Linker Leitantrag: Nicht regieren ist kein Selbstzweck

Linke diskutieren über Grundeinkommen / Ramelow: »Es ist nicht egal, ob ein Linker regiert« / Kipping: Linke muss wieder »um die Zukunft« kämpfen / Wagenknecht: Linke hat zum Regieren derzeit keine Partner

  • Aert van Riel und Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 28 Min.
Die ganze Welt schaut auf Elmau. Aber in Bielefeld will sich Gregor Gysi zu seiner Zukunft äußern. Da können die G7 nicht mithalten. Der Newsblog vom Parteitag

Update 20.15 Uhr: Die Grundeinkommensdebatte ist erst einmal beendet. Ein gemeinsamer Antrag, der von der Bundearbeitsgemeinschaft Grundeinkommen und der Sozialistischen Linken kann aber zunächst nicht zur Abstimmung kommen – einigen Delegierten liegt das Papier noch nicht vor. Die Pointe: Ursprünglich war vereinbart, keine Anträge zum Grundeinkommen zu stellen, sondern nur darüber zu diskutieren. Dann gab es aber doch einen Antrag, der wiederum einen weiteren nach sich zog. Bis man sich dann auf eine gemeinsame Vorlage verständigte.

Update 19.40 Uhr: Wer die Rede von Katja Kipping nochmal nachlesen will – hier findet man »Kämpfe um Zukunft« mit Antworten auf die Frage: »Wie soll sie aussehen - die Zukunft? Was erwarten wir von ihr?«

Update 19.25 Uhr: Wir hören gerade, die Rede von Bernd Riexinger wird auf morgen verschoben - auf 10:30 Uhr. Der Parteitag soll heute bis 23 Uhr gehen.

Update 18.40 Uhr: Jetzt läuft übrigens die Debatte über das BGE. Die Frage, ob es sinnvoll ist, ein Bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen, führt in der LINKEN schon seit Langem zu Kontroversen. Aert van Riel hat hier schon einmal den Debattenstand zusammengefasst.

Update 17.30 Uhr: Die Linkspartei geht mit einem Signal für einen linken Politikwechsel in die kommenden Wahlkämpfe. Die Delegierten des Bundesparteitags in Bielefeld stimmten am Samstagnachmittag mit großer Mehrheit für einen entsprechenden Leitantrag unter der Überschrift »Für Solidarität, Frieden und Gerechtigkeit«. Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn, der das Papier im Namen der Linken-Spitze eingebracht hatte, sprach von einem »klaren Zeichen« für einen Politikwechsel in Berlin, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Dort will die Linkspartei 2016 »die schwarz-roten Koalitionen ablösen. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wollen wir in die Landtage einziehen, um dort endlich auch in den Parlamenten Druck von links zu machen«. Höhn sprach von wichtigen Schritten »auf dem Weg, Merkels Politik spätestens 2017 zu beenden«.

Vorausgegangen war eine Debatte über zahlreiche Änderungsanträge. Initiativen vom als links bezeichneten Flügel der Linkspartei, sich schärfer von SPD und Grünen abzusetzen, wurden größtenteils abgewiesen. Der Leitantrag hält sich mit Kritik vor allem an den Sozialdemokraten allerdings auch nicht zurück. Die SPD verfolge etwa mit der Politik der »schwarzen Null« einen Kurs, bei dem sie »ihre klassische Klientel einmal mehr im Stich« und entferne sich »immer weiter von sozialdemokratischen Werten«. Auch habe die Partei unter Sigmar Gabriel Wahlversprechen wie die stärkere Besteuerung von Vermögenden ignoriert. »Immer mehr Menschen fragen sich, wofür die Sozialdemokratie noch gebraucht wird, wenn sie keine sozialen Alternativen zur neoliberalen Politik formuliert«, heißt es in dem Papier.

Die Linke will durch Erfolge bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr auch ihren Einfluss auf die Bundespolitik erhöhen. Wenn es 2016 in weiteren ostdeutschen Ländern gelinge, die CDU aus der Regierung zu drängen, könne der Bundesrat eine »Vetomacht« gegen den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erhalten, heißt es im Leitantrag. Mit einer Regierungsbeteiligung in den Ländern gewänne die Linke Spielraum »für eine Politik gegen die große Koalition«. Die Linke strebt für das kommende Jahr eine erneute Regierungsbeteiligung in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern an. In Sachsen-Anhalt hofft sie, mit Spitzenkandidat Wulf Gallert nach Bodo Ramelow in Thüringen einen zweiten Ministerpräsidenten zu stellen. »Die Wahlen 2016 können die politischen Kräfteverhältnisse nachhaltig verändern«, heiß es in dem Leitantrag. Damit würden auch die Grundlagen für die Bundestagswahl 2017 gelegt. »Die Linke ist die Alternative zur großen Koalition«, heißt es weiter.

In der Debatte hatten sich zuvor die Linken-Vorsitzende Katja Kipping erklärt, »ja, wir wollen die Machtfrage stellen. Aber wir wollen sie wirklich stellen. Und das heißt, wir wollen sie anhand von inhaltlichen Kriterien stellen.« Linksfraktionsvize Sahra Wagenknecht sagte mit Blick auf Gabriel, es falle »wirklich schwer«, in diesem einen Partner für einen Politikwechsel zu sehen. Es sei zwar richtig, aus einer Regierung heraus mehr verändern zu wollen, aber nur wenn man dazu auch Partner hätte. »Das wenn ist entscheidend«, so die Fraktionsvize – mit den Sozialdemokraten könne die Linken derzeit nicht koalieren.

