Bremse für Bodenpreise

Der Bund muss Agrarflächen nicht an den Meistbietenden verkaufen

Die Kauf- und Pachtpreise in Deutschland steigen kräftig, besonders im Osten. Zu den großen Verkäufern zählt der Bund. Über seine Privatisierungspraxis haben nun höchste Richter entschieden.

Der mit dem dicksten Bankkonto bekommt den Zuschlag - das stimmt in der Regel, aber doch nicht immer. So können Behörden den Verkauf von Ackerflächen stoppen, wenn der vereinbarte Preis spekulativen Charakter hat, bestätigte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag. Ob der Kaufpreis den Grundstückswert zu stark übersteigt, müssen nach dem Urteil Gerichte im Einzelfall entscheiden.

Hintergrund ist ein Fall aus Sachsen-Anhalt. Dort hatte der Landkreis Jerichower Land einen Landverkauf durch die staatliche Bodenverwertungs und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) untersagt, weil er den Preis als überhöht einstufte. Das Ehepaar Erbs hatte für 25 000 Quadratmeter 29 000 Euro geboten. Die BVVG hätte das Geld gern genommen, doch der Landkreis machte dem Deal einen Strich durch die Rechnung, weil der vereinbarte Kaufpreis aus seiner Sicht in einem groben Missverhältnis zum Wert des Grundstücks stand. Gutachter bezifferten den Verkehrswert nur auf knapp die Hälfte.

Selbst schuld, mag man sich denken, wenn jemand zu viel zahlt, und: schön für das Staatssäckel, dem die Überschüsse der BVVG zufließen. Aber so einfach ist das nicht. In Ostdeutschland schießen die Bodenpreise in den vergangenen Jahren stetig in die Höhe. Investmentfonds haben Acker und Wälder als Geldanlage entdeckt. Mit seinem Veto versucht der Landkreis, Spekulationsgeschäfte zu unterbinden und den Preisauftrieb zu dämpfen. Bauernvertreter kritisieren immer wieder, die Preispolitik der bundeseigenen BVVG gehe zulasten kleiner Bauern. Vorwiegend Großbetriebe und westliche Agrarkonzerne kämen zum Zug. Im Jerichower Land hatte ursprünglich auch ein Landwirt aus der Region Interesse bekundet, konnte aber bei der gebotenen Summe nicht mithalten.

Die bundeseigenen Bodenvermarkter witterten hinter dem Verkaufsstopp deshalb eine verbotene staatliche Beihilfe für eine bestimmte Käufergruppe. Durch die Ablehnung des Höchstgebots biete man indirekt Bauern die Gelegenheit, zu einem niedrigeren Preis zum Zuge zu kommen. Eine Subvention ist demnach nicht nur, wenn der Staat aktiv Geld zuschießt, sondern auch, wenn er etwas tut, um Lasten zu verringern - wie etwa auf mögliche Erlöse zu verzichten.

Die Luxemburger Richter wiesen diese Beschwerde zurück. Sie bestätigten das Vetorecht aus dem deutschen Grundstücksverkehrsgesetz, das Behörden zum Schutz der Bauern nutzen können. Der Verkauf an den Meistbietenden führe nicht unbedingt zum Marktwert, erklärten sie. Es seien auch andere Methoden denkbar, etwa Gutachten. Möglichst nah am Marktwert soll der Verkaufspreis nach Auffassung der Richter gleichwohl sein.

Sachsen-Anhalts Agrarminister Hermann Onko Aeikens (CDU) freut sich über die Anerkennung, dass nicht allein das höchste Gebot entscheidend ist. »Wenn wir eine ungesunde Entwicklung des ländlichen Raums verhindern wollen, dürfen wir den Kauf und Verkauf von Boden nicht losgelöst von der Agrarstruktur betrachten«, betont er. Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft sprach von einem wichtigen Beitrag, um explodierende Kauf- und Pachtpreise einzudämmen.

Der Bund verkauft seit 1992 die ehemals volkseigenen Äcker, Wälder und Seen in Ostdeutschland. Etwa 1,4 Millionen Hektar Land sind es inzwischen, ein Zehntel der DDR. Die Preisspirale ist an den Verkaufserlösen abzulesen: Im vergangenen Jahr nahm die BVVG für 33 700 Hektar rund 425 Millionen Euro ein. Ein Jahr davor bekam sie für mehr Flächen weit weniger Geld, 36 100 Hektar brachten lediglich 350 Millionen Euro. In den nächsten Jahren sollen noch rund 177 000 Hektar landwirtschaftliche Flächen und etwa 16 000 Hektar Wald von öffentlich nach privat wechseln.

Das Gebot der Eheleute Erb macht deutlich, dass sich mit Ackerflächen derzeit fantastische Summen erzielen lassen. Was »möglichst nah am Marktpreis« konkret bedeutet, gab das europäische Gericht nicht vor. Das muss nun der Bundesgerichtshof ausbuchstabieren. Wem künftig der Flecken im Jerichower Land gehört, ist demnach offen. Kommentar Seite 4

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