Wie nachhaltig ist die UNO?

Entwicklung, Abrüstung, Kriege, Terrorismus und Flüchtlinge auf der Agenda in New York

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 4 Min.
Die UNO wurde in jüngster Vergangenheit immer wieder kritisiert. Die Vollversammlung 70 Jahre nach ihrer Gründung bietet die Chance, neue Zeichen zu setzen.

Wenn der dänische Sozialdemokrat Mogens Lykketoft am Dienstag in New York die 70. UN-Vollversammlung in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Forums eröffnet, dann könnten besondere Wochen in der Geschichte der Vereinten Nationen beginnen. Nicht nur, weil es eine auch historisch bilanzierende Generaldebatte im Jubiläumsjahr der Weltorganisation werden dürfte und sich nicht allein der Londoner »Guardian« ein Feuerwerk an Rhetorik verspricht, wenn so unterschiedliche Akteure wie Barack Obama, Hassan Ruhani, Xi Jinping, François Hollande oder Papst Franziskus in kürzester Zeit verbal aufeinanderprallen. Es sind auch wichtige Sondertreffen im Rahmen dieser Vollversammlung geplant.

1945 von 51 Staaten gegründet, gehören der UNO heute 193 Mitgliedstaaten an. Erstmals weht vor dem Hauptquartier am East River auch die Flagge Palästinas, das wie der Vatikan seit November 2012 den Status eines Beobachterstaates ohne Stimmrecht besitzt. Nun haben die Palästinenser im Bemühen um die internationale Anerkennung ihrer nationalen Souveränität einen weiteren symbolischen Erfolg errungen. In den nächsten Wochen allerdings wird wohl in New York noch mehr als der israelisch-palästinensische Konflikt jener in und um Syrien im Fokus stehen. Um so wichtiger, dass die Vollversammlung den vielen Staats- und Regierungschefs die Möglichkeit bietet, bi- oder multilateral in kleinerer Runde Krisenbewältigung zu betreiben.

Auch Russlands Präsident, wegen Moskaus militärischem Engagement in Syrien gerade besonders kritisch von den USA beäugt, werde kommen und reden, ließ der Kreml jetzt wissen. Erstmals seit zehn Jahren wieder. Damals hatte Wladimir Putin eine Reform der UNO und eine effektivere Arbeit des Weltsicherheitsrates gefordert. Getan hat sich seitdem nicht viel, was vor allem am eigeninteressengeleiteten Agieren der fünf ständigen Mitglieder und ihrem unzeitgemäßen Vetoprivileg liegt.

Moskauer Medien spekulieren auch über ein mögliches Gespräch mit dem US-amerikanischen Amtskollegen. Zuletzt waren beide im November 2014 zusammengetroffen. Zumal Putin gern den gemeinsamen Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat zum Thema machen würde. Russlandexperte Alexander Rahr erwartet, dass er auf der Vollversammlung eine Anti-Terrorallianz vorschlagen werde, die eine Kooperation der NATO mit der von Moskau geführten Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit einschließen könnte.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wiederum hat sich in einem 139-seitigen Bericht für die Einrichtung einer Schnellen Eingreiftruppe bei UN-Friedensmissionen in Krisengebieten ausgesprochen. Sein für solche Einsätze zuständiger Vize Hervé Ladsous erklärte, dass schon demnächst eine Mission zur Beilegung des Konflikts in Syrien gestartet werden könne.

Russland und den USA kommt zudem eine entscheidende Rolle bei der nuklearen Abrüstung zu, besitzen sie doch weltweit mit Abstand die meisten Atomwaffen. Japan will der Vollversammlung einen neuen Resolutionsentwurf für eine vollständige Abschaffung aller Kernwaffen vorlegen. Das sei 70 Jahre nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki »angemessen« und könne der internationalen Staatengemeinschaft in den kommenden fünf Jahren als Richtschnur dienen, so Außenminister Fumio Kishida.

Ginge es nach Ban Ki Moon, müsste ein von ihm angeregtes Spitzentreffen zur Flüchtlingskrise am Rande der Vollversammlung große Aufmerksamkeit finden. Allerdings könnten die ganz wichtigen politischen Akteure am 30. September New York schon wieder verlassen haben. Auf alle Fälle soll es unmittelbar nach Abschluss der Generaldebatte auch einen hochrangigen Dialog zu internationaler Migration und Entwicklung geben. Dabei gehe es darum, die Vorteile sowohl für Migranten wie für Staaten zu erhöhen und negative Folgen zu minimieren, heißt es vage.

Gewissermaßen schließt sich damit auch der Themenkreis, wird die Vollversammlung zum Auftakt doch ganz im Zeichen der 2030-Agenda für Nachhaltige Entwicklung stehen, die die »Millenniumsentwicklungsziele« fortführen und von den Staats- und Regierungschefs verabschiedet werden soll. In einer globalisierten Welt kann kein Staat allein Lösungen erarbeiten, um grenzüberschreitende Herausforderungen wie extreme Armut, Klimawandel, Umweltzerstörung und Gesundheitskrisen erfolgreich anzugehen. Auch deshalb sind die neuen Ziele nicht mehr allein auf die armen Länder ausgerichtet. Sie erfordern aber weiter eine faire Lastenteilung und mehr Mitspracherechte des globalen Südens. Wobei der reiche Norden nach wie vor weit von der UN-Vorgabe entfernt ist, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit aufzubringen. Es stellt sich also auch die Frage, wie politisch nachhaltig die Vereinten Nationen agieren.

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