Ihr Parlamentskollege Dietmar Bartsch sagte, die Linke habe »allen Grund selbstbewusst in die nächsten Wahlen zu gehen«. Er verwies dazu auf die Erfolge der rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen. Deren Ministerpräsident Bodo Ramelow machte klar, dass »Regieren kein Selbstzweck« sei, schloss dem aber an: »Nicht regieren sollte auch kein Selbstzweck sein.« Mit Blick auf die ersten Monate im Amt und die Änderungen etwa in der Flüchtlingspolitik, bei der Energiewende und der Rückgewinnung des Öffentlichen erklärte Ramelow, »es ist nicht egl, ob ein Linker regiert.«

Auch Höhn hatte bereits zum Auftakt der Beratungen über den Leitantrag für mehr Selbstbewusstsein plädiert. »Ich möchte, dass wir lauter über unsere Erfolge in den Gemeinden und Städten reden.« Er forderte die Partei zugleich auf, die Bedürfnisse und Interessen der Wähler nicht aus den Augen zu verlieren. »Die Menschen müssen verstehen können worum es uns geht. Unsere Konzepte müssen umsetzbar sein«, sagte Höhn. Die Linkspartei wolle »Reichtum umverteilen und in die Zukunft investieren. Wir lehnen TTIP ab und wollen Bürgerrechte ausbauen«, so Höhn: »Das gibt es alles nur ohne Angela Merkel.«

Update 16.45 Uhr: Was melden die Kollegen? Die AFP beginnt so: »Die Linke baut gut zwei Jahre vor der Bundestagswahl Hürden für ein rot-rot-grünes Bündnis auf. Parteichefin Katja Kipping sagte am Samstag auf dem Bielefelder Parteitag, es werde kein Ja zu Kriegseinsätzen oder Sozialkürzungen geben. Fraktionsvize Sahra Wagenknecht sagte, sie könne sich SPD-Chef Sigmar Gabriel nur schwer als Partner vorstellen.«

Die dpa schreibt unter der Überschrift »Kipping will linkes Programm«: In der Debatte über Rot-Rot-Grün auf Bundesebene nach 2017 hat die Linke-Vorsitzende Katja Kipping ihre Partei vor übertriebener Kompromissbereitschaft gewarnt. Zum Auftakt eines Bundesparteitags in Bielefeld setzte sie sich am Samstag mit der Forderung nach einem konsequent linken Programm ein Stück weit von Fraktionschef Gregor Gysi ab. Dieser will sich am Sonntag zu seiner politischen Zukunft äußern. Gysi hatte die Linke aufgefordert, für ihre Regierungsfähigkeit zu Zugeständnissen an SPD und Grüne bereit zu sein. Kipping mahnte vom Parteitag ein klares Nein zu allen Kriegseinsätzen der Bundeswehr sowie zu weiteren Sozialkürzungen an. In ihrer Partei neigten einige dazu, die Frage einer rot-rot-grünen Koalition »recht schnell mit Ja oder Nein zu beantworten«. Sie fügte hinzu: »Ja, wir wollen die Machtfrage stellen. Aber wir wollen sie wirklich stellen. Und das heißt, wir wollen sie anhand von inhaltlichen Kriterien stellen.«

Update 16.15 Uhr: Linksfraktionschef Gregor Gysi hat sich nach eigenen Worten inzwischen entschieden, was seine politische Zukunft angeht. »Ich glaube, dass ich eine vernünftige Entscheidung getroffen habe und dass die Partei damit auch gut leben kann«, sagte er dem RBB-Inforadio. »Ich bin ja auf jeden Fall da, so oder so.« Für den Fall, dass er abtritt, gelten seine Stellvertreter Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch als mögliche künftige Doppelspitze der Fraktion.

Update 16.10 Uhr: Gerade ist ein Antrag abgestimmt worden, der geeignet ist, so etwas wie die Kultur einer grundlegenden Differenz zu illustrieren. Es ging um eine Passage zu Griechenland aus dem Leitantrag, in dem es heißt: »Ob es zu einem wirklichen Politikwechsel in Griechenland und darüber hinaus kommt, hängt von allen linken Kräften in Europa ab - auch von grünen und sozialdemokratischen in Deutschland.« Ein Änderungsantrag begehrte nun, die letzten Worte zu streichen. Zwei Gründe wurden geltend gemacht: Grüne und Sozialdemokraten könnten nicht als linke Kräfte gelten. Zudem habe es viel Kritik an der bisherigen Politik der beiden Parteien gegeben. Bleibt die Frage, ob das der Formulierung des Antrags überhaupt gerecht wird: Diese ließe sich ja auch so verstehen, dass es von mehr Kräften als der Linkspartei abhängt, ob es zu einem Politikwechsel kommt. Das erscheint plausibel, wenn man nicht davon ausgeht, dass die Linkspartei alsbald die Mehrheit alleine erreicht. Hinzu kommt: Es wird ja nicht behauptet, dass SPD und Grünen in deren gegenwärtigen Verfassungen zu einem Politikwechsel beitragen. Der Änderungsantrag wird aber wohl nicht im Sinne strenger Textexegese verständlicher - sondern hier ging es eher um eine symbolische Distanzierungsgeste gegen SPD und Grüne, denen die Zugehörigkeit zum linken Lager abgesprochen werden soll. Der Änderungsantrag wurde klar abgelehnt.

