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Aliens sind nicht leicht zu erkennen

Für die Suche nach außerirdischem Leben werden verschiedene Methoden vorgeschlagen - doch keine bietet letzte Sicherheit. Von Hans-Arthur Marsiske

  • Hans-Arthur Marsiske
  • Lesedauer: 7 Min.

Im Kino ist die Sache immer klar und eindeutig: Da landet ein Raumschiff auf der Erde und es steigen seltsame Gestalten aus, mal mit schleimigen Körpern und Tentakeln, mal mit grüner Haut und Antennen auf den Köpfen. Jedenfalls ist kein Zweifel möglich: Das sind Lebewesen aus dem All.

In der Wirklichkeit erweist sich der Nachweis außerirdischen Lebens als erheblich schwieriger. Ein instruktives Beispiel sind auch heute noch die beiden US-amerikanischen »Viking«-Sonden, die 1976 als erste Gesandte der Erde die Oberfläche des Mars erreichten. Die Roboter hatten drei Experimente an Bord, um biologische Aktivität nachzuweisen. Davon blieben zwei erfolglos. Die Mehrheit der Wissenschaftler zog daraus den Schluss, dass unser Nachbarplanet unbelebt sei.

Gilbert Levin, verantwortlich für das dritte, positiv verlaufene »Labeled Release Experiment«, ist dagegen heute noch überzeugt, außerirdisches Leben gefunden zu haben. Bei dem Experiment wurde eine Nährlösung mit radioaktiv markiertem Kohlenstoff mit Marsboden in Berührung gebracht. Es entstand radioaktives Kohlendioxid - die Bodenprobe hatte die Nährlösung also in einen Stoff umgewandelt, der auf der Erde ein markantes Produkt biologischer Aktivität darstellt. Allerdings hätte dieser Effekt nach Ansicht vieler Forscher auch auf komplett anorganische Weise zustande kommen können, etwa durch Peroxide im Marsboden und die ultraviolette Strahlung der Sonne.

Knapp 40 Jahre nach den »Viking«-Missionen berichten Wissenschaftler der US-Weltraumbehörde NASA jetzt von einem ähnlichen Fund. Das Instrument SAM (Sample Analysis at Mars) des Rovers »Curiosity« habe Hinweise auf biologisch nutzbare Stickstoffverbindungen geliefert, schreibt das von Jennifer C. Stern geleitete Team in den »Proceedings« der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA (PNAS, DOI: 10.1073/pnas.1420932112). Stickstoff ist ein zentrales Element in nahezu allen biologisch relevanten Molekülen wie Proteinen und Nukleinsäuren. Allerdings kann der in der Erdatmosphäre reichlich vorhandene molekulare Stickstoff von den meisten Lebewesen nicht direkt verwertet werden. Sie benötigen ihn in gebundener Form, etwa als Salz der Salpetersäure (Nitrat). Die NASA-Forscher schließen aus der Freisetzung von Stickstoffoxid bei der Erhitzung einer Bodenprobe, dass der Marsboden Nitrate enthält.

Wissenschaftler sind vorsichtig geworden bei der Interpretation ihrer Funde. Dennoch bleibt die Sehnsucht nach dem unzweifelhaften Nachweis von Leben außerhalb der Erde. Nur, wie könnte der aussehen?

Der Rover, der im Rahmen der europäisch-russischen ExoMars-Mission im Jahr 2018 auf dem Mars landen soll, will mithilfe von Massenspektrometern erstmals die räumliche Struktur organischer Moleküle prüfen. Dabei konzentriert sich das Forscherinteresse insbesondere auf Aminosäuren und verschiedene Zucker, deren Moleküle, ähnlich wie Handschuhe, in spiegelbildlichen Versionen existieren können. Während bei der Synthese im Labor rechte und linke Versionen in gleichen Mengen entstehen, können irdische Lebewesen Aminosäuren nur in der linken Version, Zucker nur in der rechten verwerten. Sollten auf dem Mars Moleküle einer räumlichen Ausrichtung deutlich gehäuft nachgewiesen werden, wäre das daher ein gewichtiger Hinweis auf biologische Aktivität.

