Der Klimawandel verändert die Ozeane

Der Meeresspiegel steigt, das Wasser wird wärmer und saurer - mit fatalen Folgen für Menschen und Tiere

  • Elke Bunge
  • Lesedauer: 4 Min.
Studien und Szenarien zeigen, dass der Klimawandel die Ökosysteme schon jetzt gravierend beeinflusst. Vor allem die Weltmeere reagieren empfindlich. Die Folgen könnten für Hunderte Millionen Menschen verheerend sein.

Über 70 Prozent der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Die Ozeane sind nicht nur das größte Ökosystem der Erde, sondern auch ein exzellenter Indikator für die Folgen des Klimawandels. Vor allem der stetige Anstieg von Treibhausgasemissionen seit Beginn des industriellen Zeitalters hat zum Teil dramatische Konsequenzen für die Meere: Ihre Temperatur verändert sich, chemische Prozesse spielen sich anders ab als noch vor 100 Jahren, der Anstieg des Meeresspiegels wird Folgen für Hunderte Millionen Küstenbewohner haben. Aktuelle Studien und Modellszenarien zeigen, dass bereits bei einer Erderwärmung von zwei Grad Celsius bis zum Jahr 2100 - so das UN-Begrenzungsziel - Ballungsräume wie New York, Shanghai, Sydney, Tokio, aber auch europäische Städte wie Amsterdam oder Hamburg von Überschwemmungen bedroht sind. Laut dem Weltklimarat IPCC ist bei dem derzeit sich vollziehenden Klimawandel bis 2100 ein Anstieg des Meeresspiegels um 45 bis 82 Zentimeter zu erwarten.

Die US-amerikanische Geologin Andrea Dutton von der University of Florida hat in der Karibik und an der Westküste der USA, die noch vor 125 000 Jahren unter Wasser lagen, Felsen, Riffe und Sedimentgesteine akribisch untersucht. Ihre Messungen ergaben: Zu einem Zeitpunkt, als die Erdtemperatur nur etwa ein bis zwei Grad höher lag als heute und die Kohlendioxidsättigung der Erdatmosphäre bei 285 ppm (Teile auf eine Million) lag - an vielen Messpunkten der Erde werden heute 400 ppm festgestellt -, war der Meeresspiegel um sechs bis neun Meter höher als der aktuelle. Ähnlich verhielt es sich zu einem Zeitpunkt vor etwa drei Millionen Jahren: Bei einer CO2-Konzentration von 400 ppm und einer um zwei bis drei Grad höheren Erdtemperatur als heute war der Meeresspiegel, wie fossile Zeugen belegen, um 13 Meter höher. Duttons in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins »Science« vorgestellte Studien entsprechen Erkenntnissen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung: Die hohe CO2-Konzentration wie auch die infolge der Erderwärmung vonstatten gehende Abschmelzung der Gletscher und des Polareises werden einen unvermeidbaren Anstieg des Meeresspiegels nach sich ziehen.

Nicht allein dies wird ein Problem für die Menschheit und eine Bedrohung für Hunderte Millionen Küstenbewohner darstellen, auch der Wandel des Biotops Meer ist bedenklich. Laut den Ozeanografinnen Lisa Levin (University of California) und Nadine le Bris (Sorbonne, Paris) bringen der Anstieg der CO2-Konzentration und die Erwärmung der Meere die biologische Vielfalt unter Wasser in Gefahr. Zwar wird mehr als ein Viertel des Treibhausgases von den Ozeanen aufgenommen; ohne diesen Speicher wäre es heute auf der Erde um einiges wärmer. Doch die hohe Konzentration von CO2 im Meer führt zu einer Wandlung in Kohlensäure und damit zu einer dramatischen Abnahme des für die Meeresfauna notwendigen Sauerstoffs. Bereits ein Temperaturanstieg von 1 bis 1,4 Grad Celsius hat ein Übersäuern und einen drastischen Rückgang der Sauerstoffkonzentration im Bereich bis 200 Meter unter der Meeresoberfläche zur Folge. Dort leben die meisten Meeresbewohner. Die Forscherinnen befürchten eine drastische Reduzierung der Populationen und ein Aussterben ganzer Arten.

Wissenschaftler der University of Washington und des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung wiederum rechnen bei der gegenwärtigen Erderwärmung bis 2100 mit einem Rückgang des Sauerstoffgehalts der Meere um fünf bis zehn Prozent. Die Folge wäre eine Ausdehnung der »Todeszonen«: quadratkilometergroße Meeresflächen in Küstennähe, in denen schon heute jedes Leben erstorben ist. Vor allem Korallen, Stachelhäuter und Weichtiere reagieren empfindlich auf ein Absinken des pH-Wertes. Fische und Krebse zeigen sich zunächst robuster, wandern jedoch aus angestammten Siedlungsgebieten ab. Ein Trend, den auch eine ebenfalls in »Science« veröffentlichte Studie von William Sydeman (Farralon Institut für Studien von Ökosystemen, Kalifornien) bestätigt. Die von ihm geleitete Forschungsgruppe zeigte Korrelationen zwischen Temperaturanstieg und Übersäuerung der Weltmeere sowie einem teils dramatischen Rückgang der Population von Meeressäugern, Vögeln und Fischen auf.

Auch für die Menschen, die an der Küste wohnen, und jene, die vom Meer leben, könnten die Folgen eines uneingeschränkten Klimawandels verheerend sein. Schon mit der avisierten Erderwärmung von 2 Grad Celsius stiege der Meeresspiegel derart, dass laut Schätzungen 170 Millionen Menschen ihren Lebensraum verlassen müssten. Szenarien, nach denen die Temperaturen noch höher steigen, sehen eine Evakuierung von über 600 Millionen Menschen vor.

Zudem hätte ein starker Rückgang des Meereslebens drastische Auswirkungen auf die menschliche Ernährungssituation: Sowohl ein Rückgang der Fischerei als auch die über den Meeren startenden Extremwettergeschehnisse mit ihren Auswirkungen auf dem Festland und die dort ansässige Landwirtschaft könnten zu Hungerkatastrophen führen.

Technische Ansätze wie die Entsalzung des Meeres und chemische Verfahren, um der Übersäuerung entgegenzuwirken, können die Entwicklung teilweise bremsen. Weltumspannende Maßnahmen sind indes schwer durchzusetzen, weil 67 Prozent der Meere unter nationales Hoheitsrecht fallen. Handlungsbedarf ist auf jeden Fall vorhanden - die Meere werden bei der Weltklimakonferenz in Paris kein Randthema sein.

Bisher in unserer Serie erschienen: Klimafinanzen (7. 11.), sozial-ökologische Transformation (11. 11.)

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