Der Aufstand bleibt aus

Viele Sozialdemokraten sind unzufrieden mit Parteichef Sigmar Gabriel - eine Alternative sehen sie aber nicht

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
In der SPD kursiert der offene Brief eines Basismitglieds, in dem Sigmar Gabriel heftig kritisiert wird. Der Verfasser will den Parteivorsitzenden allerdings nicht zum Rückzug drängen.

Björn Uhde hat es geschafft. Obwohl der 36-Jährige kein bedeutendes Amt in der SPD bekleidet, schreiben in diesen Tagen zahlreiche regionale und überregionale Zeitungen über das aus Bayern stammende Basismitglied, das in Schleswig-Holstein lebt. Denn Uhde hat in einem offenen Brief an den Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel offenbar das ausgesprochen, was viele in der SPD denken. Der Grafikdesigner kritisierte vor allem die Sprunghaftigkeit Gabriels und dessen Umgang mit Parteikollegen.

Der SPD-Chef und Wirtschaftsminister hatte zuletzt etwa bei der Vorratsdatenspeicherung seinen Genossen, den Justizressortchef Heiko Maas, überrumpelt und ihm die Einführung eines entsprechenden Gesetzes aufgezwungen. Hinzu kam, dass Gabriel trotz der Kritik von Generalsekretärin Yasmin Fahimi das Gespräch mit der rassistischen Pegida-Bewegung gesucht und in der Europapolitik gegen die Haltung der eigenen Parteimehrheit angedeutet hatte, dass er sich ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone vorstellen kann. Uhde war mit dem SPD-Vorsitzenden so unzufrieden, dass er ihm mitteilte, ihn »leider nicht unterstützen« zu können. Stattdessen spielte er mit dem Gedanken, demnächst Bundeskanzlerin Angela Merkel seine Stimme zu geben.

Der Brief wurde auf einer von Basismitgliedern betriebenen Internetplattform mit dem Namen »Deine SPD« veröffentlicht. Die Website soll jährlich mehr als 120 000 Mal besucht werden. Uhde betreut zudem die größte SPD-Gruppe im sozialen Netzwerk Facebook mit über 8200 Mitgliedern. Die »Süddeutsche Zeitung« berichtete in der vergangenen Woche, dass Uhdes Brandbrief »nicht nur an der Basis kursiert, sondern auch von Spitzengenossen in Berlin fleißig verschickt wird«. In sozialen Netzwerken gab es für das Schreiben viel Beifall.

Trotz dieser subversiven Aktionen ist der Aufstand in der SPD gegen den eigenen Vorsitzenden wieder einmal ausgeblieben. In der Parteiführung murren zwar immer wieder einzelne Personen, aber es gibt zurzeit keine Anzeichen dafür, dass sich die Stimmung gegen Gabriel wendet. Vermutlich wollen potenzielle Nachfolger die Bundestagswahl 2017 abwarten. Auch Uhde sieht keine personelle Alternative zu Gabriel. Er erklärte in einem Zeitungsinterview, dass er den Parteichef nicht zum Abtreten auffordere.

Auch andere Autoren von »Deine SPD« versuchen, die Bedenken in der Parteispitze zu zerstreuen, dass sie die Speerspitze einer Rebellion seien. Ralf Reinartz von der SPD Solingen distanzierte sich in einem Beitrag auf der Website von Aussagen in dem offenen Brief. Uhdes Kritik am SPD-Vorsitzenden verteidigte Reinartz zwar grundsätzlich. Er schrieb aber auch: Wenn Gabriel im Jahr 2017 Kanzlerkandidat werden sollte, »werden wir ihn wie jeden anderen Mandatsträger oder Kandidaten vorbehaltlos unterstützen«.

Offensichtlich hatten sich diverse Sozialdemokraten über die Kritik am Parteivorsitzenden beschwert. Auf »Deine SPD« wird darüber berichtet, dass vereinzelt der Vorwurf erhoben wurde, »wir würden die Partei schädigen oder Sigmar Gabriel demontieren«. Reinartz klang geradezu erschrocken über das große Echo in den Medien. »Wir stürzen keine Funktionäre oder Mandatsträger und bauen auch keine auf. Wer uns das zutraut, schätzt nicht nur unsere Ambitionen völlig falsch ein, es werden auch unsere Möglichkeiten - Gott sei dank - hoffnungslos überschätzt«, heißt es in seinem Text.

Obwohl die Kritiker nun ein wenig zurückrudern, bleibt die Erkenntnis, dass viele Sozialdemokraten unzufrieden mit ihrem Parteichef sind. Die Kritik kommt nicht nur vom linken Flügel der Partei, sondern auch von konservativen Sozialdemokraten. Uhde ist zwar ein Kritiker der Vorratsdatenspeicherung, hat aber anders als die SPD-Linke keine großen Probleme mit dem transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP. In seinem Brief an Gabriel hatte er betont, die Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück unterstützt zu haben. Diese Namen stehen für die neoliberalen Reformen, welche die SPD in den vergangenen Jahren durchgesetzt hat.

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