Athens Gläubigern fehlt »politischer Wille«

Tsipras appelliert an Kreditgeber: Haben alles Mögliche für ehrbaren Kompromiss getan / Eurogruppe winkt ab: Definitiv keine abschließende Einigung zum Kreditprogramm am Montag / Allianz-Berater: Schuldenentlastung ist nötig

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Berlin. Während in Athen am Freitag Erwerbslose für Jobs und finanzielle Unterstützung auf die Straße gegangen sind, dämpfen die Gläubiger Griechenlands Hoffnungen auf eine schnelle Einigung über die Auszahlung der aus politischen Gründen blockierten Kreditgelder. Die Euro-Finanzminister würden sich am Montag definitiv nicht auf einen endgültige Einigung mit Griechenland verständigen, hieß es. »Eine abschließende Vereinbarung ist nicht in Sicht«, sagte ein Eurozonen-Verantwortlicher am Freitag in Brüssel.

Offen sei auch noch, ob es überhaupt eine Erklärung der Eurogruppe zu Griechenland geben werde. »Die Eurogruppe am Montag wird kein entscheidendes Treffen sein«, sagte auch der Vorsitzende des Gremiums, der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, am Freitag bei einem Besuch in Rom.

Griechenlands Premier Alexis Tsipras forderte die Gläubiger derweil auf, den »politischen Willen« für eine Einigung aufzubringen. Eine Vereinbarung hänge nur noch daran. Diesen Willen habe es gegeben, als Griechenland 1981 in die EU aufgenommen worden sei, obwohl die EU-Kommission eine gegenteilige Empfehlung gegeben habe, sagte der Regierungschef. Und diesen habe es auch gegeben, als das Land im Jahr 2001 dem Euro beigetreten sei, »obwohl es die zugehörigen Voraussetzungen nicht erfüllte«.

Die SYRIZA-geführte Regierung in Griechenland habe »in den vergangenen Tagen alles Mögliche getan, um mit den Gläubigern zum Abschluss einer ehrlichen und nützlichen Vereinbarung zu kommen«, sagte Tsipras vor dem Parlament. Es gehe nun nicht mehr um »technische Fragen«.

In Athen wird der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass - wenn es schon nicht zu einer Einigung über die Auszahlung der blockierten 7,2 Milliarden Euro kommt, wenigstens eine »positive Evaluierung« der vorgeschlagenen Maßnahmen der SYRIZA-geführten Regierung erfolgt, die zur Auszahlung von Zinsgewinne führt, die bei der Europäischen Zentralbank für griechische Staatsanleihen aufgelaufen sind. Dabei soll es sich um rund 1,9 Milliarden Euro handeln - damit könnte Athen fällige Rückzahlungen von IWF-Krediten leisten, die bis 12. Mai fällig werden. Abgesehen davon muss die Regierung in Athen bis Ende Mai auch Gehälter und Pensionen zahlen. Das Geld wird immer knapper - auch weil die Gläubiger Griechenland am ausgestreckten Arm verhungern lassen, wie Kritiker meinen.

Die linksgeführte Regierung verhandelt seit Monaten mit den Euro-Ländern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über die Auszahlung aus dem laufenden Kreditprogramm. Während Athen seine finanziellen Verpflichtungen stets pünktlich erfüllt hat, ist nach Griechenland seit August 2014 kein Geld der Kreditgeber mehr geflossen. Die Gläubiger verweisen auf Bedingungen, die SYRIZA nicht erfüllen wolle. Tatsächlich hat die Regierung in Athen immer mehr Zugeständnisse gemacht.

