»Abschiebung läuft ruhig und gesittet«

Ein Ortstermin in der »Ankunfts- und Rückführungseinrichtung I« im oberbayerischen Manching bei Ingolstadt

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 5 Min.
In Manching befindet sich die erste Sammelunterkunft für Flüchtlinge, denen aufgrund ihrer Herkunftsländer keine Bleibechance eingeräumt wird. Über ihre Anträge wird in zwei bis fünf Tagen entschieden.

Gott sei Dank ist es dann doch nicht die Ingolstädter Schlachtviehhalle, in der die Asylsuchenden untergebracht sind. Denn dorthin hatte das Navigationsgerät des Autos die Adresse »Am Hochfeldweg 20« verlegt - was für eine Symbolik wäre dies gewesen. Die gesuchte »Ankunfts- und Rückführungseinrichtung I« ist tatsächlich aber gut 150 Meter weiter die Straße hinunter zu finden - auf dem Gelände der ehemaligen Immelmann-Kaserne im oberbayerischen Manching bei Ingolstadt.

Die Regierung von Oberbayern hatte zu einem Pressetermin geladen. Besichtigungsobjekt ist das bundesweit erste Lager für Schnellabschiebungen. Hier sollen in Zukunft vor allem die Verfahren von Asylbewerbern aus den Balkanstaaten in kurzer Zeit über die Bühne gehen - mit fast garantiert negativen Ergebnissen.

Das Tor wird von einem privaten Sicherheitsdienst bewacht und öffnet sich auf Anfrage. Dahinter befinden sich die flachen Gebäude der ehemaligen Kaserne, zum Teil mit Stacheldraht abgezäunt. An einer Mauer ist noch ein Emblem mit einer aufgemalten »Patriot«-Rakete zu sehen, über einem Eingang ist »Flugabwehrraketen Gruppe 23« zu lesen. Ein paar Kilometer entfernt liegt der Militärflugplatz Manching, dort können große Transall-Transportflugzeuge starten. Die Journalisten sollen sich erst mal an einer Sammelstelle auf dem Parkplatz treffen, sagt ein stämmiger Wachdienstmitarbeiter. Und merke: Fotografieren ist noch verboten.

Dann geht es zu einem flachen Gebäude. Innen wird noch umgebaut, am Boden neuer lindgrüner Belag, an der Decke baumeln ein paar lose Kabel. Unter dem Neonlicht nehmen die Behördenvertreter vorne auf einem Pult Platz. Darunter Maria Els, die stellvertretende Regierungspräsidentin von Oberbayern.

»Ziel ist«, sagt sie, »das Verfahren sehr schnell durchzuführen.« Sie meint die »Asylbewerber mit geringer Bleibewahrscheinlichkeit«, wie es im Amtsdeutsch heißt. Gemeint sind damit die Asylsuchenden aus den Balkanstaaten, die nach gesetzlicher Definition als »sichere Drittstaaten« gelten, darunter Albanien, Mazedonien, Montenegro, Serbien und Kosovo. Die Vizeregierungspräsidentin betont aber auch: »Schnelles Verfahren bedeutet nicht, dass das rechtsstaatliche Verfahren beschnitten wird.« Beschleunigt werden sollen die Verfahren durch die Konzentration der beteiligten Behörden direkt in der Einrichtung selbst.

Szenenwechsel. »An alle, die Pressekonferenz ist beendet«, sagt einer der Wachmänner in sein Funkgerät. Wir machen uns auf zu den anderen Gebäuden des Asylbewerberlagers. Mit dabei Heribert Binter vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, er leitet die örtliche Behörde. Sein Büro liegt im ersten Stock des Verwaltungstraktes, an den Wänden sind noch die hölzernen Nischen für die Gewehre der Soldaten zu sehen. Ein langer Flur, an den Türen hängen Schilder mit der Aufschrift »Entscheider« und ein Name. Hier wird über die Asylanträge entschieden. »Das geschieht mittlerweile in zwei bis fünf Tagen«, sagt Behördenleiter Binter. Eröffnet wurde die »Ankunfts- und Rückführungseinrichtung I« am 1. September.

