Beschweren Sie sich!

Studie: Vielen Unternehmen fehlt eine Kultur im Umgang mit Fehlern

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn sich Kunden über schlechtes Essen oder unfreundliche Verkäufer beschweren, passiert oft nichts. Diesen Eindruck untermauert eine Studie der Universität Jena.

Nicht nur beruflich, auch privat hat Gianfranco Walsh mit Beschwerden zu tun. An seiner heimischen Garage arbeiteten Handwerker nicht sauber. Mehrere Schrauben, erzählt der Professor für Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Universität Jena, hätten zu weit aus der Wand geragt.

Würde Walsh die Ergebnisse seiner eigenen Studie pessimistisch auslegen, hätte er gar nichts tun dürfen. Denn ein zentrales Ergebnis eines Forschungsprojekts, das Walsh und seine Jenaer Kollegen gemeinsam mit der University of Texas bearbeitet haben, lautet: Beschwerden von Kunden bringen häufig gar nichts. »Drei von vier Beschwerden, die an Dienstleistungsmitarbeiter herangetragen werden, erreichen nicht einmal den direkten Vorgesetzten«, so Walsh. Unter anderem befragten die Wissenschaftler 363 Deutsche, die in ihrem Job häufig Kundenkontakt haben. Dabei habe man sich auf jene konzentriert, die »an der Frontlinie« stünden und Kunden von Angesicht zu Angesicht gegenüber stünden: Kellner, Hotel-Empfangspersonal, Verkäuferinnen, Berater in Mobilfunkgeschäften.

Dass so viele Beschwerden nicht einmal die nächsthöhere Ebene erreichen, hat laut Walsh zwei Ursachen, die in sich und zueinander aber ziemlich komplex sind. Einerseits nähmen Servicemitarbeiter Kundenbeschwerden häufig entweder gar nicht ernst oder aber sie leiteten sie nicht weiter. Viele fürchteten, vor ihren Vorgesetzten in einem schlechten Licht zu erscheinen, »Ärger zu bekommen«, möglicherweise sogar ihren Job zu verlieren. Das, so Walsh, seien »ganz rationale Erwägungen«.

Denn in vielen Unternehmen fehle es an einer Kultur, in der Beschwerden von Kunden als Chance begriffen würden, um besser zu werden und damit etwas für die Kundenbindung zu tun. Fehler würden viel zu oft lieber unterdrückt. »Aber daran wirklich etwas zu ändern, ist sehr schwer«, so Walsh.

Dabei gibt es durchaus positive Beispiele dafür, wie Unternehmen mit Beschwerden umgehen können. So gebe es gute Erfahrungen mit eigenen Abteilungen für Beschwerdemanagement. Aus wirtschaftlichen Gründen sei das aber eigentlich nur in größeren Firmen finanzierbar. Deshalb gebe es »mehr Unternehmen ohne ein Beschwerdemanagement als Unternehmen mit Beschwerdemanagement«, so Walsh. Trotzdem müssten auch Firmen ohne solche Abteilungen schon aus Eigeninteresse sehr sensibel mit den Beschwerden über schlechtes Essen, unfreundliche Bedienungen oder nicht richtig eingeschraubte Schrauben umgehen - etwa indem sie Mitarbeitern die Angst vor Fehlern nähmen.

Freilich, sagt Walsh, müssten Kunden diese Kultur auch einfordern und den Unternehmen gleichzeitig die Gelegenheit einräumen, Fehler zu beheben. Weshalb es grundsätzlich sinnvoll sei, weiter auf Missstände hinzuweisen.

Dieser optimistischen Lesart folgte Walsh im Falle seiner Garage: Er beschwerte sich beim Handwerksunternehmen, danach kamen zwei Mitarbeiter zum Nachbessern vorbei. Er rät Kunden, sich mit ihren kritischen Anliegen immer zuerst an die »einfachen« Mitarbeiter zu wenden. Man müsse ihnen die Chance geben, vernünftig mit Beschwerden umzugehen. »Wenn das nichts bringt, können Sie immer noch zur Geschäftsführung gehen.«

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