Notstand um die Großen Seen

Das Afrika-Filmfest »Afrikamera« zeigt Filme aus dem Zentrum des Kontinents

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

In seinem achten Jahr ist »Afrikamera« von der eigenen Planung abgewichen und widmet sich der Geschichte, der Gegenwart und der (näheren) Vergangenheit des Kontinents. Und so heißt es nun nicht mehr »Re_Imaging Africa« - neue Bilder für Afrika. Stattdessen geht es um die Traumata der jüngeren Geschichte, die der Zukunft im Weg stehen.

Der Untertitel der Filmreihe legt sich inhaltlich und geografisch fest: »The Great Lakes«, die afrikanischen Großen Seen stehen im Zentrum. Aus Ruanda kommen die Filme also, aus dem Kongo, aus Burundi und aus Kenia. Wobei der Film aus Kenia (»Stories of Our Lives« über gleichgeschlechtliche Beziehungen in einem schwierigen Umfeld) inhaltlich wie ästhetisch ganz für sich steht.

Es ist der Genozid in Ruanda, es sind Massaker und Vertreibungen seit den Tagen der Unabhängigkeit des Landes, die die Mehrzahl der Filme füllen. Es ist Ursachenforschung für gegenwärtige Krisen in alten Konflikten, die »Afrikamera« diesmal betreibt. Das beginnt inhaltlich mit »100 Days«, dem ersten Spielfilm, der in Ruanda selbst über den Genozid gedreht wurde - auch wenn ein britischer Kameramann Regie führte. »100 Days« erzählt die Gräuel hautnah nach, nach eigener Anschauung von Regisseur Nick Hughes, nach Augenzeugenberichten, mit Laiendarstellern und an den Orten, an denen die Massaker tatsächlich stattfanden.

Die Doku »L‘Afrique en morceaux - La tragédie des Grands Lacs« (Afrika in Stücken - Die Tragödie der Großen Seen) von 2002 beleuchtet die Folgen des Genozids auf die Nachbarländer, die Demokratische Republik Kongo, damals noch Zaïre, und Uganda: Massenflucht von Tutsis nach der Unabhängigkeit Ende der 50er Jahre, von Hutus nach dem Genozid Mitte der 90er Jahre, darunter viele Militärs und Täter. Militarisierung, Vergeltungsdrang und Bodenschätze, dazu ehemalige Rebellen, die sich nach erfolgtem Staatsstreich selbst als Diktator inthronisieren wollen - es ist ein tragisches Amalgam, das der Film von Jihan El Tahri und Peter Chapell (noch ein britischer Kameramann, der in Afrika sein Thema fand) luzide auseinandernimmt und in den geopolitischen Kontext einordnet - auch wenn er mehr Fragen aufwirft als er beantwortet.

Drei weitere Filme bleiben ganz im Kongo: Der dokumentarische »Congo in Four Acts« von 2010 porträtiert ein Land, in dem der Staat durch Abwesenheit glänzt, wo es um Infrastruktur geht, um Gesundheitsversorgung, Ausbeutung von Menschen und Bodenschätzen - und um Geschlechterverhältnisse. Und gleich zwei neue Filme widmen sich einem Mann, der sich im Osten des Kongo, in der Provinz Kivu, darum bemüht, die drastischen Folgen von Entwurzelung, Militarisierung und Kampf um die Bodenschätze einzudämmen: Dr. Denis Mukwege, Gynäkologe, Träger des Alternativen Nobelpreises und vom Europäischen Parlament mit dem Sacharow-Preis ausgezeichnet, ist der Held von »L’homme qui répare les femmes« (Der Mann, die die Frauen flickt) und auch von »Congo, un médecin pour sauver les femmes« (Kongo. Ein Arzt, der Frauen rettet). Zwei Filme könnten einer zu viel sein, mag man denken - und läge falsch. Beide Filme sind bemerkenswert - so wie es der Mann und seine Arbeit mit massenvergewaltigten, dabei oft regelrecht aufgeschlitzten, vor den Augen von Familie und Gemeinschaft gezielt um jede Würde gebrachten Frauen ist. Beide zusammen ergeben am Ende fast doch so etwas wie ein Bild der Hoffnung. Wo solchen Gräueln solcher Einsatz entgegensteht, ist noch nicht alles verloren - genau von hier aus müsste ein neues Bild von Afrika starten. Am Ende also doch: Re-Imaging Africa.

10.-15. November, Kino Arsenal

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