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Jenseits von Borobudur

André Vltchek über ein Archipel der Furcht: Indonesien

Das ist ein sehr trauriges Buch. Es berichtet von einem blutigen Putsch und Massakern, von Kriminalität, Korruption und religiöser Indoktrination. André Vltchek zeichnet ein Bild vom wahren Indonesien, das in den Medien kaum auftaucht.


André Vltchek: Indonesien. Archipel der Furcht.
Vorwort von Noam Chomsky. A. d. Engl. v. Einar Schlereth.
Zambon. 258 S., br., 20 €.


Schon im Vorwort klagt der US-amerikanische linke Intellektuelle Noam Chomsky die »mörderische und bösartige Regierung Suhartos« an, die vom Westen nicht nur bewundert, sondern bei ihren empörenden Verbrechen unterstützt worden ist - weil sie das Land westlicher Ausbeutung öffnete. Chomskys Landsmann, der Diplomat und Historiker George F. Kennan, benannte bereits 1948 Indonesien als einen »Fixpunkt in der Kette von Inseln, die sich von Hokkaido bis Sumatra erstrecken, und die wir zu einer politisch-ökonomischen Gegenkraft zum Kommunismus entwickeln sollten« und »als Basis für mögliche US-militärische Aktionen darüber hinaus«. Den antikommunistischen Strategen war es ganz und gar nicht genehm, als der Archipel in den 1950er Jahren unter dem nationalen Befreiungsführer Sukarno und unter Regierungsbeteiligung der Kommunisten einen unabhängigen und selbstbewussten Weg einschlug. Das brachte die Alarmglocken in Washington zum Schrillen. Auf Unbehagen stieß dort zudem die 1955 im indonesischen Bandung geborene Blockfreie Bewegung.

Auf 500 000 bis drei Millionen Ermordete wird die Zahl der Opfer des von den USA orchestrierten Putsches von 1965 geschätzt. Die Elite Indonesiens, Schriftsteller, Künstler, Lehrer, Gewerkschaftler und progressive Offiziere, wurden heimtückisch gemeuchelt. Doch damit nicht genug. Der 1975 erfolgten Besetzung von Ost-Timor durch das Suharto-Regime folgte die Liquidierung von etwa 30 Prozent der dortigen Bevölkerung. Und die stetigen Attacken auf Papua kosteten bis dato schon mindestens 120 000 Menschenleben, weiß Vltchek. Erst jetzt beginnt allmählich die Aufarbeitung und Ahndung all der Verbrechen.

Den Untertitel seines Buches erklärt der 1963 in Leningrad geborene Autor, inzwischen Besitzer eines US-amerikanischen Passes, mit den verschiedenen Arten von Furcht, die Indonesiens »kleine Leute« bedrücken und einschüchtern. Es genügt, einer ethnischen oder religiösen Minorität anzugehören, um angefeindet und ausgegrenzt zu werden. Da ist zudem die Furcht vor Krankheit, denn das indonesische Gesundheitssystem ist eines der teuersten in Asien. Und man fürchtet, gesellschaftliche Probleme und politische Missstände offen anzusprechen, obwohl Indonesien offiziell seit 1998 keine Diktatur mehr ist.

Die soziale Ungleichheit hat epische Proportionen erreicht, berichtet Vltchek. »Ein üblicher Anblick in Indonesien sind obdachlose Kinder, die an Unterernährung leiden und in offenen Abwässern spielen, direkt neben Luxus-Einkaufszentren mit Markennamen und Marmorböden und Luxusautos.« Indonesien scheint das Mitleid abhanden gekommen. Die »drittgrößte Demokratie der Welt«, wie es angesichts des Bevölkerungsreichtums heißt, bleibt in Modernisierung und Wirtschaftskraft weit hinter China und Indien, aber auch Vietnam, Singapur, Malaysia, Thailand zurück. Die Kluft wird immer größer. Vltchek, der sich in Indonesien auskennt wie wenige Ausländer, berichtet auch über fatale Umweltsünden. Weiträumige Abholzungen zerstören Lebensräume und beschwören Katastrophen herauf. Die Regierung scheint kein Interesse daran zu haben, die Umwelt zu bewahren. Sie zieht die Plünderung der Naturressourcen einer nachhaltigen Entwicklung vor.

Vltchek zitiert die linke israelische Journalistin Amira Hass, die es nur zwei Tage in Jakarta aushielt: »Dieser Ort scheint noch disparater zu sein als Gaza.« Ein trauriges, aber wichtiges Buch, das allen Touristen, die nur die imposante Tempelanlage von Borobudur und die anmutigen Bali-Tänzerinnen kennen, empfohlen sei.

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