Telekom startet das Zweiklassennetz

Bonner Konzern kündigt Internet-Maut für »Spezialdienste« an / Kritiker sehen sich in ihrer Befürchtung vom Ende der Netzneutralität bestätigt

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.
Erst wenige Tage ist die Entscheidung des EU-Parlaments zur Netzneutralität alt, da stellt mit der Deutschen Telekom der erste Provider seine Pläne vor, um aus der umstrittenen Verordnung Profit zu schlagen.

Die Mitteilung hatte Telekom-Chef Timotheus Höttges vielleicht schon in der Schublade liegen. Immerhin war die umstrittene Entscheidung des EU-Parlamentes zur Netzneutralität bereits vor der Abstimmung am Dienstag absehbar. Insofern verwundert es kaum, dass der deutsche Telekommunikationsriese im Hintergrund bereits eifrig an der Umsetzung des Zweiklassennetzes arbeitet.

Nun ist klar: Die Deutsche Telekom will das Brüsseler Votum schnellstens in Profite ummünzen. In einer Stellungnahme kündigt Höttges schon einmal an, dass die Telekom das Geschäft mit den »Spezialdiensten« kräftig ankurbeln will. Konkret arbeitet der Bonner Konzern an einem Geschäftsmodell, das eine Umsatzbeteiligung der Telekom an Unternehmen vorsieht, die eine »gute Übertragungsqualität« für ihre Dienste benötigen.

Dieser Vorstoß zielt direkt auf jene Lücke der EU-Verordnung, die von Netzaktivisten bereits lange vor der Verabschiedung durch das Parlament massiv kritisiert worden war. Zwar enthält die neue Regelung einen Passus, wonach die Übertragung von Datenpaketen diskriminierungsfrei erfolgen müsse. Jedoch enthält die Verordnung zahlreiche Hintertüren und schwammige Formulierungen, die die Netzneutralität aushebeln könnten.

Dies will sich die Telekom nun zunutze machen. Höttges Mitteilung dürfte den Kritikern weitere Argumente liefern, warum die Verordnung den Einstieg in ein Zweiklassennetz bedeuten kann. Aus Sicht der Telekom ergibt sich dagegen ein möglicher neuer Millionenmarkt. Mögliche Geschäftsfelder gibt es viele. »Das fängt bei Videokonferenzen und Online-Gaming an und geht über Telemedizin, die automatisierte Verkehrssteuerung und selbststeuernde Autos bis zu vernetzten Produktionsprozessen der Industrie«, schreibt Höttges.

Würde die Telekom ihre vorgestellten Pläne tatsächlich in dieser Form umsetzen, ginge dies deutlich darüber hinaus, wovon seitens der EU-Kommission bisher die Rede war. Nicht nur Digitalkommissar Günther Oettinger (CDU) hatte in der Debatte auf die Befürchtungen der Kritiker stets mit dem Argument geantwortet, die Verordnung würde lediglich die Übertragung von Onlinediensten bevorzugen, die im Interesse der Allgemeintheit wären. Verstanden wurden darunter allerdings beispielsweise Notrufdienste, wohl kaum aber eine Überholspur für Online-Spiele. Überraschen dürften Höttges Äußerungen aber weder Netzaktivsten noch die EU. Ähnliche Gedankenspiele hatte die Telekom bereits 2013 formuliert.

Besonders kleinere Firmen der IT- und Internetbranche hatten sich öffentlich vehement gegen die neue EU-Verordnung ausgesprochen. Ihre Befürchtung, von den Providern nun zur Kasse gebeten zu werden, bestätigt Höttges. Aus seiner Perspektive klingt es allerdings wie eine wunderbare Chance: »Gerade Start-ups brauchen Spezialdienste, um mit den großen Internetanbietern überhaupt mithalten zu können«, schreibt der Telekom-Chef. Um dann schließlich zu erklären: »Nach unseren Vorstellungen bezahlen sie dafür im Rahmen einer Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent. Das wäre ein fairer Beitrag für die Nutzung der Infrastruktur.« Will heißen: Der Provider arbeitet an einer Art Internetmaut für seine digitale Überholspur.

Nach Informationen von »Spiegel Online« begrüßte die Telekom-Konkurrenz die Pläne des Bonner Konzernes, arbeitet aber selbst wohl noch nicht an eigenen Umsetzungen. »Vodafone verfolgt derzeit keine solchen Planungen, die Aussagen der Telekom sind aus unserer Sicht aber richtig«, erklärte ein Sprecher.

Wenig überrascht von den Telekom-Plänen ist Julia Reda (Piratenpartei), Abgeordnete im EU-Parlament. »Kaum 2 Tage nach Abstimmung #Netzneutralität kündigt #Telekom an, Startups für ‘Spezialdienste’ zur Kasse zu bitten«, kommentiert sie die Ankündigung via Twitter. Und der Abgeordnete und Satiriker Martin Sonneborn kommentiert: »#Oettinger & seine #Netzneutralität: gerade von CDU & z.T. SPD im EU-Parlament beschlossen, und schon sagt #Telekom neue Tarife an. ROLF!«

Allerdings ist unklar, inwieweit die Deutsche Telekom ihre Ankündigung auch in die Tat umsetzen kann. Noch muss die EU-Verordnung von den nationalen Regulierungsbehörden umgesetzt werden. Provider, Internetfirmen und Netzaktivisten werden Versuchen, diesen Prozess im ihrem Sinne zu beeinlussen.

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