Ein Nein als Ja, ein Ja als Nein

Wie SYRIZA über »die Liste« aus Athen streitet

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass dies kein leichter Tag für SYRIZA werden würde, hatte sich am Freitagnachmittag bereits in der Fraktionssitzung abgezeichnet. Stathis Kouvelakis vom SYRIZA-Führungszirkels sprach von einem »dramatischen Treffen«. Thanassis Petrakos vom linken Flügel fand denn auch dramatische Worte: Die Linke habe nur eine Zukunft, wenn sie sich dem Unbekannten öffne, nicht dem Nichts. Gemeint war: Es sei besser, sich den Forderungen der Gläubiger zu verweigern und sich für einen Weg zu entscheiden, von dem niemand genau weiß, wohin er führt.

Petrakos war es auch, der in einer gemeinsamen Erklärung mit den Parteilinken Stathis Leoutsakos, Antonis Davanellos, Sophie Papadogiannis und Costas Lapavitsas gefordert hatte, »die Erpressung der Gläubiger« zurückzuweisen. Alexis Tsipras sah das anders: »Wir haben alle gemeinsam für ein sozial gerechteres Abkommen gekämpft. Jetzt müssen wir geschlossen weitermachen« - ein Satz, der auch als Plädoyer für Geschlossenheit verstanden wurde. Der Premier und Parteichef sprach zudem von einer »schwierigen Entscheidung«. Man habe beim Referendum ein Mandat erhalten, eine bessere Einigung mit den Gläubigern als zuletzt zu erzielen. Man habe aber kein Mandat bekommen, Griechenland aus der Eurozone zu führen.

Als die Parlamentsdebatte nach stundenlanger Verzögerung startete, räumte Tsipras ein, dass es sich bei »der Liste« der Vorschläge an die Gläubiger um »schwierige« Maßnahmen handele, die weit von den Wahlversprechen von SYRIZA entfernt seien. Dennoch seien sie »marginal besser« als die zuletzt von den Kreditgebern vorgelegten und mit einem Ultimatum an Athen verbundenen Maßnahmen, so Tsipras.

Bei der Abstimmung, die erst weit nach Mitternacht zu Ende ging, stimmten dann 145 Abgeordnete der Koalition aus SYRIZA und der nationalistischen ANEL für Tsipras’ Kurs. Für eine eigene Regierungsmehrheit, die liegt bei 151 Stimmen, reichte es also nicht. Es gab zwar nur zwei Gegenstimmen aus dem Lager, aber sieben weitere Koalitionsabgeordnete waren der Abstimmung ferngeblieben, acht enthielten sich.

Umweltminister Panagiotis Lafazanis, auch er ein Vertreter der Linken Plattform, enthielt sich Berichten zufolge. Er hatte zuvor erklärt: »Es besteht die Gefahr, dass das ›Nein‹ des Volkes im Referendum sich in ein demütigendes ›Ja‹ verwandelt«. Auch Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou stimmte nicht für die Pläne. 15 weitere Abgeordnete von SYRIZA votierten zwar mit Ja, erklärten aber, dass sie eigentlich gegen »die Liste« seien - jedoch die Regierung nicht gefährden wollten.

Auch Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis nahm nicht an der Debatte teil. Als Grund nannte er familiäre Verpflichtungen - was mancher als vorgeschoben betrachtete. Mit Blick auf den neue Finanzminister sagte der Vorgänger, Efklidis Tsakalotos »verdient Unterstützung von uns allen. Meine hat er in vollem Umfang«.

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