Keine Kreuzfahrt ins Umweltglück

Ökoliste: NABU kritisiert »verantwortungslose« Reedereien und lobt AIDA, Costa und TUI

  • Folke Havekost, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Kreuzfahrtschiffe verpesten die Meere und die Luft. Viele Reeder haben noch nicht einmal angefangen umzudenken, zeigt eine Studie.

Die Freiheit des Meeres liegt für Kreuzfahrtunternehmen oft darin, sich mit ihren »weißen Riesen« kaum an ökologische Auflagen halten zu müssen. In den vergangenen Jahren hat die Boombranche einigen Gegenwind von Umweltverbänden bekommen, so vom Naturschutzbund Deutschland (NABU). Dieser stellte am Donnerstag in Hamburg sein »Kreuzfahrtranking 2015« vor, in dem 28 bis zum Jahr 2020 geplante Neubauten nach ihrer Umweltverträglichkeit bewertet wurden.

»Die Branche befindet sich am Scheideweg«, sagte Daniel Rieger, verkehrspolitischer Referent beim NABU: »Es wird klar, wer sich verantwortlich verhält und wer nicht.« Die künftigen Schiffe wurden auf die eingebaute Abgastechnik und den verwendeten Treibstoff hin untersucht. Insgesamt bietet sich dabei aus ökologischer Sicht nach wie vor ein kümmerliches Bild: 17 der 28 Schiffe planen an Bord allenfalls einen in Nord- und Ostsee vorgeschriebenen »Scrubber« zur Abgasentschwefelung, verzichten aber auf Stickoxidkatalysatoren, Partikelfilter oder Technik zur Versorgung der Schiffe mit Strom, während sie im Hafen liegen. »Da wird nichts gemacht, was über die gesetzlichen Richtlinien hinausgeht«, kritisierte Rieger das »absolut verantwortungslose« Vorgehen von Reedereien wie MSC, Norwegian, P&O, Ponant, Royal Caribbean oder Viking Ocean.

Punkten konnten in der Rangliste vor allem Schiffe, die stark am deutschen Markt, dem größten in Europa, vertreten sind. »Der Druck, unter anderem von uns, erzielt offenbar Wirkung«, resümierte Malte Siegert vom Hamburger NABU-Landesverband. Die Ankündigung der AIDA, ab 2019/20 zwei Schiffe mit Flüssiggas zu betreiben, führte zur Höchstwertung (vier Schiffsschrauben). Diese erhielten auch zwei für 2019 bis 2022 geplante Schiffe der AIDA-Mutter Costa, die auf Schwerölantrieb verzichten sollen. »Schweröl ist Sondermüll, ein Abfallprodukt der Raffinerien«, erklärte Rieger. »Das dürften Sie an Land überhaupt nicht verbrennen, es muss auch von den Meeren runter.« Durch das Verbrennen werden krebserregender Feinstaub, Stick- und Schwefeloxide freigesetzt, wovon die Bewohner der Hafenstädte und - bei ungünstigen Winden - auch die Passagiere selbst betroffen sind.

Hinter dem führenden Quartett reihen sich die Vorjahressieger AIDA Prima und AIDA Mia ein, die ihre Jungfernfahrt - mit Schweröl - 2016 erleben sollen. Alle Angaben kommen allerdings von den Reedereien selbst, sind also nur bedingt nachprüfbar. »Zunächst einmal sind das Ankündigungen, wir vergeben Vorschusslorbeeren«, schränkte Rieger ein. »Aber wir wollen darstellen, wer das Problem anerkennt.« Die TUI erhielt von Siegert wegen ihrer Stickoxidkatalysatoren ein Lob für »die saubersten Schiffe, die momentan fahren«.

TUI wird mit »Mein Schiff 4« auf den Hamburg Cruise Days vertreten sein, die am Wochenende in der Hansestadt stattfinden. »Das wird leider auch noch ein Schaulaufen vieler Schiffe ohne Abgastechnik«, bedauerte Siegert. Zumal die in Hamburg an den Terminals Altona und HafenCity mögliche Landstromversorgung kaum genutzt wird. Wie eine Anfrage der LINKEN ergab, besaß von den 90 Schiffen, die Hamburg 2015 anliefen, allein die AIDA Sol einen solchen Anschluss. »Da müssen die Reedereien in die Strümpfe kommen«, forderte Siegert. »In Hamburg kann man nur anderthalb Kilometer vom Stadtkern entfernt an der Kaimauer anlegen. Da muss man der Kreuzfahrtindustrie auch ihre Verantwortung klarmachen, die Menschen von Schadstoffen fernzuhalten.«

Der NABU mahnte strengere Abgasnormen für das Mittelmeer, EU-Richtlinien für den Rußausstoß sowie höhere Strafen bei Verstößen an. »In der Seeschifffahrt haben wir eine Situation wie in den 1980ern auf der Straße«, so Siegert: »Man hat das Problem erkannt, jetzt müssen Maßnahmen ergriffen werden.«

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