1000 Flüchtlinge pro Tag durchschleusen

Neue Verwaltungsstelle nimmt Arbeit auf / Ausschreibung für Bau neuer Gemeinschaftsunterkünfte veröffentlicht

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 4 Min.
Das »Berliner Modell« will Geflüchtete an einem Tag durch alle nötigen Instanzen reichen. So der ehrgeizige Plan des Sozialsenats, für den jedoch vor allem eins nötig ist: Mehr Personal.

Rotweiße Gitter versperrten am Mittwoch noch den Eingang, innen standen Bauarbeiter auf Leitern und im Fahrstuhl wurden leichtere Baumaterialien transportiert: An diesem Donnerstag sollen die ersten Asylsuchenden in der neuen Registrierungsstelle in der Bundesallee ankommen und betreut werden. 1000 Flüchtlinge pro Tag sollen mit Hilfe des »Berliner Modells« künftig durchgeschleust werden können. Diese ehrgeizige Marke zu erreichen, wird aber ein paar Monate dauern. »Anfang des Jahres«, sagte Flüchtlingsstaatssekretär Dieter Glietsch am Mittwoch, könne das erreicht werden. Bis dahin soll das im Haus an der Bundesallee arbeitende Personal der verschiedensten Institutionen sukzessive aufgestockt werden.

In der neuen Registrierungsstelle sollen die zuständigen Landes- und Bundesbehörden Hand in Hand zusammen arbeiten. Dieses »Berliner Modell« sei bisher bundesweit einzigartig, sagten Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und der Leiter der Berliner Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Wolfgang Meier, am Mittwoch. Die neuen Mieter des ehemaligen Landesbank-Gebäudes hatten zur Pressekonferenz in die noch-Baustelle geladen. Neben Sozialsenator Czaja und Wolfgang Meier saßen - fast - alle Institutionen auf dem Podium, die mit der Verwaltung und Versorgung der Flüchtlinge betraut sind. Franz Allert, Chef des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LAGeSo), Jutta Cordt von der Bundesagentur für Arbeit, Flüchtlingsstaatssekretär Dieter Glietsch sowie Sven Lemiss von der Berliner Immobilienmanagement GmbH. Von der Erstregistrierung beim Landesamt über den Antrag auf Asyl beim BAMF bis zur Ausländerbehörde und der Bundesagentur für Arbeit seien alle Entscheider unter einem Dach untergebracht.

Soko sucht nach Mohammed

Zu dem vermissten Flüchtlingsjungen Mohamed hat die Polizei 160 Hinweise gesammelt. Am Dienstag wurde eine Sonderkommission gebildet. Bis zu 50 Spezialisten arbeiten dort zusammen, um das Flüchtlingskind zu finden.

Mohamed ist seit dem 1. Oktober verschwunden. Der Vierjährige hatte das Gelände des Landesamts für Gesundheit und Soziales in Berlin-Moabit an der Hand eines etwa 35 bis 50 Jahre alten Mannes verlassen, wie auf einem veröffentlichten Video zu sehen ist. Die Ermittler suchen den unbekannten Mann, der den Jungen mitgenommen haben soll. Der Junge ist ungefähr einen Meter groß und hat kurze dunkle Haare. Zum Zeitpunkt seines Verschwindens trug er eine blaue Jeans, weiße Schuhe und einen roten Pullover. dpa/nd

Im von Czaja geschilderten Idealfall könne ein Flüchtling am ersten Tag seiner Ankunft in Berlin alle Behörden durchlaufen und ab dem zweiten Tag arbeiten. Erste Anlaufstelle für die täglich neu ankommenden Asylsuchenden bleibe aber die Turmstraße, sagte Glietzsch.

»Die Aufgabe wächst schneller, als Prozesse sich anpassen können«, sagte Sozialsenator Czaja. Alle dazu nötigen Änderungen der Abläufe müssten im laufenden Betrieb erfolgen. »Seit dem 5. September arbeiten wir rund um die Uhr«, sagte Czaja, der sich an dieser Stelle sowohl bei den Mitgliedern des Koordinierungsstabes bedankte als auch bei den Hilfsorganisationen und Ehrenamtlichen, die sich am LAGeSo für die Flüchtlinge einsetzten.

Jene Initiativen hatten die neue Registrierungsstelle in den vergangenen Tagen kritisiert. Flüchtlingsstaatssekretär Dieter Glietsch wie auch Czaja baten die Ehrenamtlichen und Hilfsorganisationen dennoch um eine »positive Begleitung« der neuen Registrierungsstelle. »Ohne sie geht es nicht.«

Im neuen Standort an der Bundesallee nehmen zunächst rund 100 Mitarbeiter der unterschiedlichen Institutionen ihre Arbeit auf. Allerts Behörde soll mit rund 65 Mitarbeitern, die »sukzessive aufgestockt« werden, auf drei Etagen einziehen. Die Ausländerbehörde plant langfristig mit 30, das BAMF mit bis zu 70 Mitarbeitern.

Der derzeitige Personalmangel am LAGeSo war indes erneut Anlass zur Kritik. Obwohl sich mittlerweile zirka 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berliner Verwaltungen sowie Ruheständlerinnen und Ruheständler freiwillig gemeldet haben, um das LAGeSo bei der Aufnahme der Flüchtlinge zu unterstützen, sei nur nur etwa die Hälfte für diese Arbeit ausgewählt worden, so die LINKE. Dies gehe aus einer schriftlichen Anfrage hervor »und wurde heute im Hauptausschuss mit aktuellen Zahlen bestätigt«, sagten die haushaltspolitische Sprecherin Manuela Schmidt und der flüchtlingspolitische Sprecher Hakan Taş. Vor allem der Einsatz von Beamten im Ruhestand biete großes Potenzial. Hier hatten sich laut Linkspartei bis zum 17. September 88 Freiwillige gemeldet, doch nur eine Person sei vermittelt worden.

»Die Zustände in der Registrierstelle sind katastrophal, das erleben wir Tag für Tag«, sagte der Kreisvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt Berlin-Mitte, Manfred Nowak dem rbb. »Eine Verlagerung in eine andere Stelle bedeutet nur einen weiteren Weg für die Flüchtlinge.«

Czaja kündigte außerdem an, dass an die Verwaltung in der Bundesallee zwei oder drei neue Flüchtlingsunterkünfte angebunden werden sollen. Dazu würden derzeit mehrere Gebäude geprüft, auch eins, das noch die BimA verwaltet.

Das Land Berlin hat am Mittwoch zudem eine Ausschreibung für den Bau neuer Gemeinschaftsunterkünfte veröffentlicht. Geplant seien gemäß einem von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt entwickelten Modell Gebäude, die aus fünfgeschossigen Grundmodulen für ca. 75 Bewohner mit Wohnungen, Doppel- und Einzelzimmer sowie Gemeinschaftsräumen bestehen.

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