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hatte am Donnerstag zu den geplanten Reformen gesagt, diese könnten Privatisierungen, die Begrenzung der Frühverrentungen, neue Mehrwertsteuerregeln und die Gründung einer unabhängigen Steuererhebungsbehörde umfassen. In der griechischen Presse hieß es in den vergangenen Tagen aus Quellen der Regierung, dass Athen nun bereit sei, Einsparungen im Haushalt in Höhe von fast sechs Milliarden Euro zu treffen. Laut Berichten könnte Athen die Mehrwertsteuer für bestimmte Luxusprodukte anheben, das Rentenkassensystem vereinheitlichen und eine unter der Vorgängerregierung eingeführte umstrittene Immobiliensteuer um mindestens ein Jahr verlängern.

Der Führungszirkel der griechischen Linkspartei hatte dieser Tage den Gläubigern Erpressung vorgeworfen. »Seit der Übereinkunft vom 20. Februar haben die Kreditgeber, die darin von einigen heimischen und internationalen Medien unterstützt werden, versucht, den schwierig erarbeiteten Kompromiss zu zerstören und die neue Regierung zu erpressen«, heißt es in einer Erklärung des Politischen Sekretariats von SYRIZA. Dieses Vorgehen solle dazu dienen, »die Politik zu implementieren, für die die Regierung Samaras abgewählt wurde«. SYRIZA sprach von »unfassbaren« Versuchen »im Auftrag von radikalen Teilen der Kreditgeber und das Agieren des nationalen Memorandum-Establishments« - gemeint sind die Befürworter der Troika-Kürzungsauflagen – eine »praktikable Lösung« zwischen Athen und den Gläubigern zu verhindern.

Dabei spielt offenbar nicht allein die Gegnerschaft zum grundlegenden Kurs der linken Regierung in Athen eine Rolle - sondern es gibt anscheinend auch Reibereien zwischen den Gläubigern, die für Verzug in den Verhandlungen sorgen. Jedenfalls sieht man das in Athen so. »Ernsthafte Differenzen und Widersprüche zwischen den Gläubigern, der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds, behindern die Verhandlungen«, heißt es in der SYRIZA-geführten Regierung. Die Hängepartie in den Verhandlungen liege in der »ausschließlichen Verantwortung« der Gläubiger.

In den vergangenen Tagen waren laut Medienberichten bei IWF und den europäischen Gläubigern unterschiedliche Signale zur Frage einer Schuldenerleichterung für Athen zu vernehmen. Laut der »Financial Times« hatte der IWF die Euro-Länder gedrängt, Griechenland einen Teil seiner Schulden zu erlassen. Sonst könne der IWF keine weiteren Hilfen mehr an Athen überweisen. Davor habe IWF-Europadirektor Poul Thomson die Euro-Finanzminister bei ihrem Treffen Ende April in Riga gewarnt, schreibt das Blatt. Das wurde zuerst in Berlin dementiert, später auch in Brüssel. Der IWF selbst gab eine knappe Erklärung ab: Man habe in Riga »keinen groß angelegten Schuldenerlass gefordert«. Aber einen kleiner angelegten?

Immer klarer wird, dass die Frage der Auszahlung aus dem laufenden Kreditprogramm das Problem Griechenlands so wenig lösen wird wie das der europäischen Krisenpolitik. Das sehen nicht nur linke Ökonomen so. Der Allianz-Berater Mohammed El Erian verwies unlängst darauf, dass die Gläubiger Griechenlands endlich »eine Wahrheit akzeptieren« müssten, die ihnen der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis stets klarzumachen versuche: »dass Reformen der griechischen Wirtschaft, egal wie weit diese gehen würden, erfolglos bleiben müssen, wenn nicht die strengen Haushaltsauflagen gelockert und eine weitere Schuldenentlastung gewährt wird«.

Auch Finanzminister Varoufakis hatte in einem Interview mit der Zeitung »Efimerida ton Syntaktion« noch einmal auf die Notwendigkeit »einer erheblichen Umschuldung« hingewiesen und auf die Frage, ob es »hinter den Kulissen eine Diskussion über eine substantielle Schuldenentlastung gegeben« habe geantwortet: »Ja.« vk/mit Agenturen

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