Ergänzend zu solchen chemischen Nachweismethoden hat eine schweizerisch-belgische Forschergruppe vorgeschlagen, die Bewegungen von Lebewesen zu messen. Bei Experimenten mit verschiedenen Einzellern zeigte sich, dass sie auf spezifische Weise vibrieren. Obwohl diese Vibrationen nur im molekularen Maßstab erfolgen, lassen sie sich mit empfindlichen Sensoren messen. Das von Giovanni Longo (École Polytechnique Fédérale de Lausanne) geleitete Team hebt die geringe Masse und den geringen Energiebedarf solcher Sensoren hervor. Die Methode könne zudem auch Lebensformen erkennen, deren Biochemie erheblich von der irdischer Lebewesen abweiche.

Für zukünftige Raumsonden zum Mars und anderen Planeten unseres Sonnensystems mag das eine vielversprechende Bereicherung sein. Außerhalb des Sonnensystems helfen solche Untersuchungsmethoden dagegen auf absehbare Zeit nicht weiter. Extrasolare Planeten, die andere Sterne umkreisen, sind so weit entfernt, dass heutige Raumschiffe Jahrtausende brauchen würden, um sie zu erreichen. Die einzige Möglichkeit, dort Hinweise auf Leben zu finden, besteht in der Untersuchung ihres Lichtes.

Derzeit steckt die Spektralanalyse extrasolarer Planeten noch in den Anfängen und erfasst vor allem Himmelskörper, die für Leben ungeeignet erscheinen, weil sie zu groß sind und sich auf Umlaufbahnen bewegen, die keine lebensfreundlichen Bedingungen erwarten lassen. Mit der absehbaren Verfeinerung der Beobachtungsinstrumente und Untersuchungsverfahren in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren werden aber mehr und mehr auch Planeten in der »habitablen Zone« ihrer Muttersterne in den Blick irdischer Astronomen geraten. Die Zahl solcher Planeten, die ihr Zentralgestirn in einer Entfernung umkreisen, in der flüssiges Wasser existieren kann, wurde jüngst von einem australisch-dänischen Forscherteam auf mehrere Milliarden in unserer Milchstraße geschätzt.

Am besten lässt sich das Spektrum von Planeten messen, die vor ihrem Stern entlang wandern, sodass dessen Licht teilweise die Planetenatmosphäre passiert. In einem Beitrag für die Zeitschrift »Science Advances« (DOI: 10.1126/sciadv.1500047) machen Sara Seager und William Bains (Massachusetts Institute of Technology) jedoch deutlich, wie unsicher die Interpretation dieser Spektren derzeit noch ist. Am Beispiel des 2009 entdeckten Planeten GJ 1214b, der in etwa 40 Lichtjahren Entfernung einen roten Zwergstern umkreist, zeigen sie, dass die Spektraldaten ebenso auf eine Welt ohne Atmosphäre hindeuten können, wie auch auf eine Atmosphäre, die reich an schweren Elementen ist oder eine von Helium dominierte Gashülle.

Für die nahe Zukunft, so Seager und Bains, sei die spektrale Untersuchung der Atmosphären von Exoplaneten und die Suche nach Biosignaturen gleichwohl eine realistische Perspektive. Allerdings beruhten die Überlegungen zu Gasen, die auf die Existenz von Leben hindeuten können, bislang auf dem Vorbild der Erde mit ihrer Stickstoff-Sauerstoff-Kohlendioxid-Atmosphäre. Sauerstoff gelte als das robusteste Biosignaturgas, obwohl bisher unklar sei, warum dessen Anteil in der Atmosphäre in den letzten 500 Millionen Jahren zwischen 30 und 15 Prozent geschwankt hat. Auf der Erde werde Sauerstoff vorrangig durch Fotosynthese erzeugt, könne aber auch abiotisch entstehen, etwa durch die fotochemische Aufspaltung von Wasser.

