»Tiefste Verzweiflung«

EU-Kommissionspräsident Juncker zur Flüchtlingskrise

  • Lesedauer: 2 Min.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten aufgefordert, in der Flüchtlingsfrage nicht vor Populisten und Ausländerfeinden einzuknicken.

Brüssel. »Ihr dürft euch nicht durch populistische Gedanken blenden lassen, die in allen Ländern präsent sind«, erklärte EU-Kommissionspräsident Juncker gegenüber der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch. Wer Populisten folge, werde am Ende selbst zum Populisten, warnte Juncker und forderte Standhaftigkeit gegenüber fremdenfeindlichen Bewegungen. Der Kommissionspräsident zeigte sich enttäuscht, dass sich die EU-Staaten nicht auf Verteilung von 40 000 aus Italien und Griechenland einigen konnten. Justiz- und Innenminister hatten beim Gipfel am 20. Juli lediglich beschlossen, bis Oktober 32 250 Migranten auf die 28 Mitgliedstaaten zu verteilen.

»Minister, anders als Bürger, sind zum Handeln verpflichtet. Wir haben Vorschläge gemacht, die weit reichten, aber angesichts des Ausmaßes des Problems noch gemäßigt waren«, sagte Juncker. »Wir haben ein verpflichtendes System vorgeschlagen zur Verteilung von Asylbewerbern und Menschen, die internationalen Schutz brauchen. Doch sind uns die Mitgliedsstaaten nicht gefolgt, so dass wir gezwungen waren, eine Einigung auf freiwilliger Basis zu suchen«, beklagte Juncker.

Seit Jahresbeginn sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) rund 188 000 Flüchtlinge in Europa eingetroffen, die meisten davon in Italien und Griechenland. Die EU-Kommission werde im Herbst einen neuen Anlauf zur Verteilung der Flüchtlinge unternehmen, kündigte Juncker an. »Ich will glauben, dass sie ehrgeizig reagieren werden«, sagte er mit Blick auf die EU-Staaten. Andernfalls müsse die Kommission ihre Pläne überdenken.

Zur Flüchtlingskrise am Eurotunnel in Frankreich, wo seit Tagen Hunderte versuchen, auf Züge nach Großbritannien zu gelangen, sagte Juncker, »diese Situation stürzt mich in tiefste Verzweiflung«. Die Kommission sei bereit, den beiden Ländern finanzielle Hilfe zu gewähren. Dies werde nicht das Problem lösen, könne aber »die Last erleichtern«. Allerdings habe Brüssel bisher keine konkrete Anfrage erhalten.

Der für Migration zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos besprach die Lage mit Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve und dessen britischer Kollegin Theresa May. Um mit den Herausforderungen durch die erhöhten Flüchtlingszahlen fertig zu werden, bekomme Frankreich 20 Millionen Euro, so Avramopoulos. AFP/nd

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