Auftrag XY ungelöst

Trotz aller Fortschritte in Einzelfragen kommen Klimaverhandlungen nur langsam voran

  • Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 3 Min.
Umweltverbände haben die Ergebnisse der einwöchigen UN-Klimaverhandlungen in Bonn skeptisch bewertet. 90 Tage vor der Pariser Klimakonferenz werde die Zeit für ein wirksames Abkommen knapp.

Bei den Klimaverhandlungen diese Woche in Bonn konnten in diversen Einzelfragen Fortschritte erzielt werden. So sind die Länder einem »globalen Ziel« für die Anpassung an den Klimawandel näher gekommen. Falls Anpassung nicht reicht und »Verluste und Schäden« entstehen, soll mit einem »Mechanismus« geholfen werden. Beim heiklen Thema der Klimafinanzen haben verschiedene Länder sogenannte »Brücken-Vorschläge« vorgelegt, mit denen Gegensätze überbrückt werden sollen. Zumindest geredet hat man außerdem über die Differenzierung zwischen den Ländern. Bislang unterscheidet die Klimakonvention nur zwischen Entwicklungs- und Industrieländern und viele Entwicklungsländer wollen diese simple Zweiteilung beibehalten. Wachsende Unterstützung erfährt zudem ein Langfristziel. Unklar ist aber noch, welche Form dieses Ziel haben könnte. Die Optionen sind ein Emissionsziel wie »Null Emissionen im Jahr X«, ein Erneuerbarenziel wie »100 Prozent Erneuerbare im Jahr Y« oder einfach die Wiederholung des Zwei-Grad-Ziels.

Diese Erfolge vermochten aber nicht über ein wesentliches Problem hinwegzutäuschen: der Verhandlungstext taugt nicht zum Verhandeln. »Wir können nicht mit einer Ideensammlung arbeiten«, erklärt Sarah Blau von der EU. »Die Verhandler juckt es unter den Fingern, endlich mit der eigentlichen Textarbeit anzufangen, aber der vorliegende Text ist dafür nicht geeignet.« Der Text wurde von den beiden Co-Vorsitzenden der Verhandlungen erarbeitet. Die Länder gaben ihnen dazu einen unlösbaren Auftrag: Ausgehend von einer Ideensammlung sollten sie einen gekürzten und strukturierten Verhandlungstext erstellen, ohne den Inhalt der ursprünglichen Ideensammlung zu verändern. Damit blieb der Text eine Sammlung widersprüchlicher Vorschläge. Nun haben die Co-Vorsitzenden angekündigt, in der ersten Oktoberwoche einen neuen »Basistext« vorzustellen. Blau hat auch schon eine klare Vorstellung, wie dieser aussehen soll: »Der neue Text muss kürzer sein. Er muss mit einem Stift in einheitlicher Sprache verfasst sein und er muss die unterschiedlichen Optionen klar aufzeigen.« Inhaltlich dürfen die Co-Vorsitzenden den Text aber nicht wesentlich verändern, denn jedes Land wird darüber wachen, dass seine Vorschläge und Wünsche weiter Teil der Verhandlungen sind.

Aus Sicht von Christiana Figueres, der Chefin der UN-Klimakonvention, sind die Verhandlungen dennoch »auf dem richtigen Weg«, die französische Klimasondergesandte Laurence Tubiana sieht sie in die »kritische Phase« eintreten: »Oktober ist der Moment, wo wir das gesamte Bild haben müssen.« Vom 19. bis 23. Oktober findet in Bonn eine weitere Runde der Verhandlungen statt.

Die Umwelt-Aktionsplattform climatenetwork.org erneuerte die Forderung, einen Mechanismus zu verankern, wonach die Ziele regelmäßig, zum Beispiel alle fünf Jahre, überprüft werden sollen. Sonst sei eher »eine Erderwärmung von rund vier Grad zu erwarten«, erklärte der Klimaexperte des Naturschutzverbands Nabu, Sebastian Scholz. Eine Erwärmung in dieser Größenordnung befürchtet auch Greenpeace-Klimaexperte Martin Kaiser. »Die Folge werden Millionen Menschen sein, die ihre Heimat wegen des steigenden Meeresspiegels, Dürren und Extremwettern verlassen müssen«, erklärte Kaiser in Bonn. Christoph Bals von Germanwatch warf der EU zu geringes Engagement beim Klimaschutz vor.

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