Linkspartei will neue Untersuchung über WM-Vergabe 2006

Riexinger: »nicht ausschließlich an Blatter, Russland und Katar abarbeiten« / Korruption auch vor dem »Sommermärchen« wahrscheinlich / US-Steuerfahndung geht von weiteren Festnahmen aus

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. In der Debatte um Korruption und Nepotismus beim Fußballweltverband FIFA will die Linkspartei nun den Blick auf die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006 nach Deutschland richten. Auch im Vorfeld des so genannten »Sommermärchens« habe es Verdachtsmomente gegeben, diese müssten jetzt wieder auf den Tisch, verlangte Linkspartei-Chef Bernd Riexinger.

»Wer den Fifa-Sumpf trocken legen will, der muss alles auf den Tisch packen und darf sich nicht ausschließlich an Blatter, Russland und Katar abarbeiten«, sagte er der »Rheinischen Post«. Der DFB solle selber aktiv werden und nicht auf die amerikanischen Justizbehörden warten. »Wer glaubt, die in der Fifa-DNA angelegte Korruption hätte ausgerechnet um die WM 2006 einen Bogen gemacht, der will den Fifa-Sumpf nicht austrocknen, sondern mit dem Finger auf andere zeigen«, sagte Riexinger.

Im Zuge von US-Ermittlungen waren am Mittwoch sieben ranghohe Fifa-Funktionäre von der Schweizer Polizei festgenommen worden. Die Schweizer Bundesanwaltschaft ermittelt zudem wegen Unregelmäßigkeiten bei den WM-Vergaben an Russland für das Jahr 2018 und Katar für 2022. Bei einer Pressekonferenz von Vertretern von US-Regierung, Justiz und Bundespolizei war die Austragung der WM 2006 in Deutschland nicht zur Sprache gekommen.

»Die deutsche Politik verkaufte Waffen, die deutsche Wirtschaft investierte in asiatische Firmen«, hieß es einmal in der »Süddeutschen Zeitung«. Und weiter: »Dem Mehrheitsvotum für Deutschland bei der WM-Vergabe 2006 gingen zahlreiche Merkwürdigkeiten voraus.« Und es war der umstrittene wiedergewählte FIFA-Boss Joseph Blatter selbst, der vor einigen Jahren auf mögliche Korruption bei der Vergabe hinwies - damals hielten Beobachter das für eine Art Retourkutsche für die deutsche Kritik am korrupten FIFA-System.

In einem Interview mit der Schweizer Zeitung »Sonntags-Blick« hatte Blatter erklärt: »Gekaufte WM … Da erinnere ich mich an die WM-Vergabe für 2006, wo im letzten Moment jemand den Raum verließ. Und man so statt 10 zu 10 bei der Abstimmung ein 10 zu 9 für Deutschland hatte.« Tatsächlich hatte es in dem Gremium zwölf zu zwölf gestanden, als der Neuseeländer Charles Dempsey unter bis heute nicht vollständig geklärten Umständen den Raum verließ. Danach standen elf Stimmen für Südafrika auf dem Zettel - und zwölf Stimmen für Deutschland, das die WM erhielt. Blatter 2012 dazu im Interview: »Nein, ich vermute nichts. Ich stelle fest. Ich bin froh, musste ich keinen Stichentscheid fällen. Aber, na ja, es steht plötzlich einer auf und geht. Vielleicht war ich da auch zu gutmütig und zu naiv.«

Angesichts der schwerwiegenden Korruptionsvorwürfe gegen leitende Fifa-Funktionäre geht der Chef der US-Steuerfahndung von weiteren Anklagen aus. Nach einem Bericht der »New York Times« sagte Richard Weber: »Ich bin ziemlich sicher, dass wir eine weitere Runde von Anklagen haben werden.« Weber wollte nach Angaben der Zeitung die übrigen Ziele der US-Ermittlungen nicht nennen. Er wollte auch nicht sagen, ob darunter auch der soeben wiedergewählte FIFA-Präsident Sepp Blatter sei. Die US-Behörden gingen aber davon aus, dass weitere Personen in kriminelle Handlungen verwickelt seien.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief den Weltfußballverbands inzwischen zur restlosen Aufklärung auf. »Es kann in dieser Situation nur einen Weg geben«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. »Und der Weg heißt Aufklärung und zwar bis auf den Grund der Vorwürfe.« Und dann müssten die entsprechenden rechtlichen Konsequenzen gezogen werden.»Dabei sollten die Verbände die ermittelnden Justizbehörden aus der Schweiz und aus den USA rückhaltlos, bestmöglich unterstützen«, forderte Seibert. Das sei im eigenen Interesse. »Und im Interesse des Fußballs, der sehr vielen Menschen sehr viel bedeutet.« Agenturen/nd

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