Seither wurden 90 Menschen abgeschoben, 220 sind »freiwillig« in ihre Heimatländer zurückgekehrt, was immer das bedeutet. Abschiebung heißt, dass die Polizei früh am Morgen kommt, die Betroffenen werden zum Münchner Flugplatz gebracht, dort setzt die Bundespolizei sie in ein Flugzeug. »Die Abschiebung läuft sehr ruhig und gesittet«, sagt eine Mitarbeiterin, »die Menschen sind gefasst.«

Neben dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind auf dem Gelände noch andere Behörden präsent. Das gesamte Verfahren von der Registrierung des Asylsuchenden über die Gesundheitsuntersuchungen, die Aktenanlage, die Anhörung und schließlich die Entscheidung über den Asylantrag findet hier statt. Vor Ort ist auch eine Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichtes München, hier kann Widerspruch gegen abgelehnte Asylanträge eingelegt werden. »Nein«, sagt Behördenleiter Binter, »einen positiven Bescheid hat es noch nicht gegeben.«

Die ehemalige Immelmann-Kaserne ist bei den Verfahren die zentrale Einrichtung, es gibt aber noch weitere Unterkünfte im Umkreis. In der Kaserne selbst leben derzeit 345 Asylbewerber, ihre Zahl soll auf bis zu 500 aufgestockt werden. Hinzu kommen noch Außenstellen an der Manchinger Straße, an der Marie-Curie-Straße und an der Neuburger Straße.

An den vier Standorten sollen nach dem Ausbau rund 1900 Betten zur Verfügung stehen. Ab 1. November wird die Asyleinrichtung von einer privaten Firma aus München betrieben, was Unterkünfte und Verpflegung anbelangt. Diese Firma trägt den in diesem Zusammenhang etwas eigenartigen Namen »Fairprice Hostel«, man wirbt für sich als »der Profi für Arbeiterwohnheime«.

Es liegt ein grauer Himmel über der Asylbewerberunterkunft. Die gelb gestrichenen ehemaligen Bundeswehr-Gebäude sind in eher heruntergekommen Zustand, jedenfalls was die Außenseite der Fenster anbelangt. Etwas Farbe in das Szenario bringt die bunte Wäsche, die an den Zäunen aufgehängt sind.

»Die hygienischen Verhältnisse sind nicht gut«, beklagt die 27-jährige Albana. Seit einem Monat lebt sie mit ihrem Mann Nehar und drei Kindern im Alter von neun, sieben und einem Jahr hier in der Unterkunft. Den Asylantrag haben sie schon vor sechs Monaten gestellt, doch bis heute noch keine Entscheidung erhalten. Bevor sie in diese Abschiebeunterkunft eingewiesen wurden, lebten sie in Eichstätt, der 32-jährige Mechaniker reparierte dort Fahrräder für die Caritas. Natürlich unentgeltlich.

Die Familie stammt aus dem Norden von Kosovo und Nehar hat Angst vor Spezialeinheiten der kosovarischen Polizei. Er hat früher mit Serben zusammengearbeitet und gilt jetzt vielen als Verräter. Deshalb haben er und seine Frau in Deutschland Asyl beantragt. Sie warten darauf, dass ihr Antrag genehmigt wird, ein eingeschalteter Rechtsanwalt macht ihnen dabei durchaus Hoffnung. Albana hat gesundheitliche Probleme mit ihrer Niere, deshalb ist sie mit der Unterkunft hier nicht zufrieden. Ihr Ehemann sorgt sich um die Kinder. Für sie gibt es keinen Schulunterricht.

Hierher in die Immelmann-Kaserne und die Außeneinrichtungen sollen in Zukunft alle Asylbewerber aus den westlichen Balkanstaaten gebracht werden. Der Freistaat will eine landesweite Konzentration der »Asylbewerber mit geringer Bleibewahrscheinlichkeit« in den zwei bayerischen Einrichtungen von Ingolstadt/Manching und Bamberg. Bei dem Pressetermin erklärte die Vizepräsidentin auf Nachfrage dieser Zeitung, dass der Flughafen Manching bei den Abschiebungen keine Rolle spiele.

Inzwischen berichtete allerdings der Bayerische Rundfunk mit Berufung auf das bayerische Innenministerium, dass die Justizvollzugsanstalt im nagegelegenen Eichstätt zu einem Abschiebegefängnis umfunktioniert werde. Eichstätt, so das Ministerium, sei der perfekte Ort für ein Abschiebegefängnis. Seien doch dort das Rückführungszentrum und der nahe Flugplatz in Manching nicht weit entfernt. Flüchtlinge könnten also von Eichstätt schnell und unkompliziert abgeschoben werden. Das Innenministerium gab auf Nachfrage von »nd« allerdings keine Bestätigung oder Stellungnahme zu diesem Sachverhalt ab.

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