Österreich im Kampf gegen den Dschihad

14-jähriger Junge zu zwei Jahren Haft verurteilt

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Landesgericht im österreichischen St. Pölten hat einen mutmaßlichen 14-jährigen Dschihadisten schuldig gesprochen. Das Urteil: zwei Jahre Haft. Die Straftat: Bildung einer terroristischen Vereinigung. Eine tatsächliche Tat fand nicht statt, sie hatte sich ausschließlich im Kopf des Jugendlichen abgespielt.

Kommende Woche wird der Teenager 15 Jahre alt. Seinen Geburtstag wird er wohl im Gefängnis verbringen müssen, in dem er - mit kurzer Unterbrechung - bereits seit Oktober 2014 sitzt. Damals war er nach Beobachtungen des »Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung« in der niederösterreichischen Hauptstadt auf dem Weg zur Schule festgenommen worden. Dort, in seiner Schule, hatte sich der aus Istanbul stammende Junge positiv zur Dschihadisten-Organisation Islamischer Staat (IS) geäußert, was die Terrorabwehr auf den Plan rief. Diese stellte dann fest, dass der 14-Jährige im Internet nach den Stichworten »Bomben basteln« und »Wiener Westbahnhof« suchte. Das dürfte als Grund für seine Festnahme ausreichend gewesen sein.

Als der Junge dann bei der Einvernahme noch zugab, nach Syrien in den Dschihad reisen zu wollen oder hier in Österreich eine »große Sache« zu planen, wurde Untersuchungshaft verhängt. Während seiner kurz darauf gegen Auflagen genehmigten Entlassung versäumte es der Jugendliche, sich bei der polizeilichen Dienststelle in St. Pölten zu melden - er »tauchte unter«, wie das Gericht sein Verhalten nannte - und wurde zwei Tage später in einem 60 Kilometer entfernten Wiener McDonald’s-Lokal aufgegriffen, was für sich genommen nicht strafbar ist.

Beim Prozess schloss Richter Markus Grünberger die Öffentlichkeit aus. Er rechtfertigte die Klandestinität mit dem Hinweis auf das jugendliche Alter des Tatverdächtigen. Die »Bildung einer terroristischen Vereinigung« hat das Gericht dem jungen Mann zugetraut, diese offen zu verhandeln, dafür reichte der Mut dann wieder nicht aus. So konnte das Verfahren hinter verschlossenen Türen abgewickelt werden. Die Absurdität, Hirngespinste eines pubertierenden Jugendlichen in eine Terrorgefahr für Österreich umzuinterpretieren, wurde so nicht öffentlich. Der Junge gestand dem Vernehmen nach seine »Tat« und zeigte angeblich keine Reue, weshalb sich der Staatsanwalt Bedenkzeit ausbat. Er könnte noch einen höheren Strafrahmen als die zwei Jahre fordern, von denen acht Monate unbedingt ausgesprochen wurden.

Der Fall zeigt, welche Hysterie die Justiz und wohl auch die Gesellschaft insgesamt mittlerweile erfasst hat, wenn es um den Umgang mit radikalisierten Muslimen geht.

Am Beispiel des 14-Jährigen wurde demonstriert und exekutiert, wie leicht es ist, einen »Terroristen« zu erschaffen. Die mehr und mehr um sich greifende präventive Rechtsprechung bietet für solche Konstruktionen die ideale Voraussetzung. Ob geplante Reisen nach Syrien oder Internetrecherchen nach »falschen« Begriffen: Der Tatbestand einer »terroristischen Vereinigung« ist schnell bei der Hand und die Gerichte benutzen ihn exzessiv.

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