Alle Züge stehen still

In Portugal protestieren Beschäftigte gegen Privatisierungen bei Bahn und Luftfahrt

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Unter den Gewerkschaftern in Portugal geht die Angst um - die Regierung plant den Ausverkauf des öffentlichen Verkehrssektors.

Wenige Monate vor den Parlamentswahlen steht das öffentliche portugiesische Verkehrswesen im Zeichen größerer Arbeitskämpfe. So legten die Eisenbahner der bisherigen Staatsbahn CP nach einem mehrtägigen Streik über Ostern am Donnerstag erneut die Arbeit nieder. Weitere Streiks und Demonstrationen sind geplant. Für Anfang Mai sind die Beschäftigten der Fluggesellschaft TAP zu einem mehrtägigen Streik aufgerufen. Im Februar hatten Gewerkschaftsmitglieder bei einer Kundgebung in Lissabon den Schulterschluss vollzogen.

Dem heißen Frühjahr liegen viele Ursachen zugrunde: So beklagen Eisenbahner Kürzungen bei Löhnen und Pensionen. Das Bahnmanagement enthalte dem Zugpersonal seit langem Lohnzulagen vor und verzögere auch nach einem für die Beschäftigten positiven Gerichtsurteil die Auszahlung der Gelder in Millionenhöhe, so José Manuel Oliveira, Koordinator der Transportgewerkschaft Fectrans, auf nd-Anfrage.

Nährboden für die Unzufriedenheit ist aber auch die Absicht der konservativen Regierung, noch vor den Wahlen mit Privatisierungen Tatsachen zu schaffen. Davon betroffen sind zuerst die von der CP abgespaltene Güterbahn CP Carga, die unter dem Dach der CP-Tochter EMEF angesiedelten Bahnreparaturwerkstätten, die nationale Fluggesellschaft TAP und öffentliche Verkehrsbetriebe in der zweitgrößten Stadt Porto. Mit der Vergabe profitabler Strecken an Privatbahnen wolle die Regierung zudem offensichtlich die CP nach britischem Vorbild zerschlagen und privatisieren, befürchtet Oliveira, der von hoher Motivation der Streikenden spricht. Kürzlich flog Premierminister Pedro Passos Coelho nach Japan, um dort kapitalkräftige Investoren zu finden. Für die Gewerkschafter ist all das eine Kampfansage, zumal die Verstaatlichung der TAP als Errungenschaft der »Nelkenrevolution« von 1974 angesehen wird. Sie sprechen der Regierung die Legitimation zum Verkauf nationalen Eigentums ab.

Dass die Regierung die von den Transportgesellschaften abgespaltene Eisenbahn-Infrastrukturgesellschaft REFER mit der nationalen Straßenbauverwaltung Estradas de Portugal verschmelzen will, ist für Gewerkschafter ein böses Omen. Damit seien eine weitere Schrumpfung des längst nicht mehr landesweiten Eisenbahnverkehrs und eine Verlagerung auf das überdimensionierte Straßennetz programmiert, warnt Oliveira. Fectrans befürchtet einen Ausverkauf der Bahnimmobilien und den Niedergang von Infrastruktur, Sicherheit und Mobilität.

In einem Flugblatt, das Gewerkschafter an die beim Kongress des Internationalen Eisenbahnverbands in Lissabon versammelten Manager verteilten, beklagt Fectrans einen auch durch EU-Richtlinien und chronische Unterfinanzierung herbeigeführten jahrelangen Niedergang und Kahlschlag des portugiesischen Bahnwesens. So seien in den vergangenen 27 Jahren das Streckennetz von 3484 auf 2067 Kilometer geschrumpft und viele ländliche Regionen vom Schienenverkehr abgehängt worden. Gleichzeitig ging die CP-Belegschaft von über 22 000 auf unter 7000 zurück, die Zahl der Bahnhöfe mit Fahrkartenausgabe von 394 auf 114 und die Zahl der jährlich beförderten Fahrgäste von 230 auf 111 Millionen. Eine Fahrpreiserhöhung um 20 Prozent zwischen 2009 und 2013 bei gleichzeitiger Angebotsreduzierung habe viele Kunden verprellt.

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