Der spektroskopische Nachweis von Sauerstoff in der Atmosphäre eines Planeten wäre somit noch kein zwingender Hinweis auf Leben. Das gilt Seager und Bains zufolge auch für die Kombination mit Gasen wie Methan. Normalerweise würden beide Gase miteinander reagieren. Ihr gleichzeitiges Vorkommen würde daher darauf hindeuten, dass sie permanent neu entstehen. Das sei jedoch, so die Autoren, kein eindeutiger Indikator für Leben, sondern könne auch auf vulkanische Ursachen zurückgeführt werden. So gibt es auch für auffällige Methan-Konzentrationen auf dem Mars derzeit sowohl biologische als auch geologische Erklärungen.

Um den irdischen Blick bei der Suche nach Leben zu überwinden, empfehlen Seager und Bains die Entwicklung von »Bioflux«-Modellen, mit deren Hilfe die Entstehungsrate möglicher Signaturgase in Abhängigkeit von der Biomasse eines Planeten und der einstrahlenden Energie kalkuliert werden kann. Solche Modelle könnten für verschiedene planetare Umgebungen entwickelt werden, etwa Planeten mit Wasserstoffatmosphären. Zum anderen müsse der Blick auf alle kleinen Moleküle erweitert werden, nicht nur die auf der Erde biologisch produzierten.

Der spektroskopische Nachweis solcher Moleküle in Planetenatmosphären über interstellare Distanzen erfordert allerdings erheblichen Beobachtungsaufwand. Timothy D. Brandt und David S. Spiegel vom Institute for Advanced Study in Princeton empfehlen daher, zunächst nach Wasser Ausschau zu halten, das am einfachsten zu erkennen sei. Für Sauerstoff sei bereits ein dreimal so hohes spektrales Auflösungsvermögen erforderlich. Nur bei den aussichtsreichsten Planeten, bei denen Wasser und Sauerstoff sicher nachgewiesen werden konnten, könnte dann mit noch empfindlicheren Instrumenten und längeren Beobachtungszeiten nach Chlorophyll gesucht werden, das sich im Spektrum durch die »rote Kante«, einen starken Anstieg an Reflexivität bei 0,7 Mikrometern, zu erkennen gibt.

Mit Chlorophyll wird die Suche indessen zusätzlich beschränkt: auf erdähnliches pflanzliches Leben. Ein von Siddharth Hedge am Max-Planck-Institut für Astronomie geleitetes deutsch-amerikanisches Team ist einen anderen Weg gegangen. Während sich die Forschung bislang auf die spektroskopischen Muster von Pflanzen konzentriert habe, schreiben die Forscher in »PNAS«, sei über Mikroorganismen wenig bekannt, obwohl sie auf der Erde die meiste Zeit dominiert haben - und möglicherweise auch auf anderen Planeten die vorherrschende Lebensform sind. »Jede Hypothese über außerirdisches Leben, die sich ausschließlich auf Landpflanzen stützt, blendet einen großen Teil der Vielfalt des bekannten Lebens aus«, schreiben die Autoren. Sie haben daher die Reflexionsspektren von 137 Mikroorganismen erhoben, darunter auch solche, die unter extremen Bedingungen wie großer Kälte oder ohne Sauerstoff existieren können.

Früher oder später werden sich im Spektrum eines extrasolaren Planeten Hinweise auf Gasmischungen, Chlorophyll oder Mikroorganismen finden. Diese Hinweise, das geben Seager und Bains wie auch die Princeton-Forscher zu bedenken, werden hoch umstritten sein. Der Nachweis von Leben auf extrasolaren Planeten sei nicht mit letzter Sicherheit möglich, sondern nur mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit. Die »Viking«-Kontroverse dürfte sich noch einige Male wiederholen.

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