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission Schutz für die Betroffenen, da der honduranische Staat sich passiv verhält und so den wichtigen Unternehmern dieser Branche in die Hände spielt.

Es gibt auch im Aguán-Tal Befürchtungen, dass die Kleinbauern mit Bergbauinteressen konfrontiert werden. Ist schon Näheres darüber bekannt?

Martha Arnold: Es gibt bereits eine betroffene Gemeinde, El Venado. Außerdem wurden 19 Bergbaukonzessionen im Aguán-Tal vergeben. Der Konflikt wird sich dadurch zuspitzen. Das Nationale Agrarinstitut und Präsident Juan Orlando Hernández begünstigen gleichzeitig die Expansion der Ölpalmenmonokultur. 2000 Hektar sollen im Aguán-Tal neu gepflanzt werden. Die ehemaligen Produzenten von Milch, Fleisch, Zitrusfrüchten werden bei der Umstellung unterstützt, auch die Kleinbauern sollen auf ihrem wieder angeeigneten Land statt Grundnahrungsmittel anzubauen Ölpalmenmonokulturen anlegen.

Dorfgemeinschaften in verschiedenen Landesteilen haben sich in letzter Zeit für »frei vom Bergbau« erklärt. Welche Folgen hat diese Entscheidung für die Bevölkerung?

JM: Das Bergbaugesetz wurde von den Anwälten der Unternehmen formuliert. Vorher bestand in Honduras nach dem Gesetz der Gemeindeverwaltungen die Möglichkeit, sich gegen dieses oder jenes Projekt auszusprechen, jetzt ist dies auf dieser Verwaltungsebene nicht mehr möglich. Statt dessen erklären sich immer mehr Dorfgemeinschaften und Regionen, von denen sie vielleicht geglaubt hatten, dass sie sich nicht artikulieren und zusammenschließen würden, für frei vom Bergbau. Trotzdem können durch das Gesetz über Sonderzonen für wirtschaftliche und soziale Entwicklung neue Gemeinden speziell für den Bergbau geschaffen werden. Das heißt, wenn eine Mine in zwei angrenzenden Gemeinden liegt, kann hierfür eine neue Gemeinde gebildet werden. Die Unternehmen haben dort außerdem das Recht, ihre eigene Währung, ihre eigene Sprache und ihr eigenen Instanzen der Justiz einzuführen. Was im Bereich der extraktivistischen Industrien in Honduras passiert, ist sehr beunruhigend.

Besonders im Aguán-Tal wird den Landkonflikten mit Repression durch Polizei und Militär begegnet.

MA: Im Jahr 2011 wurde das Gebiet militarisiert um angeblich den Konflikt zu lösen, aber es war das Jahr mit den meisten Toten. Wir haben im Aguán-Tal 123 Morde und sechs Fälle von gewaltsamen Verschwindenlassen von 2008 bis 2013 registriert. Wir wissen von der Komplizenschaft der Militärpolizei und der Polizei mit den privaten Sicherheitskräften der Großgrundbesitzer. Die Beobachtungsstelle für Menschenrechte hat Fälle von Verletzten, von Entführungen und von Folter angezeigt. Obwohl Juan Orlando sagt, dass es keinen Agrarkonflikt mehr gibt, wissen wir, dass die Zahl der Ermordeten nur durch die Repression gesunken ist, aber andere Menschenrechtsverletzungen wie Entführungen, Folter und Einschüchterung der Bevölkerung nehmen zu.

Sind die Menschenrechtsbeobachter der Beobachtungsstelle selbst von Kriminalisierung betroffen?

MA: Ja. Der Oberstleutnant der Militäroperation Xatruch im Aguán-Tal sagt, dass wir niemand seien, dass die Beobachtungsstelle keine Rechtspersönlichkeit für die Verteidigung der Menschenrechte hätte. Einige Kollegen wurden des Raubs und der illegalen Inbesitznahme bezichtigt. Zuletzt wurde ein junger Mann aus der Kleinbauernbewegung entführt, der ein T-Shirt trug, das ihn als Menschenrechtsverteidiger auswies.

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