Der dritte Mann

Im Kino: »Am grünen Rand der Welt« adaptiert Thomas Hardy

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Stur ist sie und gedankenlos. Mutig, eigensinnig, unbekümmert. Ungestüm und unbeständig. Unbesonnen. Leichtsinnig bis zur Verantwortungslosigkeit. Aber auch bodenständig, mutig, beherzt, eine beinahe schon moderne Frau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die ihre Eigenständigkeit wahren möchte, nur um dann doch an einem Mann nach dem nächsten zu scheitern, bis es beim dritten (vielleicht) endlich klappt. Denn jung ist sie noch, eine unerfahrene Erbin, die ihren Weg erst finden, ihre Gefühle erst definieren, ihre Sexualität erst noch entdecken muss.

Bathsheba Everdene, Heldin von Thomas Hardys »Am grünen Rand der Welt«, erfährt mit Thomas Vinterbergs neuer Verfilmung schon mindestens ihre fünfte Inkarnation auf der Leinwand. Die ersten lagen in der Stummfilmzeit, die »klassische« Verfilmung ist die von John Schlesinger von 1967 (deutscher Verleihtitel »Die Herrin von Thornhill«) mit Julie Christie in der Hauptrolle, die letzte lag in Stephen Frears‘ Adaption von Posy Simmonds Bildergeschichte »Tamara Drewe« (deutscher Filmtitel: »Immer Drama um Tamara«), frei nach Hardy.

Hardys Roman, sein vierter publizierter, 1874 erschienen, war seiner Zeit voraus in seiner offenen Sinnlichkeit, seiner sozialen Subversion, mit einer anfänglich noch unverheirateten Heldin, die den vom Onkel geerbten Hof führen will wie ein Mann, und ihrer mürrisch-misstrauischen Belegschaft verspricht, sie werde sie alle noch überraschen. Wozu sie am Ende aber doch einen Mann braucht, schon weil ihr die praktische Erfahrung fehlt. Einer Heldin, die zwei Heiratsanträge ablehnt, um nicht als Ehefrau zum Besitztum und bloßen Schmuckstück zu werden, und dann genau dem Mann anheimfällt, der ungeniert ihre Sinne anspricht - und dabei stracks auf ihr Vermögen zielt. Es sind drei alternative Lebensentwürfe, die Hardy seiner Heldin präsentiert: der eine Bewerber will sie beschützen, der zweite sie verführen, der dritte sie lieben. Sie lässt sich verführen.

Wie so oft bei Hardy zieht sich Dialekt durch den Roman, das landwirtschaftshistorische Schilderungen mit der selben Detailfreude ausbreitet wie die Verästelungen in der Motivation seines Figurenpersonals. Die manchmal schwüle, gelegentlich das Melodram streifende Haupthandlung pausiert, wo es um die ländliche Arbeitswelt geht, um Jahreszeiten und Wachstumszyklen, um Sitten und Gebräuche und das Scheren der Schafe. Der Film dagegen behandelt Hardys Geschichte von sozialer Mobilität und dem Stürzen gesellschaftlicher Konventionen als Liebesgeschichte, als die Geschichte zweier füreinander Bestimmter, die erst einige soziale und emotionale Hürden überwinden müssen, bevor sie schließlich doch zueinander finden.

Das alles ist bei Hardy angelegt, der aber wagte mehr. Hardy lässt die gesellschaftlichen Konventionen (und das literarische Genre des Schäferspiels) unter dem Druck starker Gefühle von innen heraus implodieren und untergräbt die wohlige Selbstgefälligkeit vom Originaltitel seines Romans an - denn so sehr »Far from the Madding Crowd«, weit weg von der hektischen, fieberhaft wuselnden Menge der Städte, ist das dörfliche Leben seines als »Wessex« lose fiktionalisierten Dorset eben gerade nicht. Vinterberg sucht und findet statt dessen schöne Bilder mit schönen Menschen in schöner Szenerie.

Carey Mulligan, die jüngst Daisy Buchanan war zu Leonardo DiCaprios großem Gatsby, ist eine überzeugende Bathsheba. Der belgische Nachwuchsstar Matthias Schoenaerts verleiht dem Schäfer Gabriel Oak zwar nicht das augenzwinkernde Grinsen, mit dem das Buch ihn einführt, wohl aber die aufrechte Verlässlichkeit, auf die die Eiche in seinem Nachnamen anspielt. Michael Sheen (der für Frears zweimal den Tony Blair spielte) rührt als steifer, von Bathshebas Impulsivität ins Mark getroffener älterer Nachbar Boldwood - mehr als Peter Finch in der Schlesinger-Version es konnte. Tom Sturridge schließlich spielt Frank Troy, den schnauzbärtigen Feldwebel der Kavallerie, einen Soldaten in flammendem Scharlachrot, einen Mann der sexuell aufgeladenen Fechtspielchen und vielen Frauen, einen, der Geld verspielt und Mägde verführt - und die Herrschaft gleich mit.

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