Update 15.45 Uhr: Nun wird es, ähm sagen wir: detaillreich. Die Antragsberatung beginnt. Zu Beginn geht es um den Abschnitt »Europa - Hoffnung und Krise« im Leitantrag. Es liegen dazu neun Anträge vor, die in drei thematischen Blöcken behandelt werden. Zuvor hatte die Mandatsprüfungskommission über ihre Arbeit berichtet. Das klingt nicht sexy ist aber wichtig, weil ja alles ordentlich zugehen muss. Es sind am Nachmittag 496 Delegierte mit beschließender Stimme in der Bielefelder Stadthalle anwesend, das sind 87,2 Prozent. Der Frauenanteil der anwesenden Delegierten liegt bei 51,4 Prozent. Der älteste Delegierte ist Walter Gruber aus Niedersachsen mit 82 Jahren. Der jüngste Delegierte kommt aus Brandenburg: Till Scholler.

Update 15.25 Uhr: Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform lobt die Flüchtlingspolitik der Thüringer Landesregierung - um sogleich eine Äußerung von Bodo Ramelow in einem Interview zu kritisieren. Der Ministerpräsident hatte gesagt, er habe Hochachtung vor jedem, der sich als Pazifist bezeichne. »Aber das sehe ich nicht als Handlungskonzept für eine Nation wie Deutschland«. Dies wies Brombacher mit den Worten zurück: »Warum eigentlich nicht?« Frieden sei die »Frage aller Fragen«. Der Pazifismus sei »unveräußerlicher Bestandteil« des Programms der Linken. Auch die Europaabgeordnete Sabine LÖsing kam auf Ramelows Äußerungen zur Bundeswehr zu sprechen. Mit Blick auf Äußerungen Gregor Gysis, der die Linke zu mehr Regierungswillen aufgefordert hatte, sagte Brombacher: Es müsse gefragt werden, ob die Partei für Rot-Rot-Grün eine Außenpolitik mittragen wolle, die unter einer »Staatsräson« stehe, welche die Linke niemals akzeptieren könne. Übrigens: Ramelow selbst hatte zu dem Interview erklärt, wer aus seinen Äußerungen »ableitet, dass der Thüringer Ministerpräsident im Widerspruch zu seiner Partei, ihrem Programm oder ihrer Führung steht, der irrt«. Er sei »stolz, der Partei anzugehören, die bisher als einzige der Gewaltspirale und der Logik militärischer Interventionen widerstanden und jeden Kriegseinsatz der Bundeswehr abgelehnt hat«.

Update 15.15 Uhr: Wenn eine erste Zwischenbilanz der Generaldebatte zu ziehen wäre - sie kreist um das Thema Mitregieren, oder wenn man es skeptischer möchte: darum, warum zurzeit keine bundespolitische Bündnisoption realistisch ist. Die einen sprechen immer wieder die Außenpolitik an, zählen globale Kriege und Rüstungsexporte auf und unterstreichen die besondere Rolle der Linken als »die Friedenspartei«. Auch wird vor einer Aufweichung des diesbezüglichen Selbstverständnisses der Partei gewarnt. Etwa wie es Claudia Haydt formulierte: »Unsere historische Aufgabe ist es, zu sagen, wir sind die Friedenspartei - ohne Wenn und Aber.« Oder zum Beispiel Linksfraktionsvize Sahra Wagenknecht, die »überhaupt keinen Anlass« sieht, »darüber nachzudenken, ob es jetzt schlimme und weniger schlimme Kriegseinsätze geben könnte«. Sie wolle, dass wenigstens eine Partei im Bundestag sitze, die »den Mut hat, die Wahrheit« auszusprechen: »Das schlimmste Menschheitsverbrechen ist der Krieg.« Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Parteivorsitzende Tobias Pflüger, der unterstrich: »Wir sind die Anti-Kriegs-Partei inner- und außerhalb des Parlaments«. Er forderte, Bundeswehrsoldaten aus den NATO-Manövern in Osteuropa zurückzuziehen und bekräftigte die Forderung der Linken nach einer schrittweisen Abrüstung der Bundeswehr.

Andere blicken eher auf die bisherigen Erfolge der Landesregierung in Thüringen, verschweigen die Widersprüche und Schwierigkeiten nicht, wollen diese aber »politisieren«. Susanne Hennig-Wellsow etwa, die Landesvorsitzende in Thüringen sagt, »wir wollen Realpolitik und Utopie im Regierungshandeln miteinander vereinbaren. Unser Wahlerfolg bildet keine gesellschaftliche linke Mehrheit ab. Trotzdem können wir linke Politikakzente setzen.« Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch forderte die Delegierten auf, stolz auf die Erfolge der Thüringer Linken und von Bodo Ramelow zu sein. Daraus sei Rückenwind für die Landtagswahlen in Hamburg und Bremen entstanden, bei denen die Linke gut abgeschnitten habe. »Wir haben allen Grund selbstbewusst in die nächsten Wahlen zu gehen«, so Bartsch. Er plädierte zugleich dafür, das Schubladendenken in der Partei aufzugeben. »Wir sind erfolgreich, wenn wir zusammenstehen. Die Erfolge unserer Partei sind doch die Erfolge aller Flügel«, so der Linkenpolitiker. Die Politik der Linken brauche »ganz viel roten Pfeffer«. Es sei aber auch richtig, dass der eine »anders würzt« als der andere.

