Werbung

Kleine Hilfe unter Freunden

Im Kino: »Am Ende ein Fest« von Sharon Maymon und Tal Granit

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Euthanasie im Altersheim mal ganz anders: nicht als Zeitungsschlagzeile, sondern als humanitäre Hilfsaktion, die nur ein kleines bisschen aus dem Ruder läuft. Denn kein krimineller Pfleger spielt hier Gott, sondern die Heimbewohner selbst - und das strikt nur auf dringliche Bitten ihrer Zimmernachbarn. »Am Ende ein Fest« ist ein israelischer Spielfilm über angewandte Sterbehilfe unter Freunden. Ein existenzielles Thema angesichts von Alter, Krankheit und Demenz, das von Sharon Maymon und Tal Granit (Buch und Regie) mit einer hohen Dosis Realismus angegangen wird, gekonnt untermischt mit einer beinahe ebenso großen Portion Situationskomik und Ironie.

Das Altersheim, in dem Yehezkel (Ze’ev Revach), seine Frau Levana (Levana Finkelstein) und ihre Freunde in weitgehend unabhängigen Wohneinheiten leben, lässt ihnen viel Freiheit zur Selbstentfaltung. Und wenn sie kochen können und basteln, schwimmen gehen und die Enkel betreuen, warum dann nicht auch selbst entscheiden, wann und wie sie aus dem Leben scheiden werden? Eine Frage, die sich im Fall von Max besonders akut stellt. Der liegt im Krankenhaus, hat nur noch kurze Zeit zu leben und würde seinen Schmerzen gern ein noch schnelleres Ende setzen. Dafür sucht Yana, seine bei aller Verlustangst immer noch sehr energische Ehefrau, die Hilfe des Freundes. Denn Yehezkel, der im Berufsleben vor nicht allzu langer Zeit mal Schlosser war, ist ein Tüftler und Erfinder. Wenn er eine Vorrichtung bauen könnte, die es Max erlauben würde, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen …

Yehezkel zögert, Levana ist grundsätzlich und komplett dagegen, Max aber leidet unübersehbar, und Yana drängt nachdrücklich auf Hilfe. Ein Nachbar im Heim war mal Arzt, also jedenfalls: Tierarzt, und hat noch einen Giftvorrat im Schrank - das Heim lässt seinen Bewohnern wirklich sehr viel Freiraum. Der heimliche Lover des Arztes war früher Polizist, bevor er sich (samt Gattin) in das Altenstift zurückzog, und er kann mit ein paar Hinweisen zum juristischen Kontext dienen. Also setzt Yehezkel sich hin und bastelt. Und weil er das gut macht und die Sache erfolgreich ist, drängen bald andere auf ähnliche Hilfe. Die blauen Haushaltshandschuhe, mit denen der Freundeskreis die hausgemachte Giftverteilmaschine handhabt, werden sie noch öfter brauchen. Und auch der Verkehrspolizist, der die Freunde auf dem Rückweg vom Krankenhaus zum Heim wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung anhält, und der Yanas unstillbare Tränen über Max’ erfolgreiches Ableben für Entsetzen über den Strafzettel hält, den er ihnen ausstellt, wird noch weitere Auftritte haben.

Dass »Am Ende ein Fest« dabei die Balance nie verliert, nie rührselig wird oder allzu albern, sich nie über die Rentner erhebt und ihre Alltagsprobleme, zu denen das Sterben, das eigene und das der anderen, eben auch gehört, macht ihn zu einer Seltenheit. Es macht ihn zu einem Film, der unterhält, obwohl sein Sujet Unterhaltung eigentlich gar nicht hergibt, und der zum Mitfühlen und Mitdenken anregt, über praktische Solidarität und Feigheit, über Leidensfähigkeit, die ihre Grenzen hat, und Liebe, die keine Grenzen kennt, ohne allzu offenkundig belehren zu wollen. In der anrührendsten dramatischen Steigerung, die das Drehbuch vorsieht, wird Levana selbst nach einem würdevollen Ausweg suchen - sie, die von den andern erst schlicht überstimmt wurde, was die Sterbehilfe anging. Denn sie muss bald merken, dass ihre Demenz in absehbarer Zukunft lebensgefährlich für sie und andere werden wird.

Was als harmloser Versuch begann, das Leben kranker Nachbarn zu erhalten - zu Anfang des Films spielte Yehezkel mit verzerrter Stimme Gott am Telefon, um einer Krebspatientin nahezulegen, sie solle ihre Chemotherapie nicht abbrechen, im Himmel sei im Augenblick gar kein Platz für sie frei -, wird im weiteren Verlauf zum Hindernisparcours zwischen Mitgefühl und Maßlosigkeit, zwischen Nächstenliebe und Anmaßung. Damit ist »Am Ende ein Fest« ein perfektes Abbild der realen Debatte über tatsächliche Sterbehilfe im wirklichen Leben.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal