Profitaspekt Flüchtlingszuzug
Neubau von Asylheimen sowie neue Fachkräfte erfreuen die Wirtschaft
Der Zuzug von 50 000 Menschen nach Berlin lässt auch die Wirtschaft florieren. Berliner Unternehmen wie Paranet beispielsweise, die Traglufthallen für mehrere Hundert Menschen herstellen, sind mittlerweile in ganz Deutschland aktiv. Weitere Branchen, die profitieren, sind Dienstleistungsbereiche wie Catering, Dolmetscher und das Handwerk. Einen regelrechten Boom erlebt derzeit das Sicherheitsgewerbe, das im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung allerdings immer wieder auch wegen Gewaltvorfällen in den Negativschlagzeilen ist. Der Personalbedarf ist enorm. »In diesem Bereich werden die Leute en masse gesucht«, sagt Christian Wiesenhütter, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer in Berlin (IHK).
Der Wirtschaftsverband stellte am Montag gemeinsam mit der Handwerkskammer Berlin eine neue Konjunktur-Umfage für die Hauptstadt vor. Der Geschäftsklimaindex, also die von den Unternehmen erwartete wirtschaftliche Entwicklung, bewegt sich demnach weiter auf hohem Niveau. Besonders positiv sind die Erwartungen nicht nur im Gastgewerbe, das durch Touristen, aber eben auch lange von der Hostelunterbringung von Flüchtlingen profitierte, sondern auch im Handwerk. »Im Berliner Handwerk brummt es richtig«, sagt der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin, Jürgen Wittke. Zukunftsfroh stimmt das Gewerbe unter anderem auch die vom Senat in Aussicht gestellten Wohnungsbaumaßnahmen. Insgesamt 612 Millionen Euro will der rot-schwarze Senat in den kommenden beiden Jahren für die Schaffung von rund 24 000 Wohneinheiten in Leichtbauweise schaffen, in denen auch Flüchtlinge untergebracht werden sollen. »Das sind Effekte, die die Gesamtnote in Berlin verbessern«, sagt Wiesenhütter. Schließlich sind es beim Wohnungsbau häufig lokale Unternehmen, die dabei zum Zuge kommen.
Neben den Baumaßnahmen und dem expandierenden Dienstleistungsgewerbe erfreut sich die Wirtschaft aber auch an dem Zuzug von jungen Syrern, die bleiben werden. »Die Erfahrung, die wir gemacht haben, zeigt, dass sind sehr motivierte Leute«, betont Jürgen Wittke. Die Lehre aus den vergangenen Monaten und den ersten Projekten mit Flüchtlingen sei aber auch, dass es beim Heranführen der Menschen an den Arbeitsmarkt schneller gehen muss. »Die Menschen dürfen nicht Jahre mit Nichtstun beschäftigt sein«, so der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer mit Blick auf die langwierigen aufenthaltsrechtlichen Prozeduren. Ansonsten sei es schwierig, die Motivation bei den Menschen wieder aufzubauen.
Mit Blick auf den akuten Fachkräftemangel in Berlin, der derzeit bei 27 000 Beschäftigten liegt, hat die IHK eine eigene Bedarfsrechnung durchgeführt: Dabei haben die Wirtschaftsvertreter vor allem die 3000 Syrer im Blick, die pro Jahr mit einem Hochschulabschluss nach Berlin kommen. Rund zehn Prozent, so schätzt der Verband, des Fachkräftemangels könnte durch den Zuzug aufgefangen werden. »Es wird Impulse geben, die sich positiv auf den Bereich der Unternehmen auswirken«, sagt Wiesenhütter. Vor allem gebe es eine »größere Verfügungsbereitschaft«. IHK und Handwerk sehen in den ankommenden Menschen deshalb vor allem eine »Chance«.
Ob es gelingt, die Menschen auszubilden und in Lohn und Brot zu bringen, wird jedoch davon abhängen, wie schnell sie integriert werden können. Nach der Erledigung der Notfallunterbringung und der Klärung der aufenthaltsrechtlichen Fragen rechnen die Wirtschaftsverbände im kommenden Frühjahr mit vielen dann anerkannten Flüchtlingen, die arbeiten wollen. Die Vorbereitungen gemeinsam mit den Arbeitsagenturen laufen für diese Situation auf Hochtouren. »Die Sorge ist, wo bekommen wir die zur Ausbildung nötigen Lehrkräfte her«, sagt Wiesenhütter. Und: Wie gelingt es, möglichst schnell, die Sprache zu vermitteln und Kompetenzen in Erfahrung zu bringen. Für die Wirtschaft steht allerdings auch fest, dass es für Flüchtlinge keine besonderen Programme geben soll, sondern alles in Regelprozessen abgewickelt wird. Hauptsache die Unternehmen bekommen die besten Leute, heißt es.
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