Update 14.30 Uhr: Brandheiß und fast exklusiv leaken wir dann mal was: die Rednerliste in der Debatte über den Leitantrag. Nach Sahra Wagenknecht und Tobias Pflüger kommen Susanne Hennig-Wellsow, Dietmar Bartsch, Christiane Reymann, Marco Radojevic, Katina Schubert, Diether Dehm, Claudia Hardt, Gotthilf Lorch, Ellen Brombacher, Carsten Schulz, Sabine Lösing, Michael Koschitzki, Luise Neuhaus-Wartenberg, Niema Movassat, Ingrid Jost, Thiemo Kirmse, Kucy Redler, Sebastian Scheel. Das ist die Liste bis zum Platz 20. Die Liste geht noch weiter bis Nummer 53.

Update 14.25 Uhr: Sahra Wagenknecht ist nach Ramelow die nächste Rednerin. Ihr Schwerpunkt zu Beginn: die Außen- und Friedenspolitik. Für die Linkspartei macht sie gleich einmal eine Ansage: Es gebe »in meinen Augen überhaupt keinen Anlass, darüber nachzudenken, ob es jetzt schlimme und weniger schlimme Kriegseinsätze geben könnte«. Sie wolle, dass wenigstens eine Partei im Bundestag sitze, die »den Mut hat, die Wahrheit« auszusprechen: »Das schlimmste Menschheitsverbrechen ist der Krieg.« Zu SPD-Chef Sigmar Gabriel sagt Wagenknecht, es falle »wirklich schwer«, in diesem einen Partner für einen Politikwechsel zu sehen. Es sei zwar richtig, aus einer Regierung heraus mehr verändern zu wollen, aber nur wenn man dazu auch Partner hätte. »Das wenn ist entscheidend«, so die Fraktionsvize – mit den Sozialdemokraten könne die Linken derzeit nicht koalieren. Wagenknecht bekommt viel Beifall, vielleicht sogar ein bisschen mehr als Ramelow, der den Delegierten zuvor auch gefallen hatte.

Update 14.15 Uhr: Linksfraktionschef Gregor Gysi hat den verstorbenen Winnetou-Darsteller Pierre Brice als »Idol von ganzen Kinder- und Elterngenerationen« gewürdigt. »Pierre Brice verkörperte einen richtig guten und klugen Indianer. Es gab in seinen Filmen viele andere gute Indianer, nur ganz wenig böse Indianer, viele böse weiße Schurken, aber auch einige gute Weiße. All das widersprach dem damaligen offiziellen Bild aus den USA«, sagte Gysi am Samstag am Rande des Linke-Parteitags in Bielefeld der Deutschen Presse-Agentur dpa. Gysi erinnerte sich auch an seine persönliche Begegnungen mit Pierre Brice. »Als ich ihm das erste Mal in einer Talkshow begegnete, stellte ich fest, dass er selbst bescheiden und nett war. Sein Tod tut weh.« Der französische Schauspieler war am Samstag im Alter von 86 Jahren gestorben.

Update 14.05 Uhr: Jetzt die »Thüringer Minuten«: sein Staatskanzleichef Benjamin Hoff ruft Ministerpräsident Bodo Ramelow an Mikro. Der sagt ganz zu Beginn: »Regieren ist kein Selbstzweck.« Ein einzelner Delegierter reagiert mit einem »Ha, ha«. Ramelow zuckt die Schultern - und sagt: »Nicht regieren sollte auch kein Selbstzweck sein.« Dann bilanziert der Linkenpolitiker die ersten Monate der rot-rot-grünen Landesregierung, über Flüchtlingspolitik, Energiewende und Rückgewinnung des Öffentlichen. »Es ist nicht egl, ob ein Linker regiert.«

Update 14 Uhr: Der Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn bringt jetzt den Leitantrag ein - es geht um die Herausforderungen der nächsten beiden Jahre bis zur Bundestagswahl 2017. »Ich möchte, dass wir lauter über unsere Erfolge in den Gemeinden und Städten reden«, so Höhn. Und weiter: »Die Menschen müssen verstehen können worum es uns geht. Unsere Konzepte müssen umsetzbar sein.«​ Die Linke wolle »Reichtum umverteilen und in die Zukunft investieren. Wir lehnen TTIP ab und wollen Bürgerrechte ausbauen«, sagt Höhn. »Das gibt es alles nur ohne Angela Merkel.«

Höhn wünscht sich, dass die Linke nach außen ein Bild abgibt, das erzählt: da wird gestritten, da geht es um Themen, aber da respektieren sich die Menschen auch - Differenzen dürften nicht über Unvereinbarkeitsbeschlüsse ausgetragen werden. Ein entsprechender Antrag, der die Mitgliedschaft des Außenpolitikers in der »Atlantikbrücke« zum Anlass für solche Unvereinbarkeitserklärungen hatte, war auf breite Empörung in der Linken gestoßen, soll aber inzwischen wieder zurückgezogen worden sein.

Update 13.25 Uhr: So eine Parteitagsrede muss man sich als einen Stoffbeutel vorstellen, der bis zum Bersten gefüllt ist: von SYRIZA bis TTIP, von den Landtagswahlen bis zum Flüchtlingselend, von der Friedenspolitik bis zur G7, von Merkels Politik bis zum Sozialismus 2.0 – Katja Kipping fährt in großem Bogen durch ziemlich viele politische Themen.

