Wikileaks-Papiere belegen Ausforschung von Auswärtigem Amt

Minister Steinmeier offenbar systematisch von der NSA abgehört / Generalbundesanwalt Range will nicht ermitteln

  • Lesedauer: 3 Min.

Update 15.05 Uhr: Korte (LINKE): Die Regierung hat vor den Geheimdiensten kapituliert
Der stellvertretende Linke-Fraktionschef Jan Korte erklärte zu den neuen Wikileaks-Enthüllungen: »Die ausbleibenden Reaktionen (...) zeigen, dass die große Koalition vor den Geheimdiensten kapituliert hat.« Zwei Dinge würden »immer klarer: Erstens ist der Überwachungswunsch der Geheimdienste total, und zweitens halten Union und SPD dies offenbar für alternativlos.«

Update 12.36 Uhr: Generalbundesanwalt will nicht ermitteln
Wie das Magazin »Focus« in seiner neuen Ausgabe unter Berufung auf Berliner Justizkreise berichtete, will Generalbundesanwalt Harald Range auch nach der Veröffentlichung immer neuer Abhördossiers der NSA keine Ermittlungen gegen den US-Geheimdienst einleiten. Demnach sagte ein Ermittler der Anklagebehörde: »Wir müssen eine Tat belegen können. Allein Zahlenkolonnen und Telefonnummern der Kanzlerin, einiger Minister und Staatssekretäre reichen bei weitem nicht aus.« Man brauche etwa Abhörprotokolle der NSA. »Originale, keine Kopien. Am besten mit den Namen der verantwortlichen Geheimdienst-Offiziere. All das haben wir aber in diesem Fall nicht.«

Wikileaks-Papiere belegen Ausforschung von Auswärtigem Amt

Berlin. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist einem Zeitungsbericht zufolge offenbar systematisch vom US-Geheimdienst NSA abgehört worden. Das geht aus neuen Dokumenten der Enthüllungsplattform Wikileaks hervor, die der »Süddeutschen Zeitung« sowie dem Nord- und dem Westdeutschen Rundfunk laut einer Mitteilung vom Montag zugänglich gemacht wurden. Demnach stand auch ein Handy, das die NSA Steinmeier zuordnete, auf der Ausspähliste.

Wikileaks dokumentiere auch ein Abhörprotokoll eines Gesprächs oder Telefonats Steinmeiers vom 29. November 2005, berichtete die »SZ«. Mit wem er damals gesprochen habe, bleibe unklar. Unmittelbar vor einer USA-Reise Steinmeiers hatten Medien über CIA-Entführungsflüge und -Gefängnisse in Europa berichtet. Die Zusammenfassung des Gesprächs erweckt laut »SZ« den Eindruck, dass Steinmeier damals eher zufrieden darüber war, von der US-Seite keine klaren Antworten zu der Angelegenheit erhalten zu haben: »Er schien erleichtert«, heißt es demnach in dem Protokoll.

Die neuen Unterlagen deuten dem Blatt zufolge auf einen jahrelangen Lauschangriff der NSA auf das Auswärtige Amt hin. Auf der Liste stünden insgesamt 20 Nummern - darunter auch mehrere Telefonnummern, welche die NSA Steinmeier zugerechnet habe. Möglicherweise stand auch Ex-Außenminister Joschka Fischer (Grüne) auf der Liste. Dort befindet sich dem Zeitungsbericht zufolge ein Eintrag »Fischer«. Ob es sich um eine alte Nummer Fischers handelte oder ob es um einen Namensvetter im Auswärtigen Amt ging, sei unklar.

In den vergangenen Wochen hatte Wikileaks bereits zahlreiche Spähziele der NSA im Kanzleramt und Bundesministerien veröffentlicht. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele forderte die Bundesregierung und die Geheimdienste nach den neuen Enthüllungen vom Montag auf, dem Parlamentarischen Kontrollgremium zeitnah zu berichten. »Sie müssen sagen, was sie nun tun, um die Spionage aufzuklären und Schaden abzuwenden«, forderte er. Es stelle sich überdies die Frage, ob Steinmeier »2006 tatsächlich nicht auf der Beantwortung von Fragen nach US-Rendition-Flügen über Deutschland bestanden« habe.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -