Deutsches Schweigen über IS-Giftgas

Sind Bundeswehrsoldaten gefährdet? Regierung hält Erkenntnisse mit Hinweis auf das Staatswohl zurück

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Syrien und der Einsatz von Chemiewaffen - ein unendliches Thema. Das sich nun nach Irak ausgeweitet hat. Sind nun auch die Bundeswehr und ihre kurdischen Verbündeten bedroht?

Trotz Eiszeit in den Beziehungen, beim Thema Chemiewaffen finden die USA und Russland weiter gemeinsame Positionen. So soll nun ein Ermittlerteam der Vereinten Nationen herausfinden, wer für den Einsatz von Chemiewaffen im syrischen Bürgerkrieg verantwortlich ist. Auf einen entsprechenden Resolutionsentwurf des UN-Sicherheitsrats hätten sich US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow verständigt, hieß es am Donnerstag aus Washington. Mit einer Abstimmung über die Resolution sei am Freitag zu rechnen.

Nachdem die syrische Regierung 2013 einer Zerstörung ihres C-Waffenarsenals zugestimmt hatte, spannte sich Deutschland ein in den beispielgebenden Abrüstungsprozess. Innerhalb von nur fünf Monaten wurden auch 370 Tonnen Reststoffe aus der syrischen Senfgasproduktion bei der Spezialfirma GEKA in Munster entsorgt. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) lobte den damit verbundenen Einsatz der Bundeswehr, doch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte bereits damals im Mai, vieles deute darauf hin, dass in Syrien »immer noch chemische Kampfstoffe als Waffen gegen unschuldige Menschen missbraucht« würden.

In der Tat gab es immer wieder entsprechende Meldungen - bestätigt auch von der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW). Angeblich setzte das Assad-Regime wiederholt Chlorgas ein. Die Organisation, so hieß es immer wieder, sei nicht befugt, dafür Verantwortliche zu benennen. Seltsam.

Wie der Bürgerkrieg insgesamt, so bleibt der Giftgaseinsatz nicht auf Syrien begrenzt. Bereits Mitte Juli hatte die »New York Times« berichtet, dass Einheiten des Islamischen Staates sowohl in Syrien wie in Irak C-Waffen einsetzen. Das Blatt bildete sogar eine 120-Millimeter-Granate ab, die im Juni gegen kurdische Stellungen in Mossul gefeuert worden war. Nun meldete sich die kurdische Autonomieregierung mit dem Vorwurf, dass die IS-Terrormilizen in Nordirak derartige Verbrechen verüben. Dem regionalen Sicherheitsrat in Erbil liegen angeblich Beweise vor, dass die sunnitischen Extremisten im Januar bei einem Selbstmordanschlag mit einem Auto gegen kurdische Peschmerga Chlorgas verwendet hätten.

Sollte das stimmen, so ergibt sich die Frage, ob auch von der Bundeswehr in Nordirak ausgebildete Peschmerga-Einheiten oder sogar deren deutsche Ausbilder bedroht sein könnten.

Die Bundesregierung hält sich - beispielsweise vor wenigen Tagen bei der Beantwortung einer Frage des Grünen-Abgeordnten Omid Nouripour - bedeckt. Sie verurteilt so pauschal wie scharf »jeden Einsatz von toxischen Chemikalien als Waffe«. Immerhin bestätigt sie mit Bezug auf Syrien, dass »vereinzelte Berichte über den Einsatz von toxischen Chemikalien durch den IS vorliegen«. Der Rest ist jedoch geheim. Im »Interesse des Staatswohls«. Man will angeblich nachrichtendienstliche Aufklärungsaktivitäten und das Vorgehen des deutschen Bundesnachrichtendienstes nicht offenbaren. Das bedeutet nach allen bisherigen Erfahrungen, dass man auf Erkenntnisse der US-Dienste angewiesen ist. Das ist nicht viel, wenn man in dem gefährlichen Gebiet deutsche Soldaten stationiert hat. Ohne Mandat des Bundestages.

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