Verbot an geschichtsträchtigem Tag

Münchner Kreisverwaltung untersagt Kundgebungen von Pegida am 9. November / Bündnis mobilisiert zu Gegendemonstration

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 3 Min.
Pegida darf am Montag nicht in der bayerischen Landeshauptstadt demonstrieren. An dem Tag vor 77 Jahren hatte das NS-Regime Jagd auf Juden gemacht.

Das Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR) hat eine von Pegida angemeldete Kundgebungen am 9. November, dem Tag der Reichspogromnacht, vor der Feldherrnhalle verboten. Auch eine daraufhin angemeldete zweite Demonstration zum »Fall der Mauer« wurde nicht genehmigt. Die Behörde ist davon überzeugt, dass diese zusätzlich angemeldete Versammlung »unter dem Deckmantel eines neuen Versammlungsthemas lediglich eine Ersatzveranstaltung« darstelle und dass die Teilnehmer »ihre hetzerischen Thesen und antisemitischen Provokationen auch an dieser zweiten Örtlichkeit artikulieren werden«. In der Vergangenheit hatte das Verwaltungsgericht allerdings die Demonstrationsverbote aufgehoben. Das Bündnis »München ist bunt« hat dazu aufgerufen, am Montagnachmittag am Odeonsplatz gegen »Hass, Fremdenfeindlichkeit und Angriffe gegen unsere Demokratie« zu protestieren.

Mit der Gegendemonstration soll verhindern werden, dass sich Szenen wie am 12. Oktober abspielen. An dem Tag kletterten stadtbekannte Neonazis, die zuvor bei Pegida mitmarschierten, auf die Feldherrnhalle und skandierten »hasta la vista antifascista«, einer hob den rechten Arm wie zum Hitlergruß. Pegida hat sich bis heute nicht von dieser Aktion distanziert, genauso wenig wie von den unter Neonazis beliebten Rufen nach »nationalem Widerstand«. Auch eine Reichskriegsflagge wehte in der Menge. Bei Pegida werden völkische Parolen skandiert, Gegner sollen wegen »Volksverrats« vor Gericht gestellt und abgeurteilt werden.

Wilfried Blume-Beyerle von der KVR hat sich deshalb für ein Demoverbot am 9. November entschieden. Ob die Behörde damit vor Gericht allerdings durchkommt, ist noch offen. In der Vergangenheit war die Stadt mit ihrem Anliegen mehrmals gescheitert. Die Verwaltungsgerichte sahen den ziemlich eng gefassten Paragrafen des Versammlungsgesetzes nicht erfüllt, der ein Verbot oder eine Verlegung zulässt. Begründung: Es gebe noch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Versammlungen ein »rechtsextremistisches Gepräge« aufweisen. Allein die Teilnahme einiger Neonazis reiche hierfür nicht aus.

Die KVR hofft nun, dass ihre Verbote und Verlegungen vor Gericht Bestand haben, danach dürfen die von Pegida angemeldeten Versammlungen erst einen Tag später stattfinden: »Die für den 9. November 2015 am Odeonsplatz, Platz vor der Feldherrnhalle, angezeigte Versammlung darf an diesem Tag im gesamten Stadtgebiet nicht stattfinden und wird auf den Folgetag verlegt. Am Folgetag darf die Versammlung nicht an historisch belasteten Orten stattfinden.« Auch bei der zweiten angemeldeten Versammlung unter dem Motto »Fall der Mauer am 9. November. Mit friedlichen Spaziergängen die Politik gestalten«, geht die KVR davon aus, dass es Pegida dabei nicht um den Tag des Mauerfalls geht. Diese zweite Versammlung wurde erst angemeldet, nachdem die erste Demonstration vor der Feldherrnhalle untersagt worden war. Die Veranstaltung an der Münchner Freiheit erscheint der Behörde vielmehr als ein Versuch, unter einem vermeintlich »unverdächtigen« Thema und an einem historisch nicht belasteten Ort trotzdem am Jahrestag der Reichspogromnacht aufmarschieren zu können.

Die Hoffnung auf einen Bestand des Verbotes stützt sich darauf, dass die insbesondere in München stattfindenden Pegida-Versammlungen in den vergangenen Wochen und Monaten das »wahre Gesicht von Pegida« offenbart hätten. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass Pegida München seit Kurzem vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Der bayerische Staatsminister Joachim Herrmann (CSU) teilte dazu mit, dass einige, die in der Führungsriege tätig seien, »rechtsextremistische Züge haben könnten«. Um die Würde der Opfer des NS-Regimes zu schützen, sei es daher zwingend erforderlich, so die KVR, beide Versammlungen am 9. November zu verbieten. »Es wäre eine unerträgliche Vorstellung, wenn am Tag der Reichspogromnacht, die in München ihren Ausgangspunkt hatte, extremistische und rassistische Versammlungen auf Münchens Straßen oder gar auf symbolträchtigen Plätzen stattfinden würden«, erklärte Blume-Beyerle.

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