Portugals Präsident vor folgenschwerer Entscheidung

Sozialisten wollen »alternative Lösung« / Konservatives Staatsoberhaupt hat Schicksal der möglichen Linksregierung in der Hand

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.
Portugals konservativer Premier Coelho will im Amt bleiben, hat aber keine Mehrheit. Ausgerechnet Parteifreund und Staatspräsident Cavaco könnte nun den Weg für eine Linksregierung frei machen.

Gut zwei Wochen nach der Parlamentswahl in Portugal haben die linken Parteien ihre Absicht bekräftigt, eine Linksregierung zu bilden und das Mitte-Rechts-Bündnis von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho von der Macht zu verdrängen. Der Kommunistenchef Jerónimo de Sousa hat am Mittwoch im Gespräch mit Präsident Anibal Cavaco Silva erklärt, es sei »Zeitverschwendung« Coelho erneut mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Zuvor hatte die Vorsitzende des Linksblocks (Bloco de Esquerda, BE) angekündigt, dass es eine stabile Mehrheit unter Führung der Partido Socialista (PS) im Parlament geben werde. Das Abkommen werde in wenigen Tagen stehen, sagte Catarina Martins. Der BE war der große Gewinner der Wahl. Die Marxisten konnten ihre Stimmenanzahl auf über 10 Prozent fast verdoppeln.

Ein Bündnis aus Sozialisten, Linksblock und der von Kommunisten angeführten Allianz CDU hatte sich zuletzt immer deutlicher abgezeichnet, nachdem Coelho die Gespräche mit PS-Chefs António Costa entnervt abgebrochen hatte. Costa war in zentralen Fragen hart geblieben. Er will entweder mit den Konservativen oder gegen sie den harten Austeritätskurs für das Land beenden.

Weil die Linke bisher sehr zerstritten war, wurde damit gerechnet, dass Costa eine konservative Regierung so lange stützen würde, bis die Lage für Neuwahlen für ihn günstig wäre. Doch der Linksblock und die Kommunisten brachten Costa mit Angeboten unter Druck, ein Bündnis unter PS-Führung zu akzeptieren. Und da sich Costa bei Coelho nicht durchsetzen konnte, kündigte er nun am späten Dienstag gegenüber Staatschef Cavaco an, er wolle eine Linksregierung bilden. Er habe eine Mehrheit für eine »alternative Lösung«, welche den »Willen der Portugiesen« respektiere.

Cavaco, ebenso wie Coelho der liberal-konservativen PSD angehörend, entscheidet nun, ob das Land in eine instabile Lage gerät - wenn er seinen Parteikollegen Coelho trotz allem mit der Regierungsbildung beauftragt. Dessen Programm würde von der linken Mehrheit abgelehnt, Dann käme es zu Neuwahlen. Die könnten nicht vor Mai 2016 stattfinden. »Das Land gewinnt nichts, wenn es in eine ungewisse Situation kommt«, appellierte Costa. Cavaco dürfe keine Versuche starten, die »keine Möglichkeit auf eine Parlamentsmehrheit haben«.

Zeitgleich verdichten sich Zweifeln an der Finanzlage Portugals. Vermutet wird, dass die Regierung Bilanzen aufgehübscht hat. Regierungsvertreter hätten Costa in den Gesprächen »unangenehme Überraschungen« angedeutet. Die Regierung Coelho »verstecke und vermeide Daten«, sagte Costa. Dem folgte ein Dementi. Doch das Misstrauen gegenüber der Arbeit der derzeitigen Regierung steigt. Die EU-Kommission hat Lissabon gerade erst gerüffelt. Die Konservativen haben nicht wie vereinbart bis zum 15. Oktober einen Budgetentwurf für 2016 nach Brüssel geschickt. Coelho argumentiert, dass sei Aufgabe der neuen Regierung.

Klar ist, dass die Lage des angeblichen Musterschülers nicht gut ist. Trotz Wachstums wurde 2014 das vereinbarte Defizitziel verfehlt und das wird auch für 2015 erwartet, obwohl die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) die Zinskosten deutlich gesenkt hat. Risikoaufschläge wurden pulverisiert. Doch bei der Staatsverschuldung liegt Portugal nun hinter Griechenland und bei der Gesamtverschuldung von Staat, Haushalten und Unternehmen steht das Land sogar noch schlechter da. Wird auch noch die politische Lage instabil, könnte dies Spekulanten locken. Steigen dann die Risikoaufschläge, könnten die Schulden schnell unbezahlbar werden.

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