Update 13.20 Uhr: Kipping erklärt das Verhalten von SPD und Grünen zum umstrittenen Freihandelsabkommen zum Knackpunkt möglicher Gemeinsamkeiten: Wer beim TTIP einknickt, von dem sei sozial- und europapolitisch auch bei anderen themen nichts Gutes zu erwarten. »Wir können TTIP, wenn es als gemischtes Verfahren anerkannt wird, im Bundesrat stoppen«, so Kipping. Dabei nehme man SPD und Grüne »in die Pflicht«. Ihr Handeln im Bundesrat sei ein »wichtiger Lackmustest, ob von ihnen irgendwas zu erwarten ist«.

Update 13.10 Uhr: Kipping hat in ihrer Rede die Friedenspolitik als Alleinstellungsmerkmal der Linkspartei hervorgehoben. »Wir sind die einzige im Bundestag vertretene Partei, die verlässlich Nein zum Krieg sagt«, so Kipping. Weil die Linke »eine Verantwortung für den Antimilitarismus« habe, kritisiere sie »alle Kräfte, die auf militärische Lösungen setzen«. Man sage »verlässlich und konsequent Nein zu Militär und Krieg. Hier lassen wir keine Zweideutigkeiten zu.« Darauf reagierte umgehend ihr Co-Chef Bernd Riexinger auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: Er sei »völlig deiner Meinung«, erklärte er in Richtung Kipping. »Militarisierung und Krieg sind mit uns nicht zu machen. Da gibt es keine Aufweichung.«

Update 12.55 Uhr: Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping beginnt ihre Rede - mit der Zukunft. Was diese bringe und was in ihr möglich sei, darüber werde zu wenig gesprochen, weil viele Angst vor Mietsteigerungen, vor Burnout oder drohender Altersarmut hätten. Das sei nur für die »oberen Zehntausend« kein Problem, sie würden ihre »Machtposition« sogar noch ausbauen. Kritik übt Kipping an Angela Merkel, deren Politik die Passivierung der Vielen zum Prinzip erhoben und die Interessen der Wenigen zu ihrem Programm gemacht habe. Deshalb, so die Linkenchefin: »Wir müssen die Kämpfe um die Zukunft wieder aufnehmen« - »für ein besseres Leben für alle auf dem Planeten.« Kipping plädiert zudem dafür, wiede roffensiver für einen demokratischen Sozialismus zu werben – für den »Sozialismus 2.0«. Weder der untergegangene Staatssozialismus noch der der westdeutsche Sozialstaat der 70er seien eine für die Linke erstrebenswerte Blaupause. »Der Sozialismus, den wir meinen, muss demokratisch, feministisch, ökologisch und lustvoll sein.« Und weiter: »Allein wenn wir die Klimakatastrophe beenden wollen, brauchen wir einen linken Neuanlauf: Sozialismus 2.0.«

Update 12.50 Uhr: Der SPD-Oberbürgermeister von Bielefeld hält eine freundliche Rede, wir erfahren: Seine Lieblingsfarbe ist Rot - und er findet es gut, dass das Rednerpult bei der Linkspartei weiter links steht als beim Landesparteitag der Grünen vor einer Woche in eben dieser Stadthalle. Übrigens, auch das erzählt Clausen: In Bielefeld werden jährlich 120 Millionen Kondome hergestellt.

Update 12.40 Uhr: Die Rede bleibt auf ihrem Platz, Gregor Gysi spricht am Sonntag um 13 Uhr. 169 Delegierten haben für die Verlegung gestimmt, 241 aber dagegen. Es gab 35 Enthaltungen.

Update 12.35 Uhr: Jetzt wird von der Bundestagsabgeordneten Inge Höger das Begehr eingebracht, die Rede von Fraktionschef Gysi vorzuziehen. Die Begründung: Gysi habe sich via Medien gegen die »roten Haltelinien« ausgesprochen, dies müsse auch in der Generaldebatte eine Rolle spielen. Matthias Höhn spricht sich dagegen aus, auch die Linken-Vorsitzende geht ans Mikro und bittet um Ablehnung des Antrags, Gysis Rede vorzuziehen: »wir haben uns was dabei gedacht«. Die Abstimmung ergibt, so sieht es Höhn, eine klare Mehrheit gegen die Verlegung der Gysi-Rede. Doch es wird nach Auszählung gerufen. Auf den Medienrängen hatte mancher heimlich gehofft – weil eine Gysi-Rede am Samstag angesichts von Redaktionsschlüssen besser sei als eine am Sonntagnachmittag.

Update 12.25 Uhr: Die Antikapitalistische Linke beantragt, dass mindestens eine Stunde zusätzlich zur vorliegenden Tagesordnung über die zunehmende Gewalt von Rechts zu debattieren - den Antrag bringt Lucy Redler ein. Die Linke müsse über ihre Antworten gegen Rechtsradikale diskutieren. Matthias Höhn erklärt, was Vorstand und Tagungspräsidium dazu denken: Das Thema sei sehr wichtig, im Leitantrag gebe es dazu eine ausführliche Passage - und man könne sich daher auch während der Generaldebatte ausführlich dazu verständigen. Aus den Reihen von Linksjugend solid wird noch einmal für die zusätzliche Debattenstunde geworben. Dann die erste Abstimmung dieses Parteitags: eine klare Mehrheit dagegen. Auch ein Antrag zu einer eigenen Diskussionsschiene über das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP wird mehrheitlich abgelehnt.

Update 12.20 Uhr: Wenn jemand anderes als der Matthias Höhn diese Formalia vorlesen würde – wäre sie dann immer noch so gut zu ertragen? Naja, was gemacht werden muss, muss gemacht werden. Zum Beispiel das Delegiertenzählen: Bis 11:50 Uhr haben sich 452 von 570 Delegierten angemeldet. Das sind 79,4 Prozent. Damit ist der Parteitag beschlussfähig.

