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Starker Tobak, gut bekömmlich

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Das sitzt: 44 Prozent aller Befragten einer Forsa-Umfrage stimmen dem Lügenpresse-Gepöbel der Pegida-Demonstranten zu. Das stellt unsere Demokratie fraglos auf eine harte Probe - die man besteht, indem man Pegida-Freunde aus eben jener Lügenpresse als Hauptlügner entlarvt. Der Chefredakteur der österreichischen »Kronen«-Zeitung, Christoph Biro, etwa hat in seinem Blatt über sexuelle Übergriffe von Flüchtlingen gehetzt, die ihre Notdurft zudem angeblich in Bahnwaggons verrichten oder kollektiv Supermärkte gestürmt haben. Steile These, nur eben erstunken und, genau: erlogen, wie die österreichische Polizei mitteilen ließ.

Da Rassisten jeder Art aber lieber Flaschendrehen, um Tat oder Wahrheit zu ermitteln, als sich zu informieren, bleiben Blätter wie das von Biro Sprachrohre der Dummheit, während kluge Medien wie die »Südwest Presse« in Hassmails ertrinken, falls sich ein Redakteur mal erdreistet, fremdenfreundlich zu kommentieren. DFB-freundlich kommentiert hingegen Alfred Draxler, und zwar so faktenresistent, dass der langjährige Sportgruppenleiter der »Bild«-Zeitung im Netz als das gedisst wird, was er seit 15 Jahren ist: Beckenbauers willfähriger Speichellecker.

Noch länger ist Jürgen Domian als WDR-Kummerkasten zu sehen. Kurz vor seinem Abschied widmet ihm sein Sender am heutigen Montag das Porträt »Zwischen Tag und Nacht«, natürlich zur mondsüchtigen Zeit, 23.15 Uhr. Geisterstunde also, wo Zombies durchs Programm geistern. Am Freitag um 0.25 Uhr, wenn die Kleinsten - denen der KiKa ab Montag (18.15 Uhr) »Der kleine Drache Kokosnuss« schenkt - im Bett sind, zeigt RTL2 das nächste Untoten-Epos im Fahrwasser des Erfolgs: »Z Nation«, leichtfüßiger als »Walking Dead«, manchmal gar lustig, vor allem aber optimistischer - trägt die Hauptfigur doch jenes Antiserum in sich, das beim großen Vorbild außer Sicht ist.

Den Bedarf nach einem Wirkstoff gegen das Wettbewerbsfernsehen erhöht abermals Vox, wo der notorische Guido Maria Kretschmer am Dienstag im Kampfnähen »Geschickt eingefädelt« den besten Amateurschneider ermittelt. Geklaut in England, gelangweilt in Deutschland, Geschlechterklischees für Millionen. Davon ist Lars Kraumes Melodram »Meine Schwestern« um eine Todkranke (Jördis Triebel), die Mittwoch auf Arte ihre letzten Tage mit Verwandtschaft (Nina Kunzendorf, Lisa Hagmeister) verbringt, weit entfernt. Ein vorurteilsfreier Frauenfilm, also anders als alles, was 365 Tage quasi rund um die Uhr bei der Privatkonkurrenz läuft.

Deshalb findet man dort auch nie Filme wie die Musik-Doku »Deutsche Pop Zustände«, mit der 3sat ebenfalls am Mittwoch um 23.25 Uhr den Themenabend »Rechts - extrem - gefährlich« beschließt, was drei Stunden zuvor von der Analyse des Prozesses gegen Beate Zschäpe eingeleitet wird. Starker Tobak, gut bekömmlich. Ballaststoffreiche Schonkost verabreicht der NDR in seiner Komödienreihe »Nordlichter«, die fortan den Donnerstag ab 22 Uhr erheitert. Zum Auftakt: Hanno Olderdissens Spielfilmdebüt »Familie verpflichtet«, der den homoerotischen Clash der Kulturen wohl zu drastisch fürs Publikum des ARD-Hauptprogramms bebildert.

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