Streit auf Vorrat

Beim Kleinen Parteitag der SPD stimmen die Delegierten über die Datenspeicherung ab

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Der innerparteiliche Konflikt um die Vorratsdatenspeicherung zeigt die Unzufriedenheit in der SPD über die Große Koalition. Der sozialdemokratischen Führung steht ein schwieriger Konvent bevor.

Wenn besonders heftige Kontroversen drohen, bleiben die Sozialdemokraten oft unter sich. Wie üblich bei ihren Kleinen Parteitagen, auch Konvent genannt, werden die Genossen auch an diesem Samstag im Berliner Willy-Brandt-Haus unter Ausschluss der Öffentlichkeit debattieren. Im Anschluss tritt Parteichef Sigmar Gabriel vor die Medienvertreter. Beim Konvent geht es auch um seine politische Zukunft. Er und der Rest der SPD-Führung wollen den in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung gegen die parteiinternen Kritiker verteidigen. Die Parteispitze hat zu dem Thema einen Initiativantrag eingebracht, über den die bis zu 250 teilnehmenden Funktionäre abstimmen werden. Die Spitzengenossen sind zu keinem Kompromiss bereit. Begründete Einwände werden in dem Papier einfach verschwiegen. So wird behauptet, dass der Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas die Vorgaben aus den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshof gegen die Vorratsdatenspeicherung erfülle. Dabei hatte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags vor Kurzem auf verfassungsrechtliche Mängel in dem Entwurf hingewiesen und unter anderem den mangelnden Schutz der Berufsgeheimnisträger beklagt.

Die Kritiker in der SPD haben ebenfalls juristische Bedenken. Ihr Widerstand ist zudem Ausdruck einer Unzufriedenheit in Teilen der Partei mit der derzeitigen Situation. Vor allem Sozialdemokraten vom linken Flügel wollen eine stärkere Abgrenzung zur Union und sehen die Politik der Großen Koalition als zentrale Ursache für die stagnierenden Umfragewerte der SPD. Sie hatten einst Justizminister Maas gelobt, als er sich noch gegen die vom Innenressortchef Thomas de Maizière (CDU) geforderte Datenspeicherung gewehrt hatte. Doch Maas knickte bald ein, nachdem Gabriel ihn massiv unter Druck gesetzt hatte.

Die Führung der Jusos war von Anfang an gegen Schwarz-Rot. Sie lehnt auch die Vorratsdatenspeicherung ab, weil diese ein Eingriff in die Bürgerrechte sei. Tatsächlich droht mit dem Gesetz eine Massenüberwachung. Der Entwurf sieht vor, dass Telekommunikationsunternehmen die Telefon- und Internetverbindungsdaten aller Bürger zehn Wochen lang speichern. Dazu gehören die Rufnummern der beteiligten Anschlüsse, Zeitpunkt und Dauer der Anrufe sowie die IP-Adressen von Computern. Für die Standortdaten, die bei Handy-Gesprächen anfallen, ist eine verkürzte Speicherfrist von vier Wochen vorgesehen.

Einige SPD-Bundestagsabgeordnete teilen die kritische Einschätzung der Jusos. Außerdem sind mehr als 100 Parteigliederungen gegen die Vorratsdatenspeicherung. Weil das Abstimmungsergebnis kurz vor dem Konvent als offen galt, hatte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi gedroht, dass die Partei bei einer Ablehnung der Datenspeicherung nicht mehr regierungsfähig sei. Mit einer ähnlichen Begründung wurden Skeptiker in der Basis nach der Bundestagswahl überredet, für die Große Koalition zu votieren. Damals hieß es, dass die SPD sonst ihre Führung verlieren und nach Neuwahlen noch schlechter dastehen würde. Nun dürfte es der Parteiführung erneut gelingen, einige Abweichler mit dem Verweis auf eine angeblich drohende SPD-Krise einzuschüchtern.

Ein weiteres Konfliktthema beim Konvent sind die transatlantischen Abkommen TTIP, TISA und CETA. Hierzu liegen zahlreiche kritische Anträge der Parteibasis vor. Gabriel ist es allerdings gelungen, seine internen Kritiker etwas zu beruhigen. Für großen Unmut hatten die in den Freihandelsabkommen vorgesehenen Schiedsgerichte gesorgt, vor denen Konzerne Staaten verklagen können, wenn sie durch Regulierungen ihre Investitionen in Gefahr sehen. Gabriel versprach, sich stattdessen für einen europäisch-amerikanischen Handelsgerichtshof einzusetzen. Mit diesem Kompromiss sind viele Genossen zufrieden, obwohl auch dieser eine Paralleljustiz für Konzerne vorsieht. Weitergehende Forderungen nach einer Ablehnung von CETA und einem Stopp der TTIP- und TISA-Verhandlungen werden beim Konvent voraussichtlich keine Chance haben.

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