Update 12.15 Uhr: Die NRW-Landessprecherin Özlem Alev Demirel bekundet zunächst ihr Mitgefühl für die Opfer des Anschlags auf die HDP-Wahlveranstaltung vom Freitag. Grüße werden auch an die Zehntausenden gesandt, die gegen den G7-Gipfel protestieren.

Update 12.10 Uhr: Matthias Höhn – »ich bin im Nebenberuf Bundesgeschäftsführer« – muss erst einmal eine ziemlich lange Begrüßungsliste abarbeiten – der Oberbürgermeister von Bielefeld ist dabei, Vertreter des diplomatischen Corps, Hans-Jürgen Urban von der IG Metall und so weiter. Den größten Applaus, man darf eigentlich schon von Jubel sprechen, erhält der Gewerkschaftsvorsitzende der GDL, Claus Weselsky. Praktisch keinen Beifall bekommen die Medienvertreter. Matthias Höhn freut sich natürlich trotzdem »wie immer« auf die Berichterstattung.

Update 11.55 Uhr: Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn bitten zum Tanz, äh: die Delegierten auf ihre Plätze. Vor der Bühne steht Fraktionsvize Sahra Wagenknecht umringt von ein paar Kameras.

Update 11.25 Uhr: Was kommentieren eigentlich die Kolleginnen und Kollegen so vorab? Die »Mittelbayerische Zeitung« meint, »bei den Linken wird es auf dem anstehenden Parteitag in Bielefeld vermutlich nicht so heftig krachen, wie noch vor drei Jahren in Göttingen«. Allerdings drückte »Fraktionschef Gregor Gysi im Vorfeld des Kongresses die Erwartungshaltung kräftig nach oben. Er wolle sich zu seiner politischen Zukunft erklären, raunt er. Allein mit dieser Ankündigung reißt Gysi jedoch die Gräben zwischen den Parteiflügeln, die nun um Macht, zumindest in der Bundestagsfraktion, streben, wieder auf. Dieser Konflikt war auch nur auf Eis gelegt, nicht jedoch entschieden worden. Solange Gysi die Ein-Mann-Show der Linken gab, wusste man wenigstens halbwegs, woran man ist.«

In der »Mitteldeutschen Zeitung« heißt es über den Fraktionschef: »Natürlich: Gysi ist auf dem Zenit. Wenn man ihn jetzt erlebt, denkt man, er könnte noch locker zwei Jahre Fraktionsvorsitz dranhängen. Oder vier. Doch möglicherweise ist er nicht so gesund wie er wirkt. Und politisch gibt es jedenfalls keinen Grund, weiter zu machen. Gysi selbst ginge das Risiko ein, früher oder später würdelos von der geliebten Bühne gestoßen zu werden. Die Linke könnte einen geordneten Übergang verpassen. Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch sind reif. Gefahrlos ist das alles freilich nicht. Wagenknecht muss jetzt zeigen, dass sie auch noch etwas anderes beherrscht als Ideologie. Fraktionsvorsitz - das bedeutet Verantwortung. Bartsch muss inhaltlich substanzieller werden. Ach ja, und dann müssen die zwei auch noch Frieden halten. Einer von beiden sagte kürzlich: ›Es gibt da ein dünnes Eis, auf dem man stehen kann.‹ Dünn reicht nicht.«

Update 11.10 Uhr: Parteitagswünsche sind mitunter auf herzerweichende Weise komisch: Man möge, steht im Bielefelder Antragsheft drei, im Leitantrag an mehreren Stellen die »Kompetenz« streichen. Begründung: Entweder sei man kompetent, dann müsse man das nicht extra sagen. Oder man ist es nicht, dann wäre es eine Lüge. Es liegt noch eine andere Wahrheit darin, diesen Begriff zum Thema eines Änderungsantrages zu machen. Kompetent bedeutet zugleich sachverständig oder befähigt wie auch zuständig und befugt - es sind dies zwei Dimensionen linker Politik. : Ob und in welcher Weise die LINKE die Verhältnisse ändern kann, hängt erstens davon ab, ob sie die besseren Alternativen überzeugend darlegen kann, und zweitens, ob sie dazu die Gestaltungsmittel in die Hand bekommt. Unter parlamentarisch-demokratischen Bedingungen heißt das zum Beispiel: Mehrheiten erringen, Koalitionen schmieden. In der LINKEN ist Letzteres nicht unumstritten. Auch in Bielefeld wird darüber diskutiert. Mehr dazu gibt es hier.

Update 10.50 Uhr: So, Aert van Riel und Tom Strohschneider sitzen, ähm: nein, nicht bequem, aber wir sitzen. Die Bielefelder Stadthalle ist noch ziemlich leer. Kolleginnen und Kollegen suchen, das ist ein bisschen Tradition auf den Presserängen, das WLan. Derweil wird darüber gerätselt, ob es dieselbe Halle ist, in der Joschka Fischer 1999 den berühmt-berüchtigten Farbbeutel abbekam. (Es war übrigens nicht dieselbe Halle. Danke, Matthias Höhn)

