»Konflikte sind vorprogrammiert«

In Peru soll am 20. Juli der wegen Protesten gegen eine Kupfermine verhängte Ausnahmezustand beendet werden

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.

Am 20. Juli endet der Ausnahmezustand, den die Regierung in Lima über die Region von Islay verhängt hat. Dort soll die Kupfermine Tía María entstehen, gegen deren Bau Bauern Sturm laufen. Ist der Ausnahmezustand ein probates Mittel, um Bergbaukonflikte beizulegen?
Derzeit gibt es Gerüchte, dass die Regierung überlegt, wie sie den Ausnahmezustand über die Region verlängern kann, um dort ein erneutes Aufflackern der Proteste zu verhindern. Mit Militär- und Polizeipräsenz hat die Regierung dafür gesorgt, dass es nicht erneut zu Straßenblockaden gekommen ist und dass es keine weiteren Scharmützel zwischen Polizei und den protestierenden Bauern gab. Doch das bedeutet eben nicht, dass die Proteste vorbei sind und sicherlich ist das Klima zwischen Protestierenden und der Nationalregierung mit dem Ausnahmezustand nicht besser geworden.

Die Regierung hat massiven Druck ausgeübt. Der Bürgermeister von Deán Valdivia etwa wurde seines Amtes enthoben - ein Schlag für die Protestierenden?
Sicherlich, aber das verhärtet auch die Fronten. Ich denke, dass die Entscheidung der Regierung, den Protest durch das Militär zu unterdrücken, gescheitert ist. So wird es keine Befriedung der Region geben, auch wenn das Unternehmen, Southern Copper, in einer großen Werbekampagne noch einmal für den Bau der Kupfermine geworben hat. Doch es ist wirklich dämlich zu hoffen, dass man es mit Radiospots, Anzeigen in Tageszeitungen und ein paar Luftballons schafft, 30 Jahre des Missmanagements, der Umweltskandale und des Misstrauens ungeschehen zu machen.

Zur Person

Carlos Monge ist Lateinamerika- koordinator des Natural Resource Governance Institute in der peruanischen Hauptstadt Lima, welches sich für einen transparenten und effektiven Umgang mit Ressourcen einsetzt. Monge hat lateinamerikanische Geschichte und Anthropologie studiert.

Die Mine soll laut Regierung noch in diesem Jahr die Produktion aufnehmen. Warum die Eile?
Die Regierung will kein zweites Conga. Dieses Goldbergbauprojekt in der Nähe von Cajamarca ist komplett paralysiert. Dort haben die Widerstände, die sich auch in den Kommunalwahlen manifestiert haben, als die Opposition gegen das Bergbauprojekt siegte, dazu geführt, dass die Regierung schlicht nicht weiter weiß und die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr abwartet. Dieses Szenario ist für die Regierung von Ollanta Humala schlicht inakzeptabel und deshalb versucht sie, das Projekt durchzudrücken. Aus ökonomischer Perspektive ist das nicht nötig, denn in finanzpolitischen Kalkulationen spielt Tía María keine Rolle. Folgerichtig geht es um Politik und wohl um die Autorität des Präsidenten. Er ist ein Militär - gewöhnt zu befehlen und nicht nach Lösungen am Verhandlungstisch zu suchen. Die Region von Apurímac bis Arequipa ist der neue Hot Spot des Bergbaus in Peru und da will man keine Unruhe. Das könnten die Gründe sein, weshalb die Regierung erst auf Verhandlungen setzte und dann umschwang auf die Politik der harten Hand.

Die Investoren stehen Schlange in Peru. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Bergbaukonflikte zu. Zufall?
Es laufen derzeit Projekte mit Investitionen von rund 15 Milliarden US-Dollar, wozu die Minen Toromocho, Las Bambas oder Antepaccay gehören. Das sind Investitionen in einer Größenordnung, die die vorherige Regierung von Alan García nicht vorzuweisen hatte. Da fällt ein Projekt wie Tía María nicht sonderlich ins Gewicht, auch wenn dort immerhin 1,2 Milliarden US-Dollar investiert werden. Aus meiner Perspektive ist das Projekt Tía María nicht durchsetzbar - es hat mehrere Tote gegeben und damit hat die Regierung allen Grund zu sagen bis hierhin und nicht weiter.

Aber so scheint die Regierung nicht zu ticken, denn selbst am Projekt Conga, dem Ausbau der Yanacocha-Goldmine, hält sie fest. Warum setzt die Regierung nicht auf einen Flächennutzungsplan und reguliert den Bergbau dort, wo er mit der Landwirtschaft, dem Tourismus oder den Interessen von Minderheiten nicht kompatibel ist?
Ich persönlich halte das für überfällig, auch nahezu alle Experten favorisieren diese Option, aber die Regierung hat sich dagegen entschieden. Stattdessen hat sie dem Bergbauministerium nicht nur die Aufgabe übertragen, weitere Bergbauprojekte zu entwickeln, sondern auch die Erstellung der Umweltgutachten in ihren Kompetenzbereich verlegt. Das sorgt dafür, dass die Glaubwürdigkeit der ausführenden Einrichtung nicht sonderlich hoch ist - ein hausgemachtes Problem. Ein weiteres Problem ist, dass jede Privatperson in Peru eine Bergbaukonzession beantragen kann. Das hat dazu geführt, dass mit den Konzessionen gehandelt und spekuliert wird - eine absurde Situation. Konflikte sind da vorprogrammiert.

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