Zahl der Blutspender sinkt rapide

Im Nordosten ist schon zu sehen, was in einigen Jahren ein bundesweites Problem sein wird

  • Gabriel Kords, Greifwald
  • Lesedauer: 3 Min.
Genügend Blutspender zu finden, ist im Sommer stets besonders schwer. Doch den Blutspendediensten macht der langfristige Trend noch größere Sorgen. Ein Bericht aus Mecklenburg-Vorpommern.

Wenn Andreas Greinacher, Leiter der Transfusionsmedizin am Uniklinikum Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern, in den Blutspendesaal seiner Abteilung geht, kann er aktuell eigentlich ganz zufrieden sein: Tag für Tag kommenden Dutzende Spender, es herrscht reger Betrieb. Doch der Schein trügt, sagt Greinacher: »Im Sommer ist es immer besonders schwer, genügend Spender zu finden. In der Ferienzeit kommen viele regelmäßige Spender nicht und sind viele Urlauber im Land. Dadurch steigt der Bedarf an Bluttransfusionen - etwa nach Unfällen - deutlich.«

Gleichwohl: Den totalen Notstand mussten in diesem Sommer bislang weder Greinacher noch seine Kollegen der insgesamt vier Blutspende-Dienste im Land ausrufen. »Wir rufen zwar nach wie vor jeden, der Zeit hat und gesund ist, dringend zur Blutspende auf«, sagt Greinacher. »Aber das ist eigentlich immer so.«

Viel größere Sorgen als die aktuelle Lage macht den Blutspendediensten im Land die langfristige Entwicklung. Greinacher führt seit Jahren Statistik - und der Trend zeigt nach unten. Seit 2008 hat sich die Zahl der Spenden um rund ein Viertel reduziert - auf circa 102 000 im vergangenen Jahr. Im selben Zeitraum ist die Zahl der Neuspender sogar um rund 60 Prozent gesunken.

Ursache für den Rückgang ist aus Greinachers Sicht die demografische Entwicklung. »Es gibt immer weniger junge Leute im Land und viele ziehen nach dem Ende ihrer Schulzeit fort«, sagt er. Genau dieses Alter sei aber der beste Zeitpunkt, um Neuspender zu werden. Der Medizin-Professor warnt davor, die Entwicklung auf die leichte Schulter zu nehmen: »Wir können zwar in den kommenden Jahren noch Konserven aus anderen Bundesländern zukaufen, wo es diese Probleme noch nicht so stark gibt.« Spätestens ab 2020 werde derselbe Trend aber bundesweit einsetzen, prognostiziert er. »Bis dahin müssen wir eine Lösung gefunden haben.« Zwar gehe der Bedarf an Blutspenden pro Patient grundsätzlich zurück, weil sich die Medizin große Mühe gebe, so wenig Blut wie möglich zu verbrauchen. »Weil es aber immer mehr ältere Menschen gibt, die besonders oft auf Blutspenden angewiesen sind, gleicht sich diese Entwicklung wieder aus.« Letztlich werde der Bedarf daher auf absehbare Zeit eher nicht sinken.

Ein weiterer großer Einbruch droht laut Greinacher, wenn die heute 50- bis 60-jährigen Spender ausscheiden. Die Lösung könne deshalb nur heißen, wieder mehr junge Menschen als Spender zu gewinnen. Sein Kollege Volker Kiefel vom Uni-Klinikum Rostock ergänzt: »Wir gehen inzwischen aber auch verstärkt auf ältere Patienten zu. Und inzwischen erlauben wir Bestandsspendern, auch über das 65. Lebensjahr hinaus zu spenden, wenn es ihnen damit gut geht.« Dennoch, auch am Rostocker Klinikum mussten in der Vergangenheit mitunter Blutkonserven zugekauft werden, weil das Klinikum nicht genügend Spenden erhalten hatte.

»Die Spendedienste kämpfen massiv, um den Rückgang einzudämmen«, sagt Greinacher. Zumindest in Greifswald lasse man sich das auch etwas kosten: »Wir sind der Meinung, dass das Geld besser investiert ist, wenn wir es hier für die Nachwuchsgewinnung ausgeben, als wenn wir damit Blutkonserven von anderswo zukaufen.« Hinzu kommt seit einiger Zeit die Unterstützung seitens der lokalen Wirtschaft. In Greifswald erhalten Spender während der Sommermonate ein wöchentlich wechselndes Rabattangebot von örtlichen Geschäften.

»Blutspenden sind immer etwas, das man primär für andere macht«, sagt Greinacher. Doch jeden könne der Bedarf an einer Bluttransfusion treffen, oft unvorhergesehen: »Insofern sind diese Spenden auch eine Versicherung für den Spender selbst.« dpa/nd

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