Im Oktober flohen über 200.000 Menschen über das Mittelmeer

UNHCR: Insgesamt 700.000 Menschen fliehen 2015 über diese Route / 3329 Menschen starben seit Jahresbeginn bei Bootsunglücken

  • Lesedauer: 3 Min.

Genf. Im Oktober sind nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 218.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa gekommen. Das sei die höchste Zahl, die jemals innerhalb eines Monats registriert worden sei, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Montag in Genf mit. Mit 218.394 Menschen flohen allein im Oktober mehr Menschen über das Mittelmeer als im gesamten Jahr 2014.

724 .000 Bootsflüchtlinge im Jahr 2015

Sie zwängen sich in unsichere Boote und wagen die lebensgefährliche Fahrt über das Mittelmeer. Mehr als 724.000 Menschen aus Krisenländern wie Syrien, Afghanistan und dem Irak sind nach UN-Angaben seit Anfang des Jahres über das Mittelmeer nach Europa geflohen. 3329 Flüchtlinge und Migranten starben seit dem 1. Januar bei Bootsunglücken, das sind mehr als die 3279 im Jahr 2014.

Mit dem bevorstehenden Winter wird die Fahrt noch risikoreicher. »November bis März ist die typische Zeit, in der es Stürme geben kann, wo es kühler wird, wo es starke Tiefdruckgebiete mit Regen gibt. Im Mittel sind die Bedingungen ungünstiger und damit für die Flüchtlinge auch gefährlicher«, sagte der Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach, Andreas Friedrich.

Auch die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) sieht eine steigende Gefahr für die Flüchtlinge. Außer Seegang könne die Kälte schnell lebensbedrohlich für die Menschen werden, sagte der DGzRS-Sprecher Christian Stipeldey in Bremen. »Die Luft selbst ist eine Gefahr. Wenn ich ohne Schutzkleidung auf offenen Booten sitze, dann kühle ich aus.« Besonders dramatisch werde es, wenn Boote auf See kenterten. »Im Wasser hat man möglicherweise nur wenige Minuten, bis man bewusstlos wird oder bis man Spritzwasser einatmet und über das Spritzwasser, das man in die Lunge eingeatmet hat, innerlich ertrinkt«, erklärte Stipeldey.

Da viele Flüchtlinge stunden- oder tagelang auf flachen Booten unterwegs sind, sei Spritzwasser generell eine große Gefahr, fügte er hinzu. Viele atmeten durch die Luft fliegendes Wasser mit der Atemluft ein. Sammle sich dies in der Lunge, könne es schnell lebensbedrohlich werden. »Je bewegter das Meer ist, desto mehr Wasser ist in der Luft«, sagte Stipeldey. Auch aus diesem Grund sei die Überfahrt im Winter noch gefährlicher als sonst.

Große Herausforderungen sieht die DGzRS auch für die Rettungskräfte. »Im Winterhalbjahr ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass es zu außergewöhnlichen Lagen - Starkwindlagen - kommt. Je höher der Seegang ist, desto schwieriger ist die Rettung von Menschen in Not.«

DWD-Sprecher Friedrich verwies darauf, dass es auch in der kalten Jahreszeit Tage gibt, an denen das Meer ähnlich ruhig ist wie im Sommer. »Aber diese Phasen sind deutlich seltener.« Auf den Flüchtlingsrouten über das Mittelmeer könne es in den kommenden Monaten nachts einstellige Temperaturen geben, tagsüber nur knapp über zehn Grad warm werden. »Auch die Wassertemperaturen gehen runter. Da wird es auf jeden Fall gefährlicher für die Flüchtlinge.« Agenturen/dpa

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