Update 6.25 Uhr: Linksfraktionsvize Sahra Wagenknecht hat sich im »Spiegel« gegen eine Zusammenarbeit mit der SPD unter ihrer gegenwärtigen Führung ausgesprochen. Sie »habe überhaupt nichts gegen Regieren, wenn es mit einer Politik verbunden wäre, die erstmals seit Langem die Ungleichheit in Deutschland wieder reduziert statt vergrößert«, sagte sie dem Magazin. »Aber ich sehe nicht, welche Partner wir dafür haben.« Solange die SPD »für prekäre Jobs, Einschränkungen des Streikrechts und Kriegseinsätze im Ausland« stehe, »können wir mit ihr nicht regieren. Eine Koalition kann es erst geben, wenn die Linke so stark ist, dass in der SPD ein Umdenken einsetzt.« Mit Blick auf Parteichef Sigmar Gabriel sagte sie, dieser »habe doch von der Vermögensteuer über TTIP bis zur Vorratsdatenspeicherung alles abgeräumt, wodurch sich die SPD einmal von der CDU unterschieden hat«. Eine Koalition mit den Sozialdemokraten auf Bundesebene sei erst denkbar, wenn »da wieder Leute an die Spitze kommen, die sich nicht damit abfinden wollen, dass ihre Partei auf jeden politischen Gestaltungsanspruch verzichtet«. Der Thüringer Staatskanzleichef Benjamin Hoff sagte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, es sei »weltfremd zu suggerieren«, die Voraussetzung einer Mitte-Linksregierung sei, dass die SPD einen »Ideologietest« der Linken bestehen müsse. Die Basis von Rot-Rot-Grün wären der »Wille zur Kooperation« und die »reale Umsetzung« einer »Linksreformismus-Agenda«, nicht jedoch das Handeln der SPD in der Großen Koalition von heute.

Update 6.15 Uhr: SPD-Vize Ralf Stegner hat vor dem Parteitag der Linken in Bielefeld für einen Verbleib Gregor Gysis an der Spitze der Linksfraktion im Bundestag geworben: »Der Parteitag der Linken wird ein Gradmesser sein, ob die Partei überhaupt bereit ist, Verantwortung zu übernehmen«, sagte Stegner der Zeitung »Welt«. »Da hängt viel von Gregor Gysi ab.« Dieser gehöre »zu den Vernünftigen« in der Linkspartei und genieße ein besonderes Ansehen auch außerhalb seiner Partei, sagte der SPD-Politiker. Gysi stehe für »Regierungswilligkeit - ohne ihn wäre ein rot-rot-grünes Bündnis noch viel schwerer anzugehen.« Auch könnte Gysi laut Stegner eine wichtige Rolle spielen, »die Desperados in seiner Partei im Zaum zu halten. Er könnte die Partei am ehesten auf einen vernünftigen Weg führen«. Mit Blick auf Sahra Wagenknecht als eine mögliche Nachfolgerin sagte Stegner, die bisherige Linksfraktionsvize »wäre ein Garant dafür, dass die Linke niemals Regierungsverantwortung übernimmt. Ich kenne von ihr keine Konzepte, die auf eine Regierungsfähigkeit hindeuten.«

Update 6 Uhr: Linksfraktionschef Gregor Gysi hat die Abschaffung der G7-Gipfel gefordert. »Auf solche Gipfel - auch noch ohne Länder wie Russland, China, Indien, Brasilien und Südafrika - kann man verzichten«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Gipfeltreffen sieben großer Industrienationen hätten etwas Anmaßendes. »Sieben Staats- und Regierungschefs meinen, die Weltpolitik alleine bestimmen zu können.« Es gebe aber 193 Mitglieder der Vereinten Nationen. Weiter sagte Gysi der dpa, ohne China über Klimaschutz zu reden mache ebenso wenig Sinn, wie ohne den russischen Präsidenten Wladimir Putin über die Ukraine-Krise zu sprechen. »Was soll das Ganze?«, fragte Gysi. »Wenn Sie sich die Themen anschauen, wird da nicht viel herauskommen.«

Die ganze Welt schaut auf Elmau

Guten Morgen. Wir sind noch nicht in Bielfeld. Aber für die Frühaufsteher schon einmal eine kleine Einstimmung:

Während sich die G7 vor dem Wochenende bemühten, ihren bevorstehenden Gipfel zum Topthema zu machen, sorgte G1 für das größere Interesse: Was wird Gregor Gysi auf dem Parteitag der LINKEN in Bielefeld verkünden? Der Linksfraktionschef hatte in zahlreichen Interviews Andeutungen über seine politische Zukunft mit dem Hinweis verknüpft, er werde zuallererst seine Partei davon in Kenntnis setzen.

So blieb die Spannung erhalten. Gysis Vize Dietmar Bartsch meinte, eine Entscheidung sei schon gefallen. Jan Korte, ebenfalls Stellvertreter, war zuvor mit den Worten zitiert worden, er »glaube, es ist noch offen«. Gysis Stellvertreterin Sarah Wagenknecht lehnte es gestern ab, die Öffentlichkeit mit »Personalspekulationen zu unterhalten«.

Wagenknecht und Bartsch gelten als Favoriten Gysis für eine mögliche Nachfolge. Wagenknecht hatte zwar vor einigen Monaten angekündigt, nicht zur Verfügung zu stehen. Sie sagte nun aber, es solle erst mal abgewartet werden, »was Gregor Gysi am Sonntag sagen wird«. Bartsch sagte mit Blick auf Wagenknecht, »wir arbeiten seit Beginn der Legislatur gut zusammen«. Linksparteichef Bernd Riexinger hatte zuvor erklärt, der Vorstand der Partei habe Gysi gebeten, im Herbst erneut für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren. Es seien aber auch »Nachfolge-Lösungen diskutiert« worden, die man »zeitnah präsentieren« werde, sagte Riexinger gegenüber der »Welt«.

