»Grexit« keine Option für Griechen

Tsipras hofft auf Durchbruch bei Sondergipfel / Prüfausschuss: Die Schulden sind »illegal«

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.
Zu Griechenland werden sich die Finanzminister der Eurozone am Montag in Brüssel vor den EU-Spitzen treffen. Sie werden auch das Votum eines Athener Prüfungsausschusses zu werten haben.

Die Debatte zwischen den Gläubigerinstitutionen und der griechischen Regierung um einen Ausweg aus der griechischen Finanzkrise ist am Freitag weitergegangen, und sie hat sich zugespitzt. Offensichtlich wurde dabei, dass es beträchtliche Unterschiede zwischen den Euroländern über den weiteren Weg von Verhandlungen gibt. Der französische Präsident François Hollande rief dazu auf, auf dem für Montag einberufenen Sondergipfel »alles für einen Kompromiss« mit Athen zu tun. Dagegen wurde von Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling offene Kritik daran laut, dass EU-Ratspräsident Donald Tusk den Sondergipfel überhaupt angesetzt hat. Angesichts der von ihm unterstellten fehlenden Vorschläge Griechenlands sei dies »nicht sehr zielführend«.

Unabhängig davon hat Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras ein mögliches Ausscheiden seines Landes aus dem Euro als »Anfang vom Ende der Eurozone« bezeichnet. Der sogenannte Grexit könne »keine Option sein, weder für die Griechen noch für die Europäische Union«, sagte Tsipras dem Wiener »Kurier« vom Freitag. Ein Euroaustritt wäre ein »irreversibler Vorgang«. Es würde auch »das Scheitern der europäischen Idee bedeuten«.

Tsipras sagte weiter, dass die Debatte über den Grexit begonnen habe, als in Griechenland mit der Umsetzung der rigiden Sparprogramme begonnen worden sei. Diese von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) aufgezwungenen Sparprogramme könnten von der griechischen Bevölkerung nicht verkraftet werden. Auch habe es dadurch keine positiven Effekte für die Wirtschaft gegeben. »Das Gesamtkonzept sollte geändert werden«, forderte Tsipras.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den finanziellen Spielraum für die griechischen Banken unterdessen ausgedehnt. AFP meldete am Freitag unter Berufung auf Bankenkreise, die EZB erweitere den Rahmen für die sogenannten Notkredite. Die neue Höhe wurde aber nicht bekannt gegeben.

Wenig gefallen dürfte den Kritikern Athens das Gutachten, das die die griechische Parlamentspräsidentin Zoé Konstantopoulou im April in Auftrag gegeben hatte und dessen Ergebnisse sie nun öffentlich machte. Erstellt wurde es von einem Prüfausschuss. Diesem gehören internationale Experten an, zum Beispiel der Belgier Eric Toussaint, ein Spezialist zum Thema Staatsschulden und Globalisierung. Er und weitere Mitglieder des Ausschusses gehören auch dem Komitee für den Erlass der Schulden der Dritten Welt an.

Der Prüfausschuss bezeichnet die Forderungen von Griechenlands ausländischen Gläubigern als illegal. Diese hätten »das europäische und internationale Recht mit Füßen getreten ebenso wie die Menschenrechte«. Ihr Vorgehen sei »schändlich« gewesen, »denn die Gläubiger und die EU haben die möglichen Folgen gekannt«, hätten allerdings »die Augen vor den Verletzungen der Menschenrechte verschlossen«. Die eindeutige Schlussfolgerung der Experten lautet: »Griechenland muss diese Schulden nicht bezahlen.«

Toussaint zieht eine Parallele zwischen Griechenland und Ecuador. Dessen Auslandsverbindlichkeiten wurden 2007 zum wesentlichen Teil als sittenwidrig eingestuft und erlassen. Konstantopoulou will die Prüfungen fortsetzen lassen. Demnächst will sie die früheren Chefs von EZB und IWF, Jean-Claude Trichet und Dominique Strauss-Kahn aus Frankreich, um Stellungnahmen bitten.

Nach der Unterstützung, die Tsipras auf einer Großdemonstration am Mittwoch in Athen erfahren hatte, versammelten sich einen Tag später offensichtliche Gegner seiner Politik - laut AFP zwischen 6000 und 7000 - unter dem Motto »Wir bleiben in Europa« vor dem Parlamentsgebäude in Athen. Auf den Transparenten der Demonstranten standen Slogans wie »Griechenland - das sind nicht nur Rentner, sondern auch Unternehmen« oder »Nein zum Stalinismus in Griechenland«. Dimitris Alefandis, Eigentümer eines Bauunternehmens erklärte, er sei »zu 100 Prozent einverstanden« mit den Forderungen von EU und IWF an sein Land.

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