Ein Kriegsverbrechen - auch am Kulturerbe

Dschihadistenmiliz sprengte Tempel im syrischen Palmyra / Antike Stadt wurde Ort barbarischer Hinrichtungen

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Horden des Islamischen Staats haben ihrem Mord- und Terrorfeldzug in Syrien in den vergangenen Tagen weitere Grausamkeiten hinzugefügt. Auch das Weltkulturerbe nimmt schweren Schaden.

Es gibt nicht so viele antike Städte auf der Welt, die nicht nur von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurden, sondern es auch verkörpern. Wie Palmyra. Die Spuren der Stadt, die sich ziemlich im Zentrum des heutigen syrischen Staates befindet, gehen bis ins 7. Jahrtausend v. d. Z. zurück. Zahllose Kriege wurden mit ihr und um sie geführt. Der römische Kaiser Aurelian ließ sie nach einem Aufstand im 3. Jahrhundert zerstören, sein Nachfolger Diokletian einige Jahrzehnte später als Garnisonsstadt neu errichten. Die folgenden Herrschaftsperioden von Arabern über Osmanen bis zu den Franzosen nebst allen Kriegen überstand das altneue Palmyra auch dank trockener Hitze - bis in unsere Tage. Es bedurfte des Erscheinens der Kulturbarbaren des Islamischen Staats, um die antiken Stätten von Palmyra in ihrer Existenz zu gefährden, nachdem ihre Milizen die syrische Armee und auch alle anderen administrativen Einrichtungen des Staates in die Flucht geschlagen hatten.

Die Armeeführung erklärt die Preisgabe Palmyras mit einem taktischen Rückzug. Die Bevölkerung, heißt es, sei zuvor weitgehend evakuiert worden. Auch die sogenannten Artefakte, also alle leicht transportablen Kunstgegenstände, sollen vor dem Einfall der Dschihadisten nach Damaskus abtransportiert worden sein.

Dort befinden sie sich - im Unterschied zu den antiken Schätzen im Irakischen Nationalmuseum Bagdad nach dem Einmarsch der US-Amerikaner 2003 - im Gewahrsam der staatlichen Antikenverwaltung; sie sollten also nicht demnächst auf westlichen Schwarzmärkten für vorderasiatische Antiken auftauchen. Allerdings musste die syrische Behörde mitteilen, dass die islamisch-fundamentalistischen Extremisten vom IS die Ruinen eines der bedeutendsten Tempel der römischen Zeit zerstört haben. Die Reste des Tempels von Baalschamin seien mit einer großen Menge Sprengstoff in die Luft gejagt worden.

AFP zitiert Irina Bokowa, bulgarische Chefin der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO): »Diese Zerstörung ist ein neues Kriegsverbrechen sowie ein riesiger Verlust für das syrische Volk und die Menschheit.« Dies zeigt, dass die UN-Spezialorganisation zwar empört, aber eben machtlos ist; so wie 2001, als die Taliban in Afghanistan die Statuen von Bamyan, einzigartige Zeugnisse buddhistischer Kunst, gesprengt hatten.

Eine besondere Grausamkeit stellt die Ermordung des einstigen Leiters der Antikensammlung von Palmyra dar. Von dessen Sohn war zu erfahren, dass der 82-jährige Archäologe Khaleed al-Assaad vor Beifall klatschenden Milizionären und laufender Kamera enthauptet worden war. Der Leichnam des früheren Chef-Archäologen sei danach geschändet worden. Ihm, dem Sohn, sei von Augenzeugen berichtet worden, dass eine Gruppe von IS-Kämpfern die Leiche »in Stücke schnitt«, nachdem sie einen Tag lang an einem Pfosten aufgehängt gewesen war, sagte Mohammed al-Assaad am Sonntag gegenüber AFP.

Der Sohn Assaads äußerte sich am Rande einer Trauerfeier, die das Nationale Altertumsmuseum in Damaskus in Erinnerung an den Archäologen abhielt. »Mein Vater hat immer wieder gesagt: Ich sterbe aufrecht wie die Palmen von Palmyra.«

Im Gegensatz zu Bamyan deutete sich die Kulturbarbarei in Palmyra aber schon sein Monaten an. Seit der Eroberung der römischen wie der daneben befindlichen modernen Stadt durch den IS prahlt die Gruppe auf ihren Websites, dass sie Werke der »Ungläubigen« vernichten werde. Mehrere Mausoleen wurden geplündert, Skulpturen zerstört, altrömische Gebäude vermint. Und ab und zu wird eben tatsächlich gesprengt. Größeren Ruinen werden vermint.

»Die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden«, verlangt Bokowa. Doch wer soll es tun? Man könnte von den notorischen Gralshütern des Islam, wie Saudi-Arabien, wenigstens erwarten, dass sie Abscheu über die Tat äußern. Davon aber ist nichts bekannt. Und wenn sie wenigstens gesagt hätten, dass sich die Kulturzerstörer bei ihren Untaten nicht auf das das historische arabische Kalifat (632 bis 1258) berufen können. Die wirklichen Kalifen ließen Palmyra, das immer in ihrem Herrschaftsbereich lag, unangetastet.

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