In Bielefeld will die Linkspartei aber auch noch über Inhalte und Stra- tegie diskutieren – und sich als »die Alternative zur Großen Koalition« präsentieren. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem eine Kampagne gegen prekäres Leben, eine Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen sowie die Kommunalpolitik.

Zuschauen, zuhören, mitlesen

Einen Livestream vom Parteitag wird es hier geben. Der Hashtag für alle Kommentare, Links und Hinweise im Kurznachrichtendienst Twitter lautet #LinkeBPT. Die Linkspartei hat ihre Infos zum Delegiertentreffen auf dieser Website gebündelt.

Gibt's doch gar nicht: Das nd-Dossier zum Bielefelder Parteitag mit Beiträgen und Kommentaren rund um die aktuellen Debatten der Linken gibt es hier.

Der Leitantrag des Vorstands trägt den Titel »Für eine starke LINKE - Für Solidarität und Frieden - Wahlerfolge 2016 organisieren«. Er findet sich im ersten Antragsheft zum Parteitag, einige Einschätzungen dazu finden sich hier. Ebenfalls im ersten Antragsheft kann der Entwurf für die »Kommunalpolitischen Leitlinien der Partei DIE LINKE« nachgelesen werden, eine Neufassung findet allerdings sich im zweiten Antragsheft. Das Thema steht oft im Schatten der »großen bundespolitischen Themen«, ist in der Linken aber immer wieder auch als Prunk- oder Herzstück der Partei bezeichnet worden. Die Kampagne »Das muss drin sein«, mit dem sich die Linkspartei gegen prekäre Arbeit und prekäres Leben wendet und »die Kräfteverhältnisse nach links« verschieben will, ist bereits vorgestellt worden – in Bielefeld sollen die Delegierten noch darüber abstimmen. Auch diese Initiative des Parteivorstandes findet sich im ersten Antragsheft.

Viele Änderungsanträge finden sich im inzwischen veröffentlichten dritten Antragsheft. Und für alle echten Nerds: die Abstimmungshefte – hier Nummer 1 und hier Nummer 2

Debatte ums Grundeinkommen

Auf dem Berliner Parteitag musste sie noch aus Zeitgründen verschoben werden – nun soll die Diskussion über verschiedene Modelle eines emanzipatorischen Grundeinkommens in Bielefeld geführt werden. Dazu liegen Stellungnahmen von der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen und von Ralf Krämer von der Strömung Sozialistische Linke, welche – in einem inzwischen ziemlich weiten Meer der Meinungen - die Pro- und Kontra-Positionen markieren. Die Strömung Sozialistische Linke hat dazu einen auch schon 2014 in Berlin vorliegenden Antrag unter der Überschrift »Gemeinsamkeiten betonen, Grundeinkommens-Diskussion kontrovers weiterführen« eingebracht. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen ihrerseits fordert, eine »Gemeinsame Haltung« zu entwickeln und zu kommunizieren. Das alles im zweiten Antragsheft.

Eine Einstimmung:

Unverkennbar
Die Linkspartei wartet auf eine Rede. Doch alle Fragen kann auch ein Gregor Gysi nicht beantworten. Die Selbstermächtigung der Vielen ist keine Sache der Prominentenlogik

Unbezahlbar
Einstiegsbeitrag für Mitglieder soll auf drei Euro steigen. Das finden viele ungerecht

Unbefriedbar
Debatten über Friedenspolitik gehören zur DNA von LINKE-Parteitagen - auch in Bielefeld ist das nicht anders

Unvereinbar
Kritik ja, Ausschließerei nein: Ein Antrag gegen die demokratische Kultur hat für Empörung gesorgt

Unregierbar
Rot-Rot-Grün gibt es in Thüringen. Und als Dauerthema linker Strategiedebatten

Von neuer Kuba-Solidarität bis Nolympia

Die Strömung Sozialistische Linke hat einen Antrag zur Besteuerung von Millionenvermögen eingereicht. Die AG Cuba Si plädiert für eine »neue Etappe der Kuba-Solidarität«. Mehrere Anträge, darunter der Bundesarbeitsgemeinschaft linke Bildungspolitik und des Forums demokratischer Sozialismus machen sich für die Rechte von Flüchtling stark. Initiativen kommen zudem unter anderem für ein Verbot von Fracking, für die Lohnsteuerfreiheit des Mindestlohns. Aus Rheinland-Pfalz stammt ein Antrag, die »Mordzentralen Ramstein und US-AFRICOM« zu schließen. Hamburger Delegierte sagen in ihrem Antrag »Nein zu olympischen Kommerzspielen«. Und die Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb & Gewerkschaft verlangt eine »Interessenvertretung für alle abhängig Beschäftigten« bei Abgeordneten und in Fraktionen der Linkspartei.

Zweite Erneuerung

Der linksreformerische Flügel der Linkspartei geht mit der Forderung nach einer »zweiten Erneuerung« in den bevorstehenden Parteitag in Bielefeld. Diese sei notwendig, damit die Linkspartei »wieder wachsen und an gesellschaftlichem Einfluss gewinnen« könne, heißt es in einem Antrag, der sich im zweiten Antragsheft findet. In weiteren Anträgen zum Parteitag in Bielefeld macht sich die Strömung dafür stark, die Linke als »Partei der Flüchtlingshelfer« zu positionieren und ihre linke Wirtschaftskompetenz zu stärken - dazu mehr hier.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal