Verhütung mit Risiko

Bayer wegen Antibaby-Pillen mit dem Wirkstoff Drospirenon nun auch in Deutschland vor Gericht

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Antibaby-Pillen mit dem Wirkstoff Drospirenon stehen unter dem Verdacht, Embolien und Thrombosen zu verursachen. Jetzt wird ein Verfahren gegen Hersteller Bayer in der Bundesrepublik eröffnet.

Yasmin, Yasminelle, Yaz, Aida oder Petibelle - harmlos klingen die Namen der Antibaby-Pillen, die Drospirenon enthalten. Die Präparate gehörten lange zu den meistverkauften Verhütungsmitteln weltweit, noch 2014 machte Bayer damit einen Umsatz von 768 Millionen Euro. Zuvor hatte der Jahresumsatz schon bei mehr als einer Milliarde Euro gelegen, inzwischen laufen jedoch einige der Patente aus. Gegenüber der vorherigen, zweiten Generation dieser Verhütungsmittel bringen die moderneren Drospirenon-Pillen aber ein verdoppeltes Embolie- und Thromboserisiko mit sich.

Felicitas Rohrer aus Bad Säckingen etwa erlitt nach der Einnahme des Präparats Yasminelle vor sechs Jahren eine schwere Lungenembolie. Sie überlebte, leidet allerdings bis heute unter den Nachwirkungen und muss Medikamente einnehmen. Sie engagiert sich nun gegen die gefährlichen Antibaby-Pillen und sprach auch mehrfach auf der Hauptversammlung des Leverkusener Herstellers - auf Einladung seiner Kritiker, der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG). Der Vorstand des Unternehmens äußerte sich jedoch nicht zur Forderung nach dem Verbot der Produktgruppe. Rohrer verlangt in dem Verfahren, das am 17. Dezember vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen (Baden-Württemberg) eröffnet werden soll, Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 200 000 Euro wegen ihrer Gesundheitsschäden. Jedoch geht es Rohrer und ihren Mitstreiterinnen von der Selbsthilfegruppe Drospirenon-Geschädigter nicht um das Geld, sie wollen vor allem andere Betroffene ermutigen, an die Öffentlichkeit zu gehen. Am Ende sollte ein Verbot dieser Art von Antibaby-Pillen stehen.

Bisher nannten Bayer-Vertreter die Ansprüche »unbegründet« und bekundeten die Absicht, sich gegen die Klage »entschieden« zur Wehr zu setzen. Die Verteidigungsstrategie bestand vor allem darin, die gefährlichen Nebenwirkungen als »Einzelfälle« abzutun. Auch in diesem Jahr hieß es, das man weiterhin von einem »positiven Risiko-Nutzen-Profil« ausgehe.

In den USA hat der Konzern bereits Entschädigungen in Höhe von fast zwei Milliarden Dollar an Drospirenon-Opfer gezahlt. Hier hatten mehrere Tausend Frauen gegen Bayer geklagt und das Unternehmen gezwungen, bis Anfang 2015 etwa 9000 Vergleiche abzuschließen. Die Verantwortung für die Nebenwirkungen erkannte das Unternehmen jedoch nicht an.

2009 war in der Schweiz das Schicksal einer 16-Jährigen bekannt geworden, die wenige Wochen nach Beginn der Einnahme der Antibaby-Pille Yasmin eine Lungenembolie und eine schwere Hirnschädigung erlitt. Seitdem ist sie schwerstbehindert. Mit ihrem Anspruch auf Schadensersatz war die Familie der Frau vor dem Schweizer Bundesgericht jedoch gescheitert. Die an die Ärzte gerichtete Fachinformation habe durchaus auf die Risiken des Präparates hingewiesen.

Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) warnt seit Jahren vor den Gefahren der Produktgruppe. Zumindest mehr Aufklärung der Patientinnen wird immer wieder gefordert, jüngst erst durch den Arzneimittelexperten Gerd Glaeske aus Bremen. Zuvor hatten Fernsehrecherchen gezeigt, dass ein Teil der Gynäkologen in Deutschland seine Patienten nur oberflächlich oder gar nicht über